Es klingt zwar gut, wenn die sächsische Regierung vermelden lässt, sie wolle die übervollen sächsischen Gefängnisse etwas entlasten und EU-Ausländer in ihre Heimatländer überstellen. Aber als die Grünen-Abgeordnete Katja Meier nun nachfragte, entpuppte sich das groß angelegte Erleichterungsprogramm mal wieder als zarter Windhauch. Und auch nicht als so umsetzbar.
„Die Ausweisung von in Sachsen inhaftierten EU-Ausländern ist keine geeignete Maßnahme, um die Überbelegung in den sächsischen Haftanstalten in den Griff zu bekommen“, das ist das Fazit der Landtagsabgeordneten Katja Meier, rechtspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, nach der Antwort von Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) auf ihre Kleine Anfrage zur Überstellung von Gefangenen aus EU-Ländern in ihre Heimatländer.
Verschiedene Medien berichteten Anfang Mai 2017 über die Pläne des Sächsischen Staatsministeriums für Justiz, den Rahmenbeschluss 2008/909/Jl nutzen zu wollen, um die massive Überbelegung sächsischer Haftanstalten in den Griff zu bekommen. Dabei argumentierte das Justizministerium allerdings zum Teil mit aus dem Zusammenhang gerissenen Zahlen. Beispielsweise benannte das Ministerium die Gesamtzahl der Ausländer, obwohl sich der Rahmenbeschluss nur auf EU-Ausländer bezieht. Auch wurden Polen und Tschechen, zusammen rund 240 Personen, nochmals explizit benannt. Dadurch wurde eine deutlich höhere Zahl an potenziell Auszuweisenden suggeriert, die Einzug in die Berichterstattung fand, kritisieren die Grünen.
In Folge dessen hatte sich beispielsweise der MDR einen Tag nach seiner Berichterstattung in einem „Faktencheck“ erneut diesem Thema gewidmet. Da konnten zwar die Zahlen noch nicht korrigiert werden – aber zumindest erfuhr man, dass das Land, in das die EU-Ausländer verbracht werden sollen, auch ihr Lebensmittelpunkt sein muss. Und dass das Herkunftsland auch mitspielen muss.
All die Sachen hat Katja Meier noch einmal nachgefragt. Eigentlich sollte Sachsens Justizminister darüber ja Kenntnis haben, wenn er den Poltermedien schon so ein Futter liefert.
„Angesichts der Erkenntnis, dass sachsenweit lediglich 73 inhaftierte EU-Ausländer – und damit 2 Prozent aller sächsischen Gefangenen – ihre Haftstrafe in ihrem Heimatland verbüßen könnten, entpuppen sich die Pläne des Justizministers als vollkommen ungeeignet“, stellt Katja Meier nun fest.
Die Überstellung in ein Gefängnis im Heimatland ist an komplexe Voraussetzungen, wie z. B. das Einverständnis des Gefangenen bzw. eine richterliche Entscheidung, eine hinreichende Reststrafzeit und den Lebensmittelpunkt der/des Gefangenen im Heimatland geknüpft. Diese Voraussetzungen erfüllen nur wenige.
„Die vom Justizminister suggerierte grundsätzliche Verlegungsmöglichkeit für EU-Ausländer existiert damit schlicht nicht“, stellt die Abgeordnete Meier fest. „Das Justizministerium hat meine Fragen bewusst mit unscharfen Zahlen oder einfach gar nicht beantwortet. So konnte nicht mitgeteilt werden, wie viele deutsche Staatsbürger umgekehrt bisher aus einer Haft im EU-Ausland in sächsische Gefängnisse verlegt wurden. Ich gehe davon aus, dass die wechselseitige Überstellung von Gefangenen innerhalb der EU bezogen auf Sachsen ein Nullsummenspiel ergibt. Damit macht sich Justizminister Gemkow unglaubwürdig.“
Die Voraussetzungen für die Überstellung von EU-Ausländern zur Strafvollstreckung in ihren Heimatländern werden im Rahmenbeschluss 2008/909/Jl des Rates vom 27. November 2008 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Urteilen in Strafsachen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird, sowie die §§ 85 ff. des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (lRG) geregelt. Eine Überstellung aus der BRD ist seit Juli 2015 möglich und aus Sachsen in 13 Fällen erfolgt.
Mit der Ratifizierung eines Rahmenbeschlusses der EU von 2008 im Jahr 2015 hat auch die BRD den Weg dafür geebnet, dass Haftstrafen von Gefangenen aus dem EU-Ausland im jeweiligen Herkunftsland vollstreckt werden können. Die Betonung liegt hier auf dem Wort ‚können‘, denn der Rahmenbeschluss erfordert zunächst die Zustimmung des/der Gefangenen. Außerdem sollte er/sie in dem Land, in das er überstellt werden soll, auch einen Lebensmittelpunkt haben. Der Rahmenbeschluss der EU ist damit als Angebot an Gefangene zu verstehen, im Sinne der Resozialisierung ihre Haftstrafe wohnortnah und somit z. B. in der Nähe von Verwandten zu vollstrecken.
Und die Antwort des Justizministers bringt die Grünen-Abgeordnete erst recht ins Grübeln. Fehlt es jetzt auch schon im Justizministerium an der nötigen Kompetenz im Umgang mit solchen Vorgängen?
„Erschwerend kommt aber hinzu, dass das Justizministerium offensichtlich nicht in der Lage ist, mir zu beantworten, ob Strafgefangene aus dem EU-Ausland nach Sachsen verlegt wurden“, sagt Meier. „Dies spottet jedweder Beschreibung über ein gewissenhaftes Verwaltungshandeln. Ich habe dazu eine weitere Kleine Anfrage an die Staatsregierung gestellt um zu erfahren, welche Verfahrensvorgänge zur Überstellung eines deutschen Staatsbürgers aus einer Haftanstalt im EU-Ausland zu durchlaufen sind.“
Also hat sie noch einmal nachgefragt. Die Antwort der Staatsregierung wird am 5. Juli vorliegen.
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