Meistens war es Innenminister Markus Ulbig (CDU), der meinte, den fragenden Abgeordneten des Sächsischen Landtages keine Auskunft geben zu müssen - etwa zum geheim gehaltenen Treffpunkt mit der Pegida-Führung. Aber auch die sächsische Staatskanzlei machte sich mit Auskunftsverweigerung schon unbeliebt und bekommt jetzt für den nächsten Fall einen Rüffel vom Verfassungsgericht. Diesmal ging es um die Ordensschwemme für Fluthelfer.

Mit einer Schwemme von Fluthelferorden hat Sachsens Regierung 2013 versucht, das Thema einer unzureichenden Hochwasservorsorge dadurch medial zu übertönen, dass man möglichst viele Helfer beim „Kampf gegen die Flut“ mit hübschem Blech versah. Wer Blech verteilt, muss sich über die Schaffung rettender Überschwemmungsflächen keine Gedanken machen. Hochwasserschutzpolitik wird zum Placebo.

Aber was soll diese Flut von Orden eigentlich bezwecken, fragte sich der Landtagsabgeordnete der Linken André Schollbach. Mittels mehrerer Kleiner Anfragen deckte er auf, dass sich in den vergangenen Jahren eine regelrechte Ordensflut über den Freistaat ergoss. So verlieh Ministerpräsident Stanislaw Tillich zwischen 2013 bis 2015 insgesamt 38.433 Flutorden. 2013 heftete er 9.597 Personen einen Orden an die Brust, im Jahr 2014 wurden satte 27.770 Orden verliehen, 2015 waren es 1.066. Kosten der CDU-Staatsaktion für den Steuerzahler: 268.619 Euro. Die Verleihungen erfolgten in vielen öffentlichen Veranstaltungen (u. a. in der Semperoper, live übertragen) mit Pomp und stets zahlreich anwesender CDU-Prominenz.

Als bekannt wurde, dass mit Pegida-Frontmann Lutz Bachmann auch ein mehrfach vorbestrafter Krimineller mit einem solchen Orden ausgezeichnet worden war, wollte Schollbach in Erfahrung bringen, welche Personen noch geehrt worden sind. Denn ein Orden ist ein staatlicher Ehrenerweis, betont Schollbach. Der Ausgezeichnete bekommt eine Vorbildfunktion.

Aber ganz im Widerspruch zu ihren extensiv betriebenen öffentlichen Ordensverleihungen begann die Staatsregierung nun schlagartig zu mauern. So wurde Schollbach die Übersendung eines wesentlichen Teils der Namen verweigert. Weiterhin erfolgte die Beantwortung verspätet.

André Schollbach wollte die Geheimniskrämerei der Regierung um die Ordensflut nicht hinnehmen und zog deshalb vor den Verfassungsgerichtshof (VGH).

Am Freitag, 28. Juli, verkündete der VGH in Leipzig seine Urteile (Aktenzeichen: Vf. 105-I-16, Vf. 115-I-16, Vf. 126-I-16). Die knappe Feststellung: Der Abgeordnete wurde in wichtigen Teilen in seinen verfassungsmäßigen Rechten aus Art. 51 Abs. 1 Satz 1 der Sächsischen Verfassung verletzt. Nach dieser Verfassungsnorm sind parlamentarische Anfragen durch die Staatsregierung nach bestem Wissen, unverzüglich und vollständig zu beantworten. Die Regierung verletzte die Verfassung, indem sie nicht unverzüglich antwortete und für einen wesentlichen Teil der Namen die Übersendung an den Abgeordneten verweigerte.

„Erst werden mit großem Pomp und im Beisein zahlreicher CDU-Parteiprominenz tausende Orden verliehen, aber anschließend übt man sich gegenüber der Opposition in Geheimniskrämerei. Dieses Verhalten nach Gutsherrenart ist nicht akzeptabel“, stellt André Schollbach fest. „Orden sind eine besondere Auszeichnung. Ihre massenhafte Verleihung durch CDU-Ministerpräsident Tillich erinnert an das Verhalten von SED-Chef Honecker in der Endphase der DDR, in der weder mit Orden noch mit Auszeichnungen gegeizt wurde. Die tausendfache Verleihung von Orden und die damit verbundene Selbstinszenierung der CDU-Granden sagt einiges über den Zustand der sächsischen Demokratie aus. Wer zu lange an der Macht bleibt, verliert offenbar den Bezug dazu, was angemessen ist.“

Man könnte noch hinzufügen: Der verteilt dann auch emsig Orden, wo man bei der Lösung der eigentlichen Probleme mauert, wegschaut und tatsächlich sehenden Auges ins nächste Flutdrama hineinsteuert. Denn ein nächstes Hochwasser wie 2002 oder 2013 kann es jederzeit wieder geben – nur den notwendigen Ausbau von Überschwemmungsflächen verschiebt man immer weiter in die Zukunft, setzt lieber auf hohe Deiche am Unterlauf der Flüsse, die dann wieder von Scharen von Fluthelfern verteidigt werden müssen.

In eigener Sache: Abo-Sommerauktion & Spendenaktion „Zahl doch, was Du willst“

Abo-Sommerauktion & Spendenaktion „Zahl doch, was Du willst“

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Vielleicht kann man mit den Blechdingern ja die Löcher im Deich stopfen? Bei der Menge…

Schreiben Sie einen Kommentar