Wenn Antifaschisten in der sรคchsischen Provinz demonstrieren wollen, dann kommen sie selten mit froher Kunde. Sie machen einen GroรŸteil der Einwohner fรผr rassistische Zustรคnde verantwortlich โ€“ sei es durch aktive Hetze oder passives Wegschauen โ€“ und packen ihre Kritik in deutliche Worte und Parolen. Eine groรŸe Aufmerksamkeit erreichen sie damit jedoch selten. Anders in Wurzen: Dort will ein Antifa-Bรผndnis am Samstag, 2. September, ebenfalls gegen Rassismus und dessen Verharmlosung protestieren. Viele Einwohner rechnen nun mit รคhnlichen Ausschreitungen wie vor knapp zwei Monaten in Hamburg.

Fรผr viele Bรผrger in Wurzen wird die Nacht auf Samstag wohl die letzte ihres Lebens sein. So kรถnnte man โ€“ รผberspitzt formuliert โ€“ die Befรผrchtungen zusammenfassen, die in der Kleinstadt nahe Leipzig gerade in den Kรถpfen vieler Menschen umhergeistern. Seit bekannt wurde, dass hinter einer fรผr Samstag geplanten Antifa-Demonstration der โ€žRote Floraโ€œ-Protagonist Andreas Blechschmidt steckt, rechnen viele mit Ausschreitungen, Plรผnderungen und ernsthaften Gefahren fรผr Leib und Leben.

Dabei sprechen die Fakten eine andere Sprache. Blechschmidt hat die Versammlung zwar angemeldet, war in Hamburg aber nicht Antreiber irgendwelcher Ausschreitungen, sondern lediglich Anmelder der โ€žWelcome to Hellโ€œ-Demonstration. Diese wiederum wurde bekanntlich noch vor ihrem Start von der Polizei zerschlagen. Zudem ist kaum damit zu rechnen, dass jene, die in Hamburg an Sachbeschรคdigungen und anderen Straftaten beteiligt waren, knapp zwei Monate spรคter die intensive Beobachtung der immer noch nach Verdรคchtigen suchenden Polizei anstreben.

Eine klare Sprache sprechen auch die bisherigen Aktivitรคten des รผberregionalen Bรผndnisses โ€žIrgendwo in Deutschlandโ€œ, das im vergangenen Jahr fรผr รคhnliche Veranstaltungen in Heidenau, Dresden und Zwickau verantwortlich war. Ziel war es immer wieder, auf rassistische Zustรคnde oder die Abschottung Europas aufmerksam zu machen. Zu Ausschreitungen kam es dabei nicht. In Dresden โ€“ am Tag der Deutschen Einheit โ€“ waren es stattdessen die Pegida-Anhรคnger, die fรผr Negativschlagzeilen sorgten, indem sie Partygรคste beleidigten โ€“ stellenweise rassistisch.

Die Stadt Wurzen betrachten die Organisatoren als โ€žSchwerpunkt neonazistischer Gewalt und Strukturen in der Region Leipzigโ€œ. Sie verweisen dabei auf hier lebende Personen, die an den Nazirandalen in Connewitz beteiligt gewesen sein sollen, rechte Vertriebe und Legida. Der frรผhere Legida-Chef Markus Johnke hat hier gewohnt. Mittlerweile ist dies laut seiner Facebookseite nicht mehr der Fall.

Darรผber hinaus galt Wurzen insbesondere in den 90er Jahren als Schwerpunkt der Neonaziszene. Das Bรผndnis โ€žIrgendwo in Deutschlandโ€œ erklรคrt, dass es auch heute noch zahlreiche Vorfรคlle gibt, insbesondere versuchte oder tatsรคchliche Angriffe auf Geflรผchtete und ihre Unterstรผtzer. Die Stadtgesellschaft wรผrde sich nach Ansicht der Antifaschisten nicht ausreichend dagegen positionieren. In Wurzen wiederum sehen das viele anders โ€“ von der geplanten Demonstration fรผhlen sie sich deshalb in die โ€žrechte Eckeโ€œ gedrรคngt.

In den vergangenen Tagen sind in verschiedenen Medien โ€“ darunter LVZ, Tag24 und MDR โ€“ zahlreiche Menschen zu Wort gekommen. Sie schilderten, dass sie Angst um ihre Kinder hรคtten, ihre Lรคden verbarrikadieren wรผrden und an dem Tag lieber nicht vor die Tรผr gehen mรถchten. Die Verantwortlichen der Stadt betonen zumindest รถffentlich, dass sie mit einem friedlichen Verlauf der Demonstration rechnen.

Kurzfristig waren sogar zwei Gegenkundgebungen angemeldet, eine davon laut LVZ-Online vom rechten Kampfsportler Benjamin B.. Mittlerweile wurden die Anmeldungen offenbar zurรผckgezogen. Zudem dรผrfen die Antifaschisten am 2. September scheinbar nicht die von ihnen gewรผnschte Route laufen. Das Konfliktpotential soll รผberschaubar bleiben. Laut auf Facebook kursierenden Fotos hat die Polizei dennoch bereits getestet, ob in den engen StraรŸen genรผgend Platz fรผr ihre Wasserwerfer vorhanden ist.

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Ach, solang die nicht die selben Polizisten wie in Hamburg einsetzen, sollte doch wohl alles halbwegs friedlich bleiben.^^
Ne, im Ernst. Man kann mit solchen Weltuntergangs-Schlagzeilen, wie in o.g. Medien in den letzten Tagen verรถffentlicht, Randalierer natรผrlich auch herbeischreiben (mit Absicht evtl?).
Und zu der rechten Ecke โ€“ wer sich da reindrรคngen lรคsst, passt da wahrscheinlich auch ganz gut rein.

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