Es ist dasselbe Spiel wie in den Vorjahren. Viele sächsische Gemeinden quälen sich mit der Quadratur des Kreises und versuchen, einen Haushalt aufzustellen, der alles Notwendige abbildet – aber auch die eigenen finanziellen Mittel nicht übersteigt. Und wie in den Vorjahren schaffen es viele Gemeinden beim besten Willen nicht. Das erste Halbjahr 2017 ist Geschichte. Aber 54 Kommunen im Freistaat Sachsen sind noch immer ohne beschlossenen Haushalt.
Die Gemeinden befinden sich ganz am Ende der bundesdeutschen Verteilkette. Ganz oben rangiert die Bundesregierung mit ihrem hunderte Milliarden Euro schweren Steueraufkommen, von dem ein Teil eine bzw. zwei Stufen tiefer umverteilt wird. Die erste Stufe darunter sind die Bundesländer, die selbst eher überschaubare Steuereinnahmen meist im zweistelligen Milliardenbereich haben. Der Freistaat Sachsen kommt auf rund 13 Milliarden Euro, die sich wahrscheinlich in den nächsten Jahren noch steigern werden. Den Rest des 18-Milliarden-Euro-Etats füllen einerseits Bundesmittel auf, anderseits Gelder aus dem heiß diskutierten Länderfinanzausgleich.
Die Bundesländer sind wiederum zu einer ausreichenden Finanzierung der Kommunen verpflichtet. Das ist die Ebene darunter – Landkreise und Kreisfreie Städte. Die selbst wieder über eigene (kleinere) Steuereinnahmen verfügen – Leipzig zum Beispiel rund 600 Millionen Euro, aber den Rest des 1,5-Milliarden-Euro-Haushalts müssen Mittel vom Bund und vom Land auffüllen. Das schafft Leipzig noch jedes Jahr – zehn Jahre lang mit Ach und Krach und heftigen Einschnitten bei Investitionen und Personal. Erst seit zwei Jahren haben sich die Spielräume leicht vergrößert – aber nun fehlen die Fördergelder.
Mit Geld kann man, wie man sieht, eine Menge steuern – aber auch verhindern.
Und dann gibt es noch eine Ebene drunter: die kreisangehörigen Gemeinden. Wo es die Landkreise in Sachsen noch gerade so schaffen, mit einem genehmigungsfähigen Haushalt durchs Jahr zu kommen, stellen seit einiger Zeit immer mehr Gemeinden fest, dass das Geld hinten und vorne nicht reicht. Die Kämmerer bekommen nicht mal einen Haushalt gerechnet, für den sie vom Gemeinderat eine Zustimmung bekommen könnten.
Gemäß § 76 Absatz 2 der Sächsischen Gemeindeordnung ist die Haushaltssatzung vom Gemeinderat in öffentlicher Sitzung zu beraten und zu beschließen. Die vom Gemeinderat beschlossene Haushaltssatzung ist der Rechtsaufsichtsbehörde vorzulegen. Sie soll ihr spätestens einen Monat vor Beginn des Haushaltsjahres vorliegen.
Aber wie André Schollbach, kommunalpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, nun seit einigen Jahren feststellen kann, ist es auch 2017: „Das erste Halbjahr des Jahres 2017 ist bereits Geschichte, aber zahlreiche Kommunen im Freistaat Sachsen haben noch immer keinen beschlossenen Haushalt. Dieser Umstand verdeutlicht, dass es bei den Kommunalfinanzen zum Teil erhebliche Probleme gibt. Vielfach reichen die vorhandenen Gelder für die Erfüllung wichtiger kommunaler Aufgaben nicht aus.“
Auch den Grund dafür glaubt er zu kennen: „Dies ist dem Umstand geschuldet, dass der Freistaat immer wieder Aufgaben auf die Kommunen abwälzt, ohne die dafür erforderlichen Finanzmittel bereitzustellen. Die CDU-geführte Staatsregierung hat mit ihrer Finanzpolitik zahlreiche Kommunen in eine schwierige Situation gebracht. In der Öffentlichkeit gibt sie den finanzpolitischen Musterknaben – in Wahrheit stößt sie sich aber auf Kosten der Kommunen gesund.“
Wobei die Unmöglichkeit, genehmigungsfähige Haushalte vorzulegen, nur die Spitze des Eisbergs ist. Denn bevor diese Situation des Nichts-geht-mehr eintritt, haben alle Kommunen in der Regel straffe Haushaltskonsolidierungsprogramme aufgelegt.
Obwohl Konsolidierung in diesem Sinn ein trügerisches Wort ist. Es stammt eigentlich aus dem Bankenwesen und bedeutet „die Umwandlung kurzfristiger Schulden in langfristige“. Man stellt die eigenen Finanzverhältnisse also auf eine solidere Basis – statt kurzfristiger Schulden, die einen binnen Jahresfrist in die Insolvenz treiben können, werden längerfristige Kreditanleihen aufgenommen. Die mögliche Rückzahlung der Schulden wird in die Zukunft verschoben.
Aber das ist mit der „Haushaltskonsolidierung“ gar nicht gemeint. Sondern etwas viel Primitiveres: die Anpassung der Ausgaben an die verfügbaren Einnahmen. Statt dass der Freistaat als Mutter aller Gaben herauszufinden versucht, wie hoch der Finanzbedarf seiner Kommunen tatsächlich ist, spielt er Prokrustes: Die Kämmerer sind verdonnert dazu, so viele Ausgaben wie möglich zu streichen, bis der Haushalt zum verfügbaren Geld passt.
Da werden Jugendklubs und Museen geschlossen, Theater und Orchester abgeschafft, Buslinien gestrichen und Sanierungen von Schulen, Straßen und Brücken vertagt, Personalstellen werden abgebaut und Zuschüsse für gemeinnützige Einrichtungen abgeschafft. Straßenlampen werden früher oder komplett abgeschaltet. Die Bürgermeister müssen sich schon was einfallen lasen. Aber die 54 Gemeinden zeigen, dass es in vielen dieser Ortschaften nicht mehr ausreicht.
In negativer Hinsicht fallen insbesondere der Landkreis Bautzen (13 Gemeinden ohne beschlossenen Haushalt), der Landkreis Görlitz (8 Gemeinden), der Erzgebirgskreis (7 Gemeinden) und der Landkreis Mittelsachsen (7) auf, stellt Schollbach fest. Unter den genannten Gemeinden befinden sich zum Beispiel Auerbach, Lichtenstein, Königsbrück, Niesky, Weißwasser/O.L. und Grimma. Womit man dann im Landkreis Leipzig wäre, wo es insgesamt sechs Gemeinden betrifft – neben Grimma auch noch Bad Lausick, Belgershain, Frohburg, Groitzsch und Naunhof. Im Landkreis Nordsachsen ist es immerhin nur eine Gemeinde: Dahlen.
Die Kleine Anfrage von André Schollbach. Drucksache 6/10038.
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