Der starke Rechtsextremismus in einigen sรคchsischen Regionen hat direkt mit politischer Verweigerung zu tun. Das war deutlich genug aus der am Donnerstag, 18. Mai, vom Gรถttinger Institut fรผr Demokratieforschung vorgelegten Studie herauszulesen. Entsprechend deutlich fallen die Kommentare jener Parteien aus, die diese christdemokratische Wegschaupolitik immer kritisiert haben.

Rico Gebhardt, Vorsitzender der Linksfraktion im Sรคchsischen Landtag:

โ€žSachsens CDU hat die extreme Rechte im Freistaat ein Vierteljahrhundert lang groรŸ gemacht: Sie hat die Bevรถlkerung der Verunsicherung durch Niedergang der Industrie, Arbeitslosigkeit und Abwanderung รผberlassen. Die CDU interessierte sich fรผr die Pflege der scheinbar schรถnen Statistiken, die Einzelschicksale der Menschen wurden als belanglos abgetan. Dieses soziale Vakuum fรผllte sie mit der VerheiรŸung einer segensreichen neuen Staatspartei. Deshalb wurde die Entwicklung einer normalen demokratischen Diskussions- und Streitkultur nach Krรคften behindert, egal ob an Schulen oder sonst im รถffentlichen Raum.

Zugleich verharmlosten die CDU-Fรผhrungspersรถnlichkeiten, angefangen von Kurt Biedenkopf, die extreme Rechte und betrieben stattdessen โ€“ auch unterstรผtzt von installierter konservativer Wissenschaft โ€“ die Dรคmonisierung von allem, was ein bisschen links von der Mitte steht. Was im Ergebnis in Sachsen fehlt, ist eine starke Zivilgesellschaft. Daran sind aber nicht die Menschen in Sachsen schuld, sondern der Machtmissbrauch der CDU.

Die reflexhafte Abwehr der Einsichten auch dieser Studie durch Sachsens CDU-Generalsekretรคr heute zeigt aber, dass der Weg zur Selbsterkenntnis an der Spitze der sรคchsischen Union offenbar nach wie vor blockiert ist. Wahrscheinlich wird er erst begangen, wenn die CDU die Gelegenheit zur Erneuerung in der Opposition erhรคlt.โ€œ

Monika Lazar ist 1967 in Leipzig geboren und gelernte Bรคckerin & Betriebswirtin. Seit 2004 ist sie Mitglied des Deutschen Bundestages. Foto: B90/Die Grรผnen
Monika Lazar. Foto: B90/Die Grรผnen

Monika Lazar, Sprecherin fรผr Strategien gegen Rechtsextremismus der Grรผnen-Fraktion im Bundestag:

โ€žDie Zivilgesellschaft darf vor allem nicht unter Generalverdacht gestellt werden. Noch immer gibt es staatliches Misstrauen gegen Anti-Rechts-Projekttrรคger. So werden sie vor der Fรถrderung einer Prรผfung unterzogen, in manchen Fรคllen mit Beteiligung des Verfassungsschutzes.

Insbesondere fรผr die CDU Sachsen, die das Bundesland seit 1990 durchgehend regiert, sind die Ergebnisse der Studie ein Armutszeugnis. Dass die politische Bildung hier jahrelang strรคflich vernachlรคssigt wurde, hat die durch die Studie beschriebenen Zustรคnde begรผnstigt. Die sรคchsische Union muss sich endlich von ihrer Wagenburgmentalitรคt verabschieden. Statt jene, die sich unter schwierigsten Bedingungen fรผr die Demokratie einsetzen, als Nestbeschmutzer zu diffamieren, sollte sie jedes zarte Pflรคnzchen zivilgesellschaftlichen Engagements, insbesondere in lรคndlichen Regionen, hegen und pflegen.

Nicht nur in Ostdeutschland braucht es eine eindeutige und offensive Distanzierung von rechtspopulistischen Diskursen, auch innerhalb der Politik. Hier gilt es, humanistische Werte und Geschichtsbewusstsein in den Vordergrund zu stellen. Darรผber hinaus muss die demokratische Teilhabe in allen gesellschaftlichen Bereichen verbessert, mehr Partizipationsmรถglichkeiten in Schulen, Unis und Betrieben geschaffen werden. Alle Demokratinnen und Demokraten sind durch die Studie aufgefordert, gemeinsam fรผr eine lebendige und vielfรคltige Demokratie zu streiten.โ€œ

Daniela Kolbe. Foto: Gรถtz Schleser
Daniela Kolbe. Foto: Gรถtz Schleser

Daniela Kolbe, Generalsekretรคrin der sรคchsischen SPD:

โ€žDie Ursachenforschung fรผr Rechtsextremismus in den ostdeutschen Lรคndern muss sachlich und ernsthaft betrieben werden. Rechtsextremismus ist eine der grรถรŸten Herausforderungen fรผr unsere Demokratie und das friedliche Zusammenleben in der Gesellschaft. Nur wenn wir die Ursachen kennen und ernst nehmen, kรถnnen wir Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit wirksam begegnen.

