Wenn einer dieser Tage öffentlich vormacht, wie man Fakenews produziert, dann war es am Montag, 29. Mai, der Fraktionschef der sächsischen CDU, Frank Kupfer. „Sachsens CDU-Fraktionschef Kupfer über das Steuerplus, zu hohe Personalkosten und eine verschwenderische SPD“, hatte die LVZ das Interview übertitelt. Und drinnen ging es dann gleich zur Sache, als hätte sich seit 2009 in Sachsen nichts geändert. Rechnen könne er, behauptete der Fraktionschef auch noch.

Die Fakenews im Kupfer-Interview springen ins Auge. Denn Fakenews beginnen nicht mit erfundenen Geschichten, sondern mit falschen Behauptungen.

Beispiel 1: „Das haben wir in den vergangenen Monaten aus guten Gründen zur Genüge getan! Nur mal die größten Posten: Hunderte zusätzliche Stellen für Lehrer, Sozialarbeiter und Praxisberater an Schulen. Dazu mittelfristig tausend Stellen bei der Polizei, was zum einen etwas mit Migration und Terrorgefahr zu tun hat, und zum anderen mit dem Sicherheitsgefühl der Menschen.“

Falsch: Selbst die Evaluation-Kommission, die die Regierung zur Polizeimisere eingesetzt hat, kam zu dem Schluss, dass jetzt schon 1.000 Polizisten fehlen – nicht wegen „Migration, Terrorgefahr und Sicherheitsgefühl“, sondern weil die Arbeit schlicht liegenbleibt. Der Linke-Abgeordnete Enrico Stange hat es oft genug abgefragt: Die Polizisten schieben Berge von Überstunden vor sich her, die Kriminalpolizei (die sich zum Beispiel mit Diebstählen und Einbrüchen beschäftigt) kommt den Dieben nicht mehr hinterher. Verkehrskontrollen und Prävention wurden eingedampft. Das grenzt schon an Falschdarstellung, was Kupfer da behauptet.

Fakenews 2: „Bei der Justiz ist es das Gleiche: Wir brauchen mehr Richter – auch aufgrund der gestiegenen Asylverfahren, die für einige Anwälte eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme sind – und auch mehr Personal im Strafvollzug, wo die Zahl der ausländischen Gefangenen steigt.“

Mal davon abgesehen, dass Kupfer hier wieder Stimmung gegen Migranten macht: Die Aussage ist falsch. Nicht die Asylverfahren und auch nicht die gestiegene Zahl ausländischer Gefangener hat die Richter und JVAs überlastet: Gerichte und JVA sind seit Jahren personell unterbesetzt. Auch das durch zahlreiche Anfragen der Landtagsabgeordneten belegt.

Logisch, dass die Opposition sich an den Kopf fasst: Wohin blinkt der CDU-Fraktionsvorsitzende? Will er demnächst gar mit der AfD koalieren und bereitet schon mal den Boden vor?

„Glaubwürdigkeit geht anders“, erklärt Rico Gebhardt, Vorsitzender der Linksfraktion im Sächsischen Landtag. „Während Tillich Kuschelkurs mit seinem SPD-Stellvertreter Dulig probt (Zeitungs-Schlagzeile zur Halbzeitbilanz: ‚Wie wollen nie mehr auseinandergehen‘), setzt Kupfer auf Konfrontation und streichelt die FDP. Damit bleiben die beiden ihrer im Landtag nicht zuletzt beim Umgang mit der extremen Rechten gepflegten Arbeitsteilung treu: Hier ein zarter Hauch von Weltoffenheit (Tillich), dort geistige Mauern à la AfD light (Kupfer). Die CDU will offenbar als zwei Parteien in einer Partei Kurs auf die nächsten Wahlen nehmen – das wird sie zerreißen.“

Er spricht zwar nicht von Falschdarstellung. Aber er attestiert Kupfer offensichtliche Niedertracht.

„Besonders niederträchtig ist Kupfers Masche, für alles Elend sächsischen Regierungshandelns unter Regie der CDU die Geflüchteten verantwortlich zu machen“, sagt Gebhardt. „So wurden Polizei, Justiz und Strafvollzug jahrelang auf Verschleiß gefahren, bevor eine größere Zahl Geflüchteter Sachsen erreichte. Die nächste Sau, die Herr Kupfer durchs Dorf treiben wird, dürfte nach dieser ‚Logik‘ die Behauptung sein, der Bildungsbedarf der Geflüchteten sei am (seit einem Jahrzehnt wachsenden) Lehrermangel schuld – wetten, dass?“

Und dann kommt er auf das zu sprechen, was die sächsische CDU mit der neoliberalen FDP vereint: „Herr Kupfer ist aber auch mit seinem Investitionsbegriff im letzten Jahrhundert steckengeblieben. Gerade weil es aus demographischen Gründen in Sachsen schon bald vielerorts an klugen Köpfen und geschickten Händen fehlt, nützt es nichts, einfach immer mehr Asphalt und Beton in die Landschaft zu kippen. Sondern es muss verstärkt in Bildung, Sozialarbeit und auch Kultur investiert werden, damit wirklