Für FreikäuferLächerlich nannten wir jüngst an dieser Stelle das sächsische Programm für sozialen Wohnungsbau. Nur einen kleinen Teilbetrag der Gelder, die der Bund für Wohnraumförderung an Sachsen überweist, wird überhaupt für das Programm für sozialen Wohnungsbau bereitgestellt. Der am Ende auch nicht wirklich sozial wird, weil trotzdem Mieten von 6,50 Euro je Quadratmeter dabei herauskommen. Man kann auch mit bürokratischen Finessen ein Programm torpedieren.

Und damit politisches Gestalten ad absurdum führen. Die Leipziger Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Die Linke) wollte jetzt genauer wissen, wie Sachsens Regierung mit den Bundesgeldern umgeht und ob der Freistaat selbst noch ein bisschen was drauflegt, um die absehbare Wohnungsnot in den Großstädten zu verhindern.

Aber Sachsens Regierung legt nichts drauf. Dass es überhaupt ein winziges Programm für sozialen Wohnungsbau für die beiden Großstädte Dresden und Leipzig gibt, hat die unermüdliche SPD-Fraktion durchgesetzt. Mühsam genug – und auch aus eigener Sicht nicht ansatzweise ausreichend.

Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU), der auch für den Städtebau zuständig ist, kann sich dann als großer Ermöglicher präsentieren. Aber das ist er nicht. Denn in Wirklichkeit fließt kein einziger sächsischer Euro in das Programm. Und tatsächlich hat er es auch diesmal fertiggebracht, den Löwenanteil der Bundesgelder umzuleiten in andere Wohnungsförderprogramme.

„Wie viele Mittel erhält der Freistaat Sachsen aus den Bundeszuweisungen für Wohnraumförderung 2016 – 2019 und wie werden diese Mittel in den Haushaltsjahren 2017/2018 verwendet“, wollte Juliane Nagel wissen.

„Der Freistaat Sachsen erhält aus den Bundeszuweisungen für die Wohnraumförderung in den Jahren 2016 bis 2019 insgesamt 519,28 Mio. EUR“, teilt der Minister mit. Das sind Jahresscheiben von 117 Millionen Euro (2016 und 2019) bzw. 142,5 Millionen Euro (2017 und 2018).

Aber dieses Geld fließt nicht komplett in Sozialen Wohnungsbau.

Markus Ulbig bezahlt davon auch gleich noch die Städtebauförderung in Sachsen. „Danach ist festgelegt, dass 2017 78,8216 Mio. Euro (2018: 77,8216 Mio. Euro) in verschiedene Bereiche der Wohnraumförderung investiert werden und 63,638 Mio. Euro (2018: 64,638 Mio. Euro) in verschiedene Bereiche der Städtebauförderung.“

Ob das Bundesprogramm dafür gedacht war, darf bezweifelt werden.

Und die „verschiedenen Bereiche der Wohnraumförderung sind auch nicht alles sozialer Wohnungsbau. Denn aus den 77 Millionen Euro wird auch der „Bau oder Erwerb von Wohneigentum für Familien mit Kindern unter 18 Jahren“ gefördert, die „Förderung der Wohnraumanpassung für mobilitätseingeschränkte Mieter und selbstnutzende Wohneigentümer“ bezahlt, die „Förderung des seniorengerechten Umbaus bestehender Mietwohnungen“ und die „Unterstützung von Baugemeinschaften und Förderung von inklusiven Wohngemeinschaften“.

Tatsächlich sind von den 519,28 Millionen Euro nur 140 Millionen Euro für den Sozialen Wohnungsbau reserviert, pro Jahr also 35 Millionen Euro – und zwar anteilig für Dresden und Leipzig. Das Ringen um die Anteile ist längst entbrannt. Leipzig möchte gern mehr als die Hälfte von diesem Küchlein. Aber Dresden hat längst denselben Bedarf. Um wieder eigene preiswerte städtische Bestände bauen zu können, hat Dresden extra wieder eine eigene Wohnungsbaugesellschaft gegründet.

Die Meldung dazu: „Die Urkunde zur Gründung der ‚Wohnen in Dresden GmbH & Co. KG‘ (WID) wurde heute, 19. September 2017, notariell beglaubigt. Voll geschäfts- und arbeitsfähig wird die neue Gesellschaft mit dem Eintrag im Handelsregister und der kommunalrechtlichen Genehmigung voraussichtlich Mitte November sein.“

Dresden wird auf seinen Anteil ganz bestimmt nicht verzichten. Leipzig kann also wohl mit der Hälfte, 19 Millionen Euro im Jahr, an Förderung rechnen.