Die Studie belegt deutlich, dass staatliches Handeln starken Einfluss darauf hat, ob Rechtsextremismus gedeihen kann oder nicht. Diese Erkenntnis muss dringend in Sachsen und bei der seit 1990 regierenden sรคchsischen CDU ankommen und endlich ernst genommen werden. Passivitรคt und falsche Zurรผckhaltung haben in der Vergangenheit groรŸen Schaden angerichtet.

Rechtsextremismus darf nicht unterschรคtzt werden. Wir mรผssen in Sachsen vor allem die Zivilgesellschaft in den betroffenen Regionen stรคrken. Es kann nicht sein, dass genau die Menschen, die sich den Rechtsextremen bei Demonstrationen in den Weg stellen, vielerorts massiv eingeschรผchtert werden. Im Gegenteil, sie mรผssen viel mehr Unterstรผtzung aus der Politik und der ร–ffentlichkeit erhalten. Die politische Kultur Sachsens muss sich wandeln. Wandeln zu einer klaren Haltung fรผr Demokratie und gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.โ€œ

Jetzt kann man gespannt sein, ob die sรคchsische Regierung wirklich mal ein handfestes Programm zur Stรคrkung der Demokratie in Sachsen auf die Beine bekommt und vor allem die demokratischen Krรคfte in den vernachlรคssigten lรคndlichen Rรคumen stรคrkt. Aber die ersten Wortmeldungen aus der CDU-Spitze deuten eher auf ein โ€žWeiter soโ€œ hin. Und da die Studie ziemlich direkt die von der CDU getragene Harmonie-Strategie kritisiert, kann man eigentlich damit rechnen, dass die kritisierte Partei gleich wieder die Burgtore schlieรŸt und dahinter schmollt รผber die Zumutungen der Welt da drauรŸen.

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Es gibt 8 Kommentare

Demokratie wird vor Ort gelebt. In der Kommune.
Bei bestimmten Themen, wie zum Beispiel der Entwicklung des sogenannten Leipziger Neuseenlandes, sind die Ansprechpartner in allen 3 Ebenen zu finden, weil รผber Umwelt- und Naturschutz, Bergrecht, Immissionsschutz, Infrastruktur (von Bildung รผber StraรŸenbau bis Internet), ร–PNV, wirtschaftliche Entwicklung die Themen ausgesprochen weit gefรคchert sind. Deutlich weiter, als im innerstรคdtischen Bereich. In den โ€œLeuchttรผrmenโ€.
Wer dort ganz unbefangen Fragen stellt und sich nicht mit dem politischen Gelaber oder dem Fachkauderwelsch, mit dem der Bรผrger in Wahrheit von Entscheidungen ausgeschlossen wird, statt informiert und einbezogen, kommt ganz schnell zu der Erkenntnis:
Es ist scheiรŸegal, wer politische Macht hat, denn Macht korrumpiert. โ€œDieโ€ wollen sich nicht in die Suppe spucken lassen, welche immer das auch ist.
Letzten Endes kann man nur froh sein, daรŸ die Kommunen nicht noch mehr finanzielle Mittel zur Verfรผgung gestellt bekommen, damit sie damit nicht noch mehr Schwachsinn anstellen kรถnnen.
Und stellt fest, verantwortlich sind nicht nur diejenigen, die gerade Verantwortung tragen, sondern eben auch diejenigen, die diese Verantwortung kontrollieren sollen.

Es ist schlimm, wenn man sich von โ€žVerantwortungstrรคgernโ€œ anhรถren muรŸ:
โ€œIch weiรŸ besser, was die Bรผrger wollen!โ€
โ€œGesetze interessieren mich nicht, ich habe kommunale Interessen zu wahren!โ€.
โ€œEs ist mรถglich, daรŸ Sie diese Entwicklung beunruhigt, aber die Tร–B haben โ€ฆ. beschlossen.โ€
โ€œWir sind รผberzeugt davon, daรŸ die geltenden Gesetze eingehalten werden.โ€ Ein ScheiรŸ wird!

