Für FreikäuferAm 16. August hat Sachsens Innenminister Markus Ulbig in Görlitz tatsächlich einen Sommer-Wahlkampf-Termin eingelegt und über den aktuellen Stand des groß angekündigten Projektes zur präventiven Videoüberwachung an Kriminalitätsschwerpunkten in der Altstadt informiert. Also nichts da mit der Fake-Meldung der CDU-Landtagsfraktion „Mit High-Tech gegen Kriminelle“ und „intelligente Kameras mit Gesichtserkennung“.
Das Problem ist bekannt. Bereits im vergangenen Jahr hat die Polizeidirektion Görlitz damit begonnen, zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Eigentumskriminalität, ein Projekt zur präventiven Videoüberwachung in der Altstadt Görlitz zu planen.
Anlass war die Entwicklung der Kriminalität in der Neißestadt. Görlitz war im vergangenen Jahr die am zweitstärksten mit Kriminalität belastete Stadt in ganz Sachsen. Nach Leipzig, das schon aufgrund seiner zentralen Lage an mehreren Verkehrsknotenpunkten ein Hotspot vor allem der Diebstähle, der Drogenkriminalität und der Einbrüche ist. Und die Zahlen steigen – trotz präventiver Videoüberwachung. So viel Stadt kann man mit Kameras gar nicht überwachen, dass die Ganoven nicht doch irgendwo unbehelligt ihre Straftaten verüben können.
Die Hoffnung der Polizei liegt meistens darauf, dass sich bestimmte Straftaten an einsehbaren öffentlichen Plätzen ballen. In Görlitz hat man diese Hoffnung und konzentriert sich mit der geplanten Überwachung auf vier Standorte.
Insbesondere der Diebstahl in der Altstadt ist in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen. Die Straftatenbelastung in Bezug auf Eigentumsdelikte liegt in Görlitz um 93 Prozent höher als in der Stadt Bautzen, um 22 Prozent höher als in Chemnitz und 13 Prozent höher als in Dresden. 2014 und 2015 wurden in Görlitz jährlich rund 3.700 Diebstähle erfasst. Auch wenn die Diebstähle 2016 wieder knapp unter die 3.000er Marke rutschten, liegt die Neißestadt in der Häufigkeit je 100.000 Einwohner noch immer an zweiter Stelle.
„Nachdem die Eigentumskriminalität in den vergangenen drei Jahren einen traurigen Höhepunkt erreicht hat, habe ich die Polizeidirektion Görlitz gebeten, neben einer Intensivierung der bestehenden polizeilichen Maßnahmen, ein Konzept zur effektiveren Kriminalitätsbekämpfung zu entwickeln. Auch wenn noch einige vorbereitende Arbeiten bis zur Umsetzung notwendig sind, bin ich von der Wirksamkeit der präventiven Videoüberwachung an Kriminalitätsschwerpunkten überzeugt“, meinte Innenminister Markus Ulbig am Mittwoch.
Durch die nun geplante Videoüberwachung sollen Straftaten durch Abschreckung potenzieller Täter verhindert werden. Außerdem können so erforderliche Interventionsmaßnahmen ermöglicht und Straftaten, durch eine bessere Identifizierung der Kriminellen bei der Verbringung von Diebesgut, schneller aufgeklärt werden, hofft der Minister. Aufgrund der Kameras soll eine sichere Identifizierung von Tatverdächtigen nicht nur bei perfekten Voraussetzungen, sondern auch bei widrigen Witterungs- und Lichtbedingungen sowie durch Fahrzeugscheiben hinweg, möglich sein.
Heißt im Klartext: Man versucht vor allem leistungsstarke, hochauflösliche Kameras zu bekommen, die auch widrige Lichtverhältnisse „ausblenden“ können. Bisherige Videotechnik liefert meist nur wenig detailreiche Aufnahmen.
„Die Technik soll so ausgestattet werden, um den Fahrzeug- und Personenverkehr ganztägig kontrollieren zu können“, sagte der Präsident der Görlitzer Polizeidirektion Torsten Schultze am Mittwoch während der Vorab-Präsentation des Projekts. „Eine durchgehende Live-Überwachung der Kameraaufnahmen durch Polizeibeamte ist grundsätzlich nicht vorgesehen. Bei speziellen Anlässen oder bei Gefahrenlagen können die Signale jedoch im Führungs- und Lagezentrum der Polizeidirektion Görlitz zugeschalten werden. Die aufgezeichneten Daten werden automatisch nach 96 Stunden unwiderruflich gelöscht, sofern diese nicht zur Verfolgung von Straftaten erforderlich sind.“
Heißt im Klartext: Die Kameras zeichnen ganz normal auf wie andere Überwachungskameras auch. Von intelligenter Gesichtserkennung ist keine Rede. Wenn es im überwachten Raum zu Vorfällen kommt, kann das Material zur Täteraufklärung genutzt werden. Aber es ist wie bisher: Die Polizeibeamten müssen sich die in Frage kommenden Bildfolgen selbst am Bildschirm anschauen. Sie können sich auch, wenn gerade Geschehnisse auf dem Platz ablaufen, direkt zuschalten.
Aber bis auf den Wunsch, wirklich leistungsfähige Kameratechnik zu bekommen, ist an dem Projekt nichts Neues. Übrig bleibt eine deutlich bessere Bildqualität, oder so, wie es die CDU-Fraktion dann nach dem großen Japser von der „intelligenten Kamera“ formulierte: „hochauflösende Kameras“, die aber nicht „die Gesichter der Straftäter ohne weiteres erkennen können“, denn sie werden nicht „intelligent“. Sie werden nur hochauflösend. Es sind weiterhin die Polizisten, die die Gesichter der Straftäter erkennen müssen. Künftig wahrscheinlich wirklich in guter Fotoqualität.
Insgesamt sind vier Kamerastandorte in der Görlitzer Altstadt mit hochauflösender Videotechnik geplant: An der Fußgängerbrücke Altstadt über die Neiße, an der Kreuzung Nikolaigraben/Hotherstraße sowie zwei Standorte am Kreisverkehr Grüner Graben/Hugo-Keller-Straße.
Im September 2017 soll die europaweite Ausschreibung der zu beschaffenden Technik erfolgen. Nach dem Abschluss des Vergabeverfahrens sowie weiterer Vorbereitungen, soll die Videoüberwachung 2018 in Görlitz beginnen.
Zur Finanzierung des Projektes sind Haushaltsmittel in Höhe von rund 500.000 Euro für die Beschaffung der Technik (ohne Betriebs- und Unterhaltungskosten) veranschlagt.
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