Am Dienstag, 26. September, kündigte Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) die Arbeitsaufnahme des „Polizeilichen Terrorismus- und Extremismus-Abwehrzentrums (PTAZ)“ am 1. Oktober an. Eine Abkürzung wie eine Panzerfaust, könnte man sagen. Entsprechend martialisch waren auch Ulbigs Worte, mit denen er diese neue Umsortierung im Polizeiapparat begründete.

„Die Sicherheitslage hat sich in den vergangenen Jahren gravierend verändert“, erklärte der Minister. „Deshalb richten wir den polizeilichen Staatsschutz im Freistaat gänzlich neu aus. Mit dem neuen Terrorismus- und Extremismus-Abwehrzentrum sowie bei gleichzeitiger Stärkung der Staatsschutzdezernate, bilden wir ein schlagkräftiges und flexibles Netzwerk gegen die politisch motivierte Kriminalität in Sachsen. Es handelt sich dabei nicht nur um eine strukturelle Veränderung, sondern gleichzeitig um eine der ‚größten Investitionen‘ der sächsischen Polizei in die Bekämpfung der politisch motivierten Kriminalität.“

Die Neujustierung des polizeilichen Staatsschutzes sei notwendig geworden, weil die Bedrohungslage durch den islamistischen Terrorismus gewachsen sei, die Fremdenfeindlichkeit innerhalb der rechten Szene weiter zunehme und in Teilen der linken Szene weiterhin eine hohe Gewaltbereitschaft herrsche. Zudem gebe es Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Szenen.

„Mit der neuen Struktur wollen wir ganz bewusst Synergien nutzen und die Verantwortung für die polizeiliche Ermittlungsarbeit in Sachen politisch motivierter Kriminalität – jedweder Couleur – in einer Hand belassen“, sagte Ulbig.

Das PTAZ ist jetzt dem Landeskriminalamt angegliedert und übernimmt neben einem Großteil des Personals auch die bisherigen Aufgaben des Operativen Abwehrzentrums (OAZ), das bislang der Polizeidirektion Leipzig angegliedert war.

Darüber hinaus erhalten die fünf Polizeidirektionen künftig mehr Personal für die Ermittlungen zu Staatsschutzdelikten. Bis 2020 sollen in Sachsen so insgesamt rund 400 Ermittler alle Straftaten im Bereich der politisch motivierten Kriminalität bearbeiten. Außerdem werden an ausgewählten Revierstandorten Regionalstellen des Staatsschutzes eingerichtet. So etwa in Aue, Freiberg, Döbeln, Meißen, Pirna, Bautzen, Grimma, Torgau und Plauen. Für das PTAZ sind zunächst 241 Stellen vorgesehen, bis 2020 soll sich die Zahl sukzessive auf 260 erhöhen. Auch die Staatsschutzdezernate in den Polizeidirektionen erhalten bis zum Jahr 2020 weitere 40 Personalstellen. Bislang sind in diesem Bereich landesweit rund 100 Bedienstete im Einsatz.

Was natürlich den Verdacht mit sich bringt, dass das erst 2012 ebenfalls aus aktuellem Anlass gegründete OAZ möglicherweise nicht richtig funktioniert hat. Nur zur Erinnerung: Es wurde damals in Reaktion auf das Bekanntwerden der Terrorzelle NSU im Jahr 2011 gegründet und sollte sich schwerpunktmäßig um den Rechtsextremismus in Sachsen und die gewaltaffinen Netzwerke kümmern. Wenig später wurde ihm dann auch noch die Aufgabe auferlegt, sich auch um den Linksextremismus zu kümmern. Sachsens Regierung kommt ja aus diesem Extremismendenken nicht heraus.

Und 2016 gab es ja dann bekanntlich die peinliche Vorstellung beim Versuch, den mutmaßlichen Terroristen Al-Bakr zu verhaften.

„Auch das war ja eine ganz wesentliche Lehre aus dem Fall Al-Bakr im vergangenen Jahr“, betonte der Innenminister.

Aber augenscheinlich war auch das OAZ eine ganze Nummer zu klein konzipiert.

„Ich vermisse zudem eine Evaluation der Arbeit des bisherigen Operativen Abwehrzentrums (OAZ)“, kritisiert Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen, die neue Strukturentscheidung Ulbigs. „Die Neugründung des PTAZ im LKA legt nahe, dass sich die bisherige Struktur nicht bewährt hat. Die zugrundeliegende Organisations- und Aufgabenanalyse sollte der Innenminister zumindest dem Landtag kommunizieren. Immerhin ist diese Neustrukturierung bereits die zweite nach dem Konzept ‚Polizei.Sachsen.2020‘, die ebenfalls noch nicht vollständig umgesetzt ist.“

Dass das OAZ in seiner bisherigen Struktur nicht richtig funktioniert hat, wird für ihn in der neuen Struktur deutlich sichtbar: „Das PTAZ muss seinen Schwerpunkt auf die Bekämpfung rechtsextremer Gewalt legen. Dann ist die Errichtung im Landeskriminalamt (LKA) zu begrüßen. Das gilt auch für die Erhöhung der Stellen im Bereich der Staatsschutzdelikte. Insbesondere die Errichtung von Regionalstellen des Staatsschutzes an Revieren in Gebieten mit einem hohen Anteil rechtsmotivierter Straftaten erachte ich als angemessene Reaktion. Ich verbinde mit dieser Schwerpunktsetzung auch die Hoffnung, dass künftig alle Straftaten mit fremdenfeindlicher Motivation auch als solche aufgenommen, registriert und verfolgt werden. Hier gab es bislang erhebliche Defizite.“

Denn Aue, Freiberg, Döbeln, Meißen, Pirna, Bautzen, Grimma, Torgau und Plauen sind tatsächlich keine Schwerpunkte der von Ulbig so gern beschworenen linken Radikalen, sondern der von zum Teil sehr aktiven rechtsradikalen Netzwerken.

Aber was Ulbig in der Personalfrage so leichthin als möglich erklärte, wirft für Lippmann einige Fragen auf.

„Ich warne allerdings dringend davor, die Aufstockung der Stellen im PTAZ zu Lasten der Polizei in der Fläche gehen zu lassen“, sagt er. „Es braucht Polizeipräsenz vor Ort, um Straftaten zu verhindern. Wie und insbesondere zulasten welcher Aufgaben der Innenminister die Stellenverteilung in Anbetracht der mindestens bis zum Jahr 2020 angespannten Personalsituation vornehmen will, bleibt vollkommen unklar.“

Und genau so sieht es Enrico Stange, der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion.

„Zur Anbindung ans Landeskriminalamt (LKA) gibt es keine Alternative. Denn bis 2030 werden bis zu 45 Prozent der sächsischen Polizeibediensteten und auch des LKA in den Ruhestand gehen, was einen gravierenden Erfahrungsverlust bedeutet“, stellt er fest. „Die seit 2006 praktizierte Personalabbau-Politik der CDU führt nun allerdings dazu, dass zunächst erfahrene Beamte aus den Staatsschutzabteilungen zum PTAZ hin abgezogen werden müssen. Die beabsichtigte Sollstärke lässt sich bis 2020 nur erreichen, wenn Neueinsteiger von der Hochschule der Polizei hinzugezogen werden. Der Preis für organisatorische Stärkungen auf der einen sind organisatorische Schwächungen auf der anderen Seite. Die Personalpolitik der CDU bleibt also auch in Zukunft ein Sicherheitsrisiko für uns alle.“

Die Struktur des PTAZ.

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