Was allerdings noch schlimmer ist, daรŸ die โ€œWรผrdentrรคgerโ€ ein Klima geschaffen haben, in dem Mut bis zur Selbstaufgabe nรถtig ist, offen seine Meinung zu sagen. Es stimmt einfach nicht, daรŸ in diesem Land jeder seine Meinung sagen kann. (Ein freier Journalist, der allerdings zu einem groรŸen Teil fรผr den Staatsfunk MDR arbeitet, somit nicht โ€žfreiโ€œ, sondern wirtschaftlich abhรคngig ist, hat mir erklรคrt, รผber eine bestimmte Entwicklung nicht berichten zu kรถnnen, weil er dann keine Auftrรคge mehr bekรคme. Hierbei ging es um die Gewรคsserpolitik, die immer auch Wirtschaftspolitik ist โ€“ Bergrecht, Wasserrecht. Und wenn ich dann die verlogene Werbung auf MDR Kultur hรถre, die da gerade im Zusammenhang mit DAB+ lรคuft, boahโ€ฆ.) Oder weitergehend die regionale Presse sich versteigt, Privatpersonen, die nicht mit ihrer Meinung hinter dem Berg halten, รถffentlich diffamiert, beispielgebend an die anderen sozusagen. Die dann natรผrlich schweigen. Wer will schon an den Pranger gestellt werden?
Die Meinung offen sagen kann nur, wer unabhรคngig und nicht von der Entscheidung der รถffentlichen Hand abhรคngig ist. Und genau das ist in diesem Land niemand. Und je kleiner die Kommune ist, um grรถรŸer ist die Gefahr, daรŸ man mit Nachteilen zu leben hat.
Zwei der oben genannten Sรคtze fielen in der ร–ffentlichkeit, also mรผndlich. Da ich diese Sรคtze also nur mit Zeugen belegen kann, diese sich aber nicht trauen, das Gesagte in der ร–ffentlichkeit zu bezeugen, kรถnnen diese โ€œWรผrdentrรคgerโ€ so weiter machen. Und sie machen die Erfahrung, daรŸ dieses Handeln ohne Konsequenzen bleibt. Mit der Folge, daรŸ es immer dreister wird. Nicht nur kommunal.

Ich hรคtte nie geglaubt, daรŸ ich mal ein Vertreter von โ€œLaw and Orderโ€ werden wรผrde. 18 Jahre Leben auf dem Land und naher Umgang mit Politik und Verwaltung, Mitgliedschaft in 2 vermeintlich linken Parteien, haben mich dazu werden lassen. Besser, die Erkenntnis, daรŸ egal in welchem politischen Lager jemand verortet ist: an der Macht, wird diese zum eigenen Vorteil miรŸbraucht. Kontrolliert wird diese nicht. Schon gar nicht auf kommunaler Ebene. Da wird ja apolitisch โ€œim Interesse der Kommuneโ€ gehandelt.
Der Satz, daรŸ Demokratie ohne Rechtsstaat nicht denkbar ist, hat an Wahrheitsgehalt nichts eingebรผรŸt. Wenn ich mir dieses Recht kaufen muรŸ (weil ich einen Prozess vorfinanzieren muรŸ), sagt das etwas รผber diese Demokratie aus.

Zivilcourage gegen eine Mindermeinung ist wohlfeil. Im Zweifel haben StA und Polizei gegen Straftรคter vorzugehen.

Zivilcourage gegen diejenigen, die die Macht haben, ist nicht wohlfeil. Diese ist mit persรถnlichen Nachteilen verbunden. (Und damit meine ich gerade nicht das Steinewerfen auf Polizisten, die das Demonstrationsrecht durchsetzen mรผssen. Im Gegenteil.)

Eine Gefahr fรผr diese Demokratie sind sowohl diejenigen, die die ihnen gegebene Macht miรŸbrauchen, als auch diejenigen, die dabei zuschauen. Insbesondere, wenn der Rechtsstaat dabei auf der Strecke bleibt.
Und alle, einschlieรŸlich โ€œder Medienโ€, sollten sich fragen, inwieweit sie an einem Erstarken der Rechten Verantwortung tragen. Nach dem โ€œobโ€ brauchen sie nicht fragen.

Und nur um der Vollstรคndigkeit einmal darauf hinzuweisen: Wenn eigentlich politisch eher links eingestellte Bรผrger, sich mehr und mehr zum konservativen Lager hingezogen fรผhlen, dann hat das wohl nicht nur im Versagen der konservativen Regierungspartei seine Grรผnde sondern mindestens ebenso im Versagen der Opposition. Die frรผheren Konservativen sehen ihr Heil offenbar darin, noch weiter nach rechts zu rรผckenโ€ฆ

Sehr geehrter Herr Dr. Gutjahr-Lรถser,
vielen Dank fรผr Ihren Kommentar.

