Am heutigen Montag, 22. Mai, ist Internationaler Tag zur Erhaltung der Artenvielfalt. Eigentlich ein Tag, an dem man innehalten sollte. Der Schreckensmoment war ja schon zu Beginn des Monats in vielen Zeitungen zu lesen. Etwa im „Berliner Kurier“: „,Stummer Frühling‘ droht. Wo sind all die Vögel hin?“
Und dabei ging es nicht um die schon im Dezember gemeldete Abwesenheit vieler Singvögel, die durchaus mit dem Wetter von 2016 erklärt werden konnte.
Zugrunde lag den durchaus alarmierenden Medienmeldungen eine Anfrage der Grünen im Bundestag. „In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen hat die Bundesregierung die Zahlen zusammengetragen: Insgesamt ist demnach in der EU die Zahl der Brutpaare in den landwirtschaftlichen Gebieten zwischen 1980 und 2010 um 300 Millionen zurückgegangen, das ist ein Minus von 57 Prozent“, meldete der Berliner Kurier.
So habe der Bestand der Kiebitze in Deutschland zwischen 1990 und 2013 um 80 Prozent abgenommen, die Zahl der Braunkehlchen um 63 Prozent, die der Uferschnepfen um 61 Prozent und die der Feldlerchen um 35 Prozent. Alles Nach-„Wende“-Zeit. Da kann man also die Landwirtschaft der einstigen DDR nicht mehr verantwortlich machen. Das alles ist Folge der heutigen intensiven Landwirtschaft, die viele Rückzugsräume und Brutverstecke wie Wiesen, Raine, Gebüsche und Waldinseln ausradiert hat, um größere, industriell bewirtschaftete Flächen zu gewinnen. Dazu kommt der exzessive Ausbau von Monokulturen, deren Ernte sich gut verkaufen lässt.
Aber ein Faktor – so schätzt selbst die Bundesregierung ein – würde noch viel stärker ins Gewicht fallen: Der Schwund vieler Insektenarten. Bei manchen Insektenarten ist der Bestand demnach um bis zu 90 Prozent zurückgegangen. Ursache: der massive Einsatz von Unkraut- und Insektengiften.
„Um die Vögel der Agrarlandschaften zu schützen, braucht es eine Landwirtschaft im Einklang mit der Natur, die Schluss macht mit dem massiven Gifteinsatz auf den Feldern und die monotone Agrarlandschaft abschafft. Die Bundesregierung ist aufgefordert, Gelder zugunsten des Naturschutzes umzuschichten, das wäre bereits jetzt schon möglich“, forderte die Grünen-Fraktion im Bundestag aus Anlass der Nachfrage.
Aber die deutschen Umweltminister stellen sich stur – vor allem, weil sie sich zumeist als Landwirtschaftsminister verstehen. Da negieren sie lieber die Hiobsbotschaften und riskieren nicht nur ein Veröden der Landschaften, sondern auch den Zusammenbruch wertvoller Ökosysteme, denn sowohl Insekten als auch Vögel sind in der Regel wichtige Bestandteile komplexer Ökosysteme. Und – um einmal die Leipziger Biodiversitätsforscher vom iDiV zu zitieren: Erst die Artenvielfalt stabilisiert die ökologischen Systeme.
Es ist regelrecht Hasard, wenn man mit einem Weiterso die Stabilität ganzer Ökosysteme riskiert. Das können dann Katastropheneinsätze oder gar neue Wunder-Chemie-Keulen nicht mehr ausgleichen.
Und weil heute Tag der Artenvielfalt ist, warnen auch die sächsischen Grünen.
Sie fordern eine Abkehr von der industriellen Landwirtschaft sowie das Verbot von Pestiziden wie Glyphosat und Neonikotinoiden und die Schaffung eines Biotopverbundnetzes.
„Der stumme Frühling und das Verschwinden der Singvögel löste Betroffenheit aus. Doch gerade die sächsische Staatsregierung ist nicht bereit, einen wirksamen Beitrag zum Artenschutz zu leisten“, erklärt dazu der Landesvorstandssprecher Jürgen Kasek. „Die Situation von Insekten, die Nahrungsgrundlage für viele Vögel und Wirbeltiere sind, wird in Sachsen als katastrophal eingeschätzt, obwohl gerade diese für die Biodiversität unabdingbar sind. Der vermehrte Einsatz von Pestiziden wie Neonikotinoiden und der Verlust natürlicher Lebensräume, beispielsweise durch Flächenversiegelung wie Straßenneubau und Feldbegradigungen, sowie Monokulturen sind verantwortlich.“
Und dann kritisiert er den sächsischen Landwirtschaftsminister direkt: „Der zuständige Staatsminister Schmidt, der bislang nur als Lobbyist der Agrarkonzerne aufgefallen ist, setzt sich nicht ausreichend für einen Stopp des Artensterbens ein und fällt eher als Umweltzerstörungsminister auf. Weder wird der Einsatz von Pestiziden eingeschränkt, noch werden gezielt Flächen zur Schaffung eines Biotopverbundes ausgewiesen, sowie Schutzräume in der monotonen Landschaft geschaffen. Das Agieren des Ministers gefährdet unsere Lebensgrundlagen. Wir fordern daher ein Verbot des massenhaften Einsatzes von Pestiziden wie Neonikotinoiden, Stopp der Flächenversiegelungen sowie die Schaffung eines Biotopverbundnetzes.“
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