Man macht eine Polizei nicht besser, indem man Strafverfahren einfach niederschlägt und so tut, als könnten Polizisten nicht über die Stränge schlagen. Aber genauso läuft es in Sachsen ab. Wenn es um Kennzeichnungspflicht und unabhängige Beschwerdestellen geht, mauert der zuständige Innenminister. Wenn freilich Anzeigen reihenweise einfach platzen, hilft das ganz bestimmt nicht, die schwarzen Schafe auszufiltern, stellt der Landtagsabgeordnete Valentin Lippmann fest.
Dass der Korpsgeist bei der Polizei stark ist, ist nicht neu. Und wenn es darum geht, dass sich gerade in Krisensituationen jeder Polizeibeamte auf den anderen verlassen können muss, ist das auch verständlich. Aber in Sachsen gab es in den letzten Jahren zu viele Vorfälle, in denen einzelne Polizisten deutlich über die Stränge schlugen und die Rolle des unparteiischen Ordnungshüters verlassen haben.
Doch wenn die Polizei selbst zum Täter wird, stehen die Bürger hilflos vor dem Gesetz.
Und die Zahlen dieser Konflikte haben deutlich zugenommen. Was ganz bestimmt auch mit den vermehrten Einsätzen, den Überstunden, Überlastung und fehlenden Reserven in der sächsischen Polizei zu tun hat. Ein gut Teil der Übergriffe resultiert garantiert auch aus dem Druck, unter dem sächsische Polizisten stehen.
Vielleicht ist auch das der Grund, warum der zuständige Innenminister Markus Ulbig (CDU) lieber gar nicht wissen will, was da im Konflikt mit den Bürgern passiert. Also duldet er, dass die Verfahren sehr systematisch schnell wieder niedergeschlagen werden. Irgendwie in dem blinden Glauben: Was nicht vor Gericht kommt, wird schnell vergessen.
Die Zahl der Ermittlungsverfahren gegen sächsische Polizeibeamtinnen und -beamte wegen Körperverletzung im Amt ist 2016 im Vergleich zum Vorjahr um satte 55 Prozent von 274 auf 425 Beschuldigte gestiegen. Gleichzeitig sank die Zahl der Verfahren, die vor dem Gericht angeklagt wurden, von vier Verfahren in 2015 auf drei im Jahr 2016. So geht es aus der Antwort von Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Valentin Lippmann (Grüne) hervor.
„Noch nie war die Zahl der Ermittlungsverfahren gegen Polizeibedienstete wegen Körperverletzung im Amt so hoch und die Zahl der Anklagen so gering“, erklärt Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag. „Die Zahlen hinterlassen den Eindruck, dass Polizisten häufiger über die Stränge schlagen und dabei kaum Strafverfolgung zu befürchten haben. Während statistisch gesehen rund 20 Prozent der Ermittlungen mit einer öffentlichen Anklage oder einem Strafbefehl enden, sind es bei der Polizei im Bereich der Körperverletzung im Amt gerade mal 0,7 Prozent. Dieses offenkundige Missverhältnis kann man keinem Menschen erklären.“
Von Anfang 2016 bis Mai 2017 waren 948 Beschuldigte in Ermittlungsverfahren Polizeibedienstete. Gegen sie wurde neben den 425 Fällen der Körperverletzung im Amt auch wegen Nötigung (102), Strafvereitelung im Amt (89) und Beleidigung (44) ermittelt.
Aber nur elf Verfahren endeten mit einer Anklage oder einem Strafbefehl, 705 Ermittlungsverfahren wurden nach Paragraf 170, Absatz 2 Strafprozessordnung wegen ungenügendem Anlass zur Erhebung der Anklage eingestellt. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren demgegenüber 767 Ermittlungsverfahren gegen Polizeibedienstete eingeleitet worden, von den ebenfalls elf Verfahren mit Anklage bzw. Strafbefehl endeten, rechnet Lippmann vor.
„Ich fordere Innenminister Markus Ulbig dringend auf, die besorgniserregende Entwicklung nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern endlich Maßnahmen zu ergreifen, um die sächsische Polizei zu einer bürgernahen, rechtsstaatlich handelnden Institution zu entwickeln“, fordert der Abgeordnete. „Dazu gehört neben einer personell gut ausgestatteten internen Ermittlung und einer wirklich unabhängigen Beschwerdestelle zwingend eine Kennzeichnungspflicht für die Polizistinnen und Polizisten im Freistaat Sachsen.“
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