Davon kann man nicht wirklich viel bauen. OBM Burkhard Jung rechnet damit, dass Leipzig beim gegenwärtigen Bevölkerungswachstum zwischen 1.500 und 2.000 neue Wohnungen im preiswerten Segment braucht – jedes Jahr. Bei insgesamt 3.000 benötigten neuen Wohnungen jährlich.

Aber das gibt das Programm der Landesregierung nicht her.

„Mit den in den Jahren 2016 bis 2019 aus den Bundeszuweisungen für die Wohnraumförderung für die soziale Wohnraumförderung nach der RL gMW zur Verfügung stehenden 140,0 Mio EUR ist geplant, ca. 3.600 bis 4.000 mietpreis- und belegungsgebundere Mietwohnungen zu schaffen“, teilt Ulbig mit.

Das sind dann zwischen 400 und 500 Wohnungen für Leipzig pro Jahr, also deutlich weniger, als Burkhard Jung als Mindestbedarf sieht.

Sachsen hätte gut getan, das Programm deutlich besser auszustatten. Aber es hat nicht mal einen eigenen Beitrag draufgetan, um die möglichen Wohnungsfertigstellungen deutlich zu erhöhen oder gar den Mietrichtwert unter 6,50 Euro zu senken. Im Gegenteil. Staubtrocken teilt Ulbig mit, dass Sachsen keinen Cent drauflegt und nur die Bundesgelder nimmt, und davon auch nur einen geringen Teil für sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stellt.

Ulbig: „100 Prozent der Kosten, die der Freistaat Sachsen für den sozialen Wohnungsbau einsetzt, werden durch die Förderung aus dem ‚Gesetz zur Beteiligung des Bundes an den Kosten der Integration und zur weiteren Entlastung von Ländern und Kommunen‘ finanziert.“

Man darf sich den Titel des Bundesgesetzes durchaus auf der Zunge zergehen lassen: Die Gelder sind als Beteiligung an den notwendigen Landesprogrammen gedacht. Nur: Sachsen beteiligt sich überhaupt nicht und gibt nicht mal den notwendigen Löwenanteil für sozialen Wohnungsbau frei. So entlastet man den eigenen Haushalt und überlässt dann doch den Kommunen, mit dem Engpass selber irgendwie zurechtzukommen. Was dann zwangsläufig – spätestens übers Wohngeld – direkt auf die Haushalte der Kommunen durchschlägt.

Die Antwort von Markus Ulbig (CDU) auf die Anfrage von Juliane Nagel (Linke). Drs. 10411

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Nun, wenn als Grundlage das “Gesetz über die soziale Wohnraumförderung (Wohnraumförderungsgesetz – WoFG) gemeint ist, dann ist der Einsatzzweck durchaus recht weit gefasst.
Der Anwendungsbereich wird nämlich wie folgt beschrieben:

(1) Dieses Gesetz regelt die Förderung des Wohnungsbaus und anderer Maßnahmen zur Unterstützung von Haushalten bei der Versorgung mit Mietwohnraum, einschließlich genossenschaftlich genutzten Wohnraums, und bei der Bildung von selbst genutztem Wohneigentum (soziale Wohnraumförderung).
(2) Zielgruppe der sozialen Wohnraumförderung sind Haushalte, die sich am Markt nicht angemessen mit
Wohnraum versorgen können und auf Unterstützung angewiesen sind. Unter diesen Voraussetzungen unterstützt
1. die Förderung von Mietwohnraum insbesondere Haushalte mit geringem Einkommen sowie Familien und andere Haushalte mit Kindern, Alleinerziehende, Schwangere, ältere Menschen, behinderte Menschen,
Wohnungslose und sonstige hilfebedürftige Personen,
2. die Förderung der Bildung selbst genutzten Wohneigentums insbesondere Familien und andere Haushalte mit Kindern sowie behinderte Menschen, die unter Berücksichtigung ihres Einkommens und der
Eigenheimzulage die Belastungen des Baus oder Erwerbs von Wohnraum ohne soziale Wohnraumförderung nicht tragen können.

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