Selbst „Spiegel Online“ fand einfach nur noch dreist, was Angela Merkel und Horst Seehofer am Montag, 3. Juli, als Wahlprogramm zur Bundestagswahl vorstellten. „Voll mit fremden Federn“, war die Kolumne von Florian Diekmann betitelt, in der er vor allem kritisiert, dass die beiden Unionsgranden bis 2025 Vollbeschäftigung erreichen wollen, ohne ein tragfähiges Konzept dahinter. Und heftig fällt auch die Kritik von Daniela Kolbe aus.
Sie ist Generalsekretärin der SPD Sachsen und Spitzenkandidatin der sächsischen SPD zur Bundestagswahl. Und es kann ja wie so oft in den letzten Jahren passieren: Die SPD muss mit CDU und CSU in eine Koalition, weil andere Konstellationen nicht möglich sind. Es wird zwar schon wieder über eine CDU/CSU/FDP-Koalition orakelt. Aber auch da hält sich die Erwartung selbst der großen Medien in Grenzen.
Dass alles immer wieder auf Angela Merkel zuläuft, hat natürlich mit ihrer Art Politik zu machen zu tun. Meist versucht sie lieber gar nichts zu machen um das Hauptwählerklientel der Union nicht zu verschrecken. Deswegen wirkt es, wenn sie dann doch einmal reagiert, meist wie ein Erdbeben: Ausstieg aus der Atomkraft, „Wir schaffen das“, Ehe für alle …
Aber was fehlt, ist ein konsistentes Programm, das aufzeigt, wie sie die gebündelten Probleme der Republik lösen will. Und das sind wirklich nicht die Steuerprobleme der Mittelklasse. Das Problem sind die Menschen, die das Gefühl haben, abgehängt zu sein, keine Aufstiegschancen zu haben und eben nicht Teil der großen Wohlstandsmaschine zu sein.
Und das sind sehr viele Ostdeutsche, wie Daniela Kolbe feststellt.
„Merkel liefert nicht ein Argument, warum sie das Land weitere vier Jahre regieren sollte. Das Wahlprogramm zielt allein auf Leute, die schon wohlhabend sind. Das ist weder zukunftsträchtig, noch verbessert sich das Leben für die hart arbeitenden Menschen in der Mitte unserer Gesellschaft. Die Union zementiert damit bestehende Ungerechtigkeiten in unserem Land“, benennt sie das Hauptproblem im Union-Wahlprogramm.
Mit Blick auf die Lebenssituation der Menschen in Ostdeutschland stellt Kolbe einige Schwächen fest: „Die Ostdeutschen profitieren kaum vom CDU-Programm: Angela Merkel und die sächsische CDU sehen keinen Handlungsbedarf bei der Rente, trotz der steigenden Gefahr von Altersarmut. Allein neuer Wohnungsbau wird auch gegen die steigenden Mieten in Dresden und Leipzig nicht helfen. Mit dem Schlagwort Entbürokratisierung soll der für den Osten so wichtige Mindestlohn ausgehöhlt werden. Es findet sich keine Idee, wie der Zusammenhalt in der Gesellschaft gestärkt und damit der gesellschaftliche Rechtsruck und die soziale Spaltung bekämpft werden kann.“
Es fehlt auch nicht nur der Plan für Ostdeutschland, der hier endlich selbsttragende Strukturen schafft und damit endlich die Freiräume, dass sich der Osten eigenständig entwickeln und zur wirtschaftlichen Kraft werden kann. Als wäre man noch immer in Bonner Zeiten, in denen man lieber sieht, dass da im Osten keine wirkliche Konkurrenz heranwächst.
Natürlich wächst da trotzdem etwas heran. Aber das muss nicht unbedingt etwas Wünschenswertes sein.
