Man merkt dem Landtagsabgeordneten der Grünen Valentin Lippmann schon an, wie besorgt er mittlerweile über die Versuche des sächsischen Innenministers Markus Ulbig (CDU) ist, der Polizei immer mehr Zugriff auf immer mehr Daten der Bürger zu geben. „Wir brauchen dringend einen Neustart in den polizeilichen Datenbanken. Diese müssen grundlegend analysiert und rechtswidrig gespeicherte Daten gelöscht werden“, sagt er.
Und: „Die bei der sächsischen Polizei gespeicherten Daten von Bürgerinnen und Bürgern haben mittlerweile ein Ausmaß angenommen, das vollkommen außer Verhältnis steht.“
Die Stellungnahme des Innenministers zum aktuellen Grünen-Antrag, eine Kontrollinstanz für diese staatliche Datensammelei zu schaffen, hat seine Besorgnis noch gesteigert, denn der Minister behauptet darin tatsächlich, der rechtliche Rahmen in Sachsen sei völlig ausreichend, die Daten der Bürger zu schützen und die wesentliche Kontrollfunktion dabei übe der Datenschutzbeauftragte aus.
Aber die Nachfragen des innenpolitischen Sprechers der Grünen bei der Staatsregierung haben immer wieder gezeigt, dass die polizeilichen Datenbanken deutlich über den rechtlichen Rahmen hinaus gefüttert wurden.
„Allein in der polizeilichen Datenbank IVO (Integriertes Vorgangsbearbeitungssystem) sind mittlerweile 8,9 Millionen Personen gespeichert – also weit mehr, als Sachsen Einwohnerinnen und Einwohner hat. Auch in PASS, dem polizeilichen Auskunftssystem für Straftaten und Beschuldigte, sind mehr als 400.000 Personen registriert, teilweise auch dann, wenn sie nur eine Ordnungswidrigkeit begangen haben“, benennt Lippmann die Tatbestände, die durch Ulbigs Stellungnahme keineswegs gedeckt sind. „Die Zahl der aus unterschiedlichsten Gründen in den Datenbanken der Sicherheitsbehörden erfassten Personen ist seit Jahren steigend. Das größte Problem dabei ist die unverhältnismäßig lange Speicherung von bis zu 10 Jahren – egal, ob eine Straftat begangen wurde oder nicht. Das muss ein Ende haben.“
Und die nächste Datenkrake ist ja schon in Arbeit. Erst am Montag, 15. Mai, traf sich Ulbig mit seinen Innenministerkollegen aus Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen, um über die Sicherheitskooperation Ost (SiKoop) zu sprechen. Zentraler Baustein ist das geplante Zentrum zur polizeilichen Telekommunikationsüberwachung (GKDZ) der ostdeutschen Bundesländer. Der Aufbau des GKDZ soll noch in diesem Jahr beginnen und 2019 in Betrieb gehen. Der Hauptsitz soll in Leipzig entstehen. Im GKDZ wird die Telekommunikationsüberwachung zentralisiert. Eigene Technik muss in den Ländern deshalb nicht mehr vorgehalten werden. Sämtliche Entscheidungen und Anordnungskompetenzen zur Telekommunikationsüberwachung verbleiben weiterhin in der Hoheit des jeweiligen Landes. Die Daten werden in jedem Bundesland getrennt verarbeitet und gespeichert. Die Anstalt bekommt keine vollzugspolizeilichen Befugnisse. Geplant sind in den kommenden fünf Jahren Investitionen von rund 15,8 Millionen Euro.
Aber Daten sammeln soll es. Wie weit die Befugnisse reichen sollen, erklärte Ulbig am Montag auch: „Die Technologien im Bereich der Kommunikation entwickeln sich rasant. Um mit diesem Tempo auch im Zuge von Ermittlungen bei schweren Straftaten wie beispielsweise Terrorverdacht, Mord, Vergewaltigung, Kinder- und Jugendpornografie oder Einbruchserien Schritt halten zu können, ist es sinnvoll und wirtschaftlich, länderübergreifende Synergien zu nutzen. Nur so können wir unsere Bürger künftig effektiv schützen.“
Sein Ministerkollege aus Sachsen-Anhalt, Holger Stahlknecht, wird mit den Worten zitiert: „Technische, finanzielle, personelle und Know-how-seitige Ressourcen werden gebündelt und Synergien durch ein gemeinsames Vorgehen geschaffen. Insbesondere in Ermittlungsverfahren der schweren und organisierten Kriminalität und nicht zuletzt bei der Bekämpfung des Rechts- bzw. internationalen Terrorismus können Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung einen wesentlichen Teil zur Aufklärung beitragen.“
Das sind eine Menge Aufgaben, die man einer Anstalt ohne polizeiliche Befugnisse überhelfen will. Und gerade dieser länderübergreifende Charakter des GDKZ wirft die Frage auf: Wer kontrolliert denn eigentlich hier den Umgang mit den Daten? Der sächsische Datenschutzbeauftragte ganz bestimmt nicht.
Es geht also, wie es die Grünen formulieren, um das Grundrecht auf Datenschutz und seine Gewährleistung
Am Donnerstag, 18. Mai, steht es auf Antrag der Grünen-Fraktion auf der Tagesordnung des Landtagsplenums. In ihrem Antrag fordert die Grünen-Fraktion die Staatsregierung auf, eine unabhängige Überprüfung der Datenerhebung, -speicherung und -verarbeitung bei Polizei und Verfassungsschutz vorzunehmen.
Valentin Lippmann, Sprecher für Datenschutz der Fraktion: „Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund der geplanten Verschärfung des Polizeirechts. Mit den neuen Befugnissen werden weitere Datenspeicherungen einhergehen – sei es durch Videoüberwachung oder erweiterter Online-Überwachung. Damit das Grundrecht auf Datenschutz nicht gänzlich in die Defensive gerät, brauchen wir eine Taskforce, die die gesamten gespeicherten Daten unabhängig auf ihre Rechtmäßigkeit und Erforderlichkeit überprüft und der Staatsregierung Handlungsempfehlungen für einen datensparsamen Umgang aufzeigt.“
Aber von unabhängiger Kontrolle hält Innenminister Markus Ulbig eher wenig. Die Behörde des Datenschutzbeauftragten würde über alle notwendigen Kompetenzen verfügen und auch die „rechtliche Unabhängigkeit und Reaktionsmittel gegenüber der Regierung“ haben, um den Datenschutz zu gewährleisten.
„In Würdigung der vorstehenden Umstände fügt sich die vorgeschlagene Einsetzung einer ‚Taskforce‘ nicht in den Kanon der Kontrollmechanismen und ist auch nicht erforderlich.“
Jetzt ist der Landtag am Zug, zu entscheiden, ob der Minister mit den augenscheinlich sehr lückenhaften Kontrollmechanismen weitermachen kann oder tatsächlich eine technische Instanz geschaffen wird, die die Datenspeicherung der Ermittlungsbehörden kontrolliert und reguliert.
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