Die opulente „Bauabschlussfeier“ am 23. August im neuen Paulinum der Universität Leipzig hat nicht nur die Landtagsabgeordneten der SPD verärgert. Auch bei den Grünen fand man diese Opulenz überhaupt nicht angebracht, nachdem der ganze Bau kostenseitig so stark aus dem Ruder gelaufen war. Und das in einem Umfeld, in dem fast alle Hochschulen über fehlende Investitionen klagen. Claudia Maicher las dem zuständigen Finanzminister am 31. August die Leviten.
„Beeindruckende 117 Millionen Euro hat dieser Neubau gekostet, doppelt so viel, wie ursprünglich veranschlagt. Aber das ficht Herrn Prof. Unland nicht an“, sagte die hochschulpolitische Sprecherin der Grünen am Rednerpult des Landtags. „Viel interessanter ist die Tatsache, dass der Finanzminister das ausschließlich bei prestigeträchtigen Bauten so zu sehen scheint. Sobald es um die Sanierung und Instandhaltung der ganz normalen, alltäglich benötigten Hochschulinfrastruktur geht, erlahmt der Elan des Finanzministers merklich. Ich erinnere nur an die Theologische Fakultät in Leipzig. Eigentlich war seit 2012 geplant, dass sie in ein anderes Gebäude umzieht, was zunächst instand gesetzt werden muss. Bis zur Fertigstellung wurde die theologische Fakultät in einem Interimsgebäude untergebracht, das, wie sich schnell herausstellte, überhaupt nicht für den Lehrbetrieb geeignet war. Gut, es sollte ja auch nur ein Provisorium sein. Es gab nur einen Haken – für die Sanierung des angedachten Gebäudes war über Jahre gar kein Geld eingestellt.”
Wie behäbig es derweil in der Landespolitik zugeht, führt Maicher so aus: “Und hätte der Landtag bei den letzten Haushaltsverhandlungen auf Initiative meiner Fraktion nicht interveniert, wäre es dabei auch geblieben. Die benötigten 4,3 Millionen Euro für die Sanierung des Gebäudes für die theologische Fakultät wollten Sie, Herr Unland, einfach nicht rausrücken. Es wäre eben nur eine Sanierung gewesen, kein schöner neuer Prachtbau, den man mit viel Tamm Tamm eröffnen könnte.“
Und natürlich gäbe es auch keine tolle Bauabschlussparty. Doch nicht nur bei Hochschulbauten wird (hinter schönen Bauschildern) gespart.
Auch beim Personal wird geknausert. Was in einem Bereich weitreichende Folgen für die Verbrechensaufklärung hat. Denn auch die Gerichtsmedizin unterliegt dem rigiden sächsischen Spardiktat beim Personal.
Ergebnis: Die Institute für Rechtsmedizin der TU Dresden und der Uni Leipzig mit der Prosektur Chemnitz leiden unter chronischem Geldmangel. Investitionen blieben jahrelang liegen, der laufende Betrieb funktioniert nur noch durch Arbeit am Limit.
Ein Thema, dessen sich die Linksfraktion im Landtag angenommen hat. Mit einem Antrag will sie nun erreichen, dass den Instituten eine Soforthilfe von je 500.000 Euro für die Haushaltsjahre 2017 und 2018 gewährt wird. Auch danach soll dauerhaft eine auskömmliche Finanzierung sichergestellt werden. Ein entsprechender Antrag (Drucksache 6/10716) wird jetzt im Landtag behandelt.
„Die Institute fertigen Gutachten, obduzieren Leichname, identifizieren Tote, untersuchen Geschädigte und Tatverdächtige und werten (DNA)-Spuren aus. Wenn sie nicht ordentlich arbeiten können, fehlen gerichtsverwertbare Beweise. Straftaten, auch Tötungsverbrechen, bleiben unentdeckt, Täter kommen davon. Das nimmt die CDU-geführte Regierung in Kauf und inszeniert sich dennoch als Garant der öffentlichen Sicherheit. Tatsächlich ist sie ein Sicherheitsrisiko“, erklärt dazu Klaus Bartl, Sprecher für Verfassungs- und Rechtspolitik der Linksfraktion.
Und geht dann auf die Ursachen der Misere ein: „Nach wie vor sind die Rechtsmedizinischen Institute (RMI) chronisch unterfinanziert. Die Zahlungen nach dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz reichen nicht aus, zweckgebundene Zuweisungen aus dem Landeshaushalt für die Rechtsmedizin fehlen. Infolgedessen wird Personal abgebaut, versierte Rechtsmediziner wandern ab, das Leistungsprofil wird eingeschränkt. Unsere Forderung, diesen unhaltbaren Zustand zu ändern, steht im Einklang mit der Lageeinschätzung der Institute.“
In der Anhörung zum inzwischen durch die CDU-SPD-Koalition abgelehnten Antrag „Sicherung einer leistungsfähigen, zukunftssicheren und flächendeckenden Rechtsmedizin“ (Drucksache 6/6015) bezifferte die Direktorin des Rechtsmedizinischen Instituts (RMI) Dresden, Prof. Dr. Christine Erfurt, das Defizit ihres Hauses auf „zwischen 400.000 und 600.000 Euro“ im Jahr. Für das Leipziger Institut erklärte der Dekan der Medizinischen Fakultät, Prof. Dr. Michael Stumvoll, ein „Zuschuss in der Größenordnung von 500.000 Euro“ pro Jahr sei notwendig.
„Das Wissenschaftsministerium räumt ein, dass diese Defizite bestehen, vertröstet aber auf den nächsten Doppelhaushalt 2019/2020“, stöhnt Bartl. Augenscheinlich macht wohl auch das Schwerverbrechen bis dahin Pause und lässt sich die Gerichtsmediziner erst mal erholen. Bartl: „Justizminister Gemkow setzt seine Hoffnungen ganz auf steigende Vergütungssätze im Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz, die aber nicht in Sicht sind. Andere Bundesländer sorgen längst mit Landesmitteln dafür, dass die Rechtsmedizin ordentlich arbeiten kann. In Sachsen scheitert das offenbar am Finanzminister, der Mittel blockiert, und am Ministerpräsidenten, der wieder einmal tatenlos zuschaut.“
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