Natรผrlich ist Rechtsextremismus eine รผberaus unangenehme Erscheinung, derer entschieden entgegen zu treten ist.

Gleichzeitig wรผrde ich es begrรผรŸen, wenn auch konservative Werte in das Demokratieverstรคndnis eingeschlossen wรผrden. Mir waren und sind linke Positionen zwar schon immer nรคher bzw. fรผhlen sich diese fรผr mich richtiger an. Aber auch hier ist ein deutlicher Drang hin zum Extremen nicht mehr zu รผbersehen. Die Zivilgesellschaft sollte nach meiner ganz persรถnlichen Meinung von einer ausgeglichenen Interessenlage am besten profitieren. Das kann man natรผrlich gerne als โ€œHarmoniesuchtโ€ verunglimpfen.

Und auch ich habe โ€“ hier in Leipzig โ€“ Einschรผchterung erlebt, als ich gemeinsam mit meinem Kind friedlich gegen Legida demonstrieren wollte. Leider war es uns aus Zeitgrรผnden nicht mehr mรถglich, zu den Demonstranten aus โ€œder Mitte der Gesellschaftโ€ aufzuschlieรŸen, sondern wir sind in einer jugendlich-linksalternativ geprรคgten Gruppe gelandet. Das war keine schรถne Erfahrung. Mob trifft es wohl noch am ehesten. Unter friedlichen Protesten verstehe ich zumindest etwas anderes. Dann braucht man sich wundern, wenn die Polizei โ€œTatsachenentscheidungenโ€ trifft, damit die Situation nicht gรคnzlich eskaliert.

Sehr geehrter Herr Peter Gutjahr-Lรถser, meine Anfrage zur Leipziger Erklรคrung habe ich Ihnen vor รผber einer Woche geschickt. Vielleicht doch mal das E-Mail-Fach durchforsten? Mit freundlichen GrรผรŸen, Ralf Julke

Nun ja, Herr Gutjahr-Lรถser,

wenn man in die Zukunft schaut, dann muss man darรผber nachdenken, was zu tun ist. Der erste Schritt dazu ist die Bestandsaufnahme.

Dabei kommt man nicht daran vorbei, das Versagen der Regierungspartei seit ..(?) zu analysieren.

Und dabei stellt man schnell das Versagen dieser Partei fest. Ich kann Ihnen nicht folgen, wenn Sie meinen, dass man das nicht tun sollte.

Nach der Wende kamen die Nazis aus dem Westen nach Ostdeutschland und stieรŸen hier bei bestimmten Leuten auf offene Ohren und keiner hat dem Einhalt geboten, allen voran Herr Biedenkopf hat das immer verharmlost, und jetzt haben wir den Salat. Und manche kamen aus ihren Lรถchern, denn es gab ja in der DDR offiziell keine Nazis.

Mich รคrgert es zunehmend, wie reflexhaft unsachlich nicht nur unsere Politiker โ€“ aller Richtungen โ€“ , sondern auch die Medien auf den immer frecher werdenden Rechtsextremismus reagieren und โ€“ das ist das ร„rgernis โ€“ nicht gemeinsam die Redaikalinskis bekรคmpfen, sondern bei den anderen demokratiuschen Pasrteien und der liberalen Presse den Fehler suchen. Man stelle sich einmal vor, auf der rechten Seite des Parlamentswรคren die Unionsparteien nicht mehr im Parlament vertreten: Wer sรครŸe dann im Plenarsaal des Parlaments rechts? โ€“ Diese Bezeichnungen sind doch relativ und bezeichnen โ€“ vom Plattz des Parlamentsprรคsidenten aus betrachtet โ€“ die Fraktionen als links, in der Mitte oder rechts. Das aber sagt รผber das Verhรคltnis der jeweiligen โ€œSitzinhaberโ€ zur freiheitlichen demokratischen Ordnung gar nichts!
Zusammen mit namhaften Politikwissenschaftlern, Demokratie-Pรคdagogen und Fachleuten der politischen Bildung haben wir kรผrzlich eine โ€œLeipziger Erklรคrung zur politischen Bildung in der multikulturellen Gesellschaftโ€ verรถffentlicht. Auch der L-IZ habe ich den Text zugeleitet. Das Echo ist gleich null. Andere zu verdรคchtigen, keine Demokraten zu sein, ist erfolgreicher. Wir dรผrfen uns deshalb รผber die Erfolge der Extremisten nicht wundern!
Dr. Peter Gutjahr-Lรถser, Altkanzler der Universitรคt Leipzig

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