„Der CDU fehlt ein Plan für die Zukunft Deutschlands und den sozialen Fortschritt in unserem Land“, sagt Daniele Kolbe. Was derzeit noch herausfordernd klingt. Noch hat der Bundestagswahlkampf erst begonnen und gibt es Chancen auch für den Herausforderer Martin Schulz, im Herbst andere Konstellationen zu ermöglichen, als die für die SPD belastende Große Koalition, in der sie nur wenig von dem umsetzen kann, was sie selbst an Lösungsmöglichkeiten vorschlägt. Übrigens auch auf europäischer Ebene. Das wird gern vergessen beim aktuellen schönen Wirtschaftswetter in Deutschland, dass das Konstrukt Europa nach wie vor gefährdet ist und nicht unbedingt damit zu rechen ist, dass Emmanuel Macron in Frankreich die Kastanien aus dem Feuer holt, sich Polen, Ungarn und Tschechen besinnen und vor allem Länder wie Griechenland, Italien und Spanien aus der Krise kommen.
Das Gespann Merkel-Schäuble hat immer auf die entscheidende Rolle Deutschlands als Geldgeber gepocht, aber stets vermieden, die notwendigen Reformen der EU auch nur anzutippen. Reformen, die seit 2007 fällig und überfällig sind. Das nächste Riesenloch im Wahlprogramm der Union.
„Wir als SPD stehen hingegen für gesellschaftlichen Fortschritt für alle. Mit einer Familienarbeitszeit, mit Entlastungen für kleinere und mittlere Einkommen, die in unserer Gesellschaft viel zu wenig Anerkennung bekommen“, sagt Daniela Kolbe. Vielleicht wird die SPD ja wirklich wieder die Stimme der Nicht-so-Wohlhabenden, nachdem sie nun 20 Jahre lang versucht hat, der Union die „Mitte“ abzujagen. „Mit einer Solidarrente, so dass die Leute im Alter weniger Angst um die eigene soziale Sicherheit haben. Mit Investitionen in Bildung, als wichtigste Zukunftsressource unserer Gesellschaft. Und mit einem wirklichen Plan für die Zukunft unseres Landes.“
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Es gibt 4 Kommentare
Eier? Schulz? Bis auf ein paar wenige Sternstunden wohl eher nicht. Und warum sollte er auch? Der Chefsessel ist sicher, Kanzler oben drauf wirds wohl nicht werden, ok, dann eben bissel ruhiger. Alles im Lot, er muss nicht hungern, weiter so.
Das mit der Ironie kennt ihr ja
Ganz kurz hatte mich der Schulz fast gepackt. Aber kaum hat er angefangen zu reden, wars auch schon wieder vorbei. Ich hätte ihn gewählt, wenn dadurch die CDU endlich verschwindet, aber mehr als die GroKo wirds mit dem wohl nicht geben. Irgendwie hat der auf dem Weg von seinem EU-Chefsessel bis nach Berlin seine Eier verloren. Schade, echt schade.
Wer CDU und SPD wählt, wählt auch TTIP, CETA, JEFTA und weitere unsoziale Abkommen.
Boahhh, mit einer “Solidarrente”???
Mein Gott, es gäbe einiges zur SPD zu sagen, aber “Solidarrente” und das von der SPD? Sollen noch weniger zur Wahl gehen? Bei solchen “Analysen” sicher.
Die haben mir der Mehrwertsteuererhöhung doch schon denen überproportional in die Taschen gegriffen, denen sie jetzt angeblich Gerechtigkeit überhelfen wollen, um dann mit der Privatisierung der Rente (Riester) den Einstieg in den Ausstieg der solidarischen Finanzierung der Rentenversicherung weiter zu machen. Auch und gerade im Osten mit den niedrigen Einkommen nicht zu machen. Der Osten, der jetzt von der CDU vergessen wird?
Gar nicht zu reden von Sklavenarbeit, Werkverträgen, Befristungen und….
Ganz besonders im Osten der Republik.
Wie war das mit Fakenews? Herr Maas übernehmen Sie…