Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) pflegt ein Demokratieverständnis, das zuweilen eher ans Wilhelminische Kaiserreich erinnert als an die Bundesrepublik des 21. Jahrhunderts. Mit sturer Beharrlichkeit versucht er, die gewählten Abgeordneten des Sächsischen Landtages aus allem herauszuhalten, was das für Ostdeutschland geplante technische Überwachungszentrum betrifft. Mit seltsamen Ergebnissen.
„Unserer Kenntnis nach ist der Staatsvertrag nach seiner Unterzeichnung durch den Sächsischen Innenminister am 4. April 2017 nochmals im Bereich der datenschutzrechtlichen Kontrolle geändert worden. Er muss daher erneut unterzeichnet werden“, stellen die Grünen im Landtag noch beiläufig fest, nachdem sie sich über das Gebaren des sächsischen Innenministers beim Umgang mit der geplanten Errichtung des Telekommunikationsüberwachungszentrums (GKDZ) schon mehrfach gewundert haben.
Während die Landtage in den Nachbarbundesländern schon längst mit dem zugrunde liegenden Staatsvertrag beschäftigt sind, verweigert der sächsische Innenminister den gewählten Abgeordneten noch jeden Blick in das umstrittene Papier, mit dem polizeiliche Kompetenzen an ein gemeinsames Telekommunikations-Überwachungszentrum abgegeben werden sollen.
Die Grünen-Fraktion verlangt die unverzügliche Vorlage des Staatsvertrages über die Errichtung des Telekommunikationsüberwachungszentrums (GKDZ) gegenüber dem Landtag.
„Nachdem der Staatsvertrag Anfang April mit großem Tamtam von Innenminister Markus Ulbig (CDU) unterschrieben wurde, ist er nach Befassung der Parlamente in Sachsen-Anhalt und Brandenburg nochmals geändert worden. Anders als in Sachsen, werden die Landtage der anderen Bundesländer noch vor der Unterzeichnung mit dem Staatsvertrag befasst“, betont Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion. „Die Herablassung, mit der der Innenminister den Landtag in einer so wichtigen Frage wie der Gründung einer Anstalt Öffentlichen Rechts zur Telekommunikationsüberwachung ignoriert, ist ein unwürdiger Umgang mit einem Parlament.“
Ein Problem taucht augenscheinlich genau da auf, wo es Markus Ulbig in einer Antwort an den linken Landtagsabgeordneten Enrico Stange noch vehement abgestritten hat: „Mit der Errichtung des GKDZ (AöR) werden keine neuen Befugnisse geschaffen oder bestehende erweitert, welche einer zusätzlichen parlamentarischen Kontrolle bedürfen“, behauptete er steif und fest auf Stanges Nachfrage zur künftigen Kontrolle dieser länderübergreifenden Anstalt, die in Leipzig für 15 Millionen Euro eingerichtet werden soll. „Die Kontrollinstanzen bei der Durchführung von Maßnahmen der polizeilichen Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) in den Organisationseinheiten der beteiligten Länder
– Prüfung der Rechtmäßigkeit von Anträgen zur TKÜ durch die Gerichte,
– Einhaltung von datenschutzrechtlichen Bestimmungen durch die Landesdatenschutzbeauftragten
sowie
– Beschlussfassung über die Haushaltsmittel im Bereich TKÜ durch die Parlamente bestehen auch bei einem künftigen GKDZ (AöR) weiter.“
Die Parlamente sollen also nur die Finanzmittel für die Überwachungszentrale bereitstellen. Ob mit den Daten regelkonform umgegangen wird, sollen dann die ländereigenen Datenschutzbeauftragten kontrollieren, die jetzt schon (in Sachsen auf jeden Fall) Schwierigkeiten mit den riesigen Datenbanken der Polizei haben, in denen auch tausende Datensätze von Bürgern gesammelt werden, die einfach schon durch Zugehörigkeit zu einer bestimmten Klientel (Fußballfans zum Beispiel) in die Datenspeicher geraten.
Noch spannender wird die Frage nach dem Sinn dieser Einrichtung, wenn Ulbig betont: „Verarbeitet die Anstalt personenbezogene Daten im Auftrag, gelten die Vorschriften über den Datenschutz in dem auftraggebenden Land.“
Wozu dann eine länderübergreifende Einrichtung? Dürfen die Daten aus verschiedenen Bundesländern dann verknüpft werden? Was ja aus polizeilicher Sicht bei grenzüberschreitender Kriminalität Sinn macht. Aber wer kontrolliert das dann?
Nach einer wirksamen Kontrolle, was sich da künftig im GKDZ abspielen wird, sieht das alles nicht aus. Eher steht der Verdacht im Raum, dass die Institution genauso wie der öffentliche Rundfunk durch den Charakter einer Anstalt öffentlichen Rechts der tatsächlichen parlamentarischen Kontrolle entzogen wird.
„Der Innenminister muss den Landtag endlich über den Inhalt des Staatsvertrags informieren und die Möglichkeit einräumen, in eine Debatte über die Sinnhaftigkeit einer solchen Überwachungszentrale und auch über den konkreten Inhalt des Vertrags einzusteigen“, fordert Lippmann. Denn sämtliche Verträge in diesem Zusammenhang wurden bislang allein von den Innenministern ausgehandelt. Sie haben die Diskussion mit den Parlamenten einfach vermieden und waren so auch nicht im Begründungszwang, mit dem sie den Aufbau so einer Überwachungseinrichtung plausibel machen mussten.
Lippmann: „Dazu gehört auch die Vorlage weiterer wichtiger Unterlagen, die im Zusammenhang mit dem Staatsvertrag erarbeitet wurden, etwa das Wirtschaftlichkeitsgutachten. Wie in den anderen Ländern, sollte das noch vor einer erneuten Unterzeichnung des Vertrags passieren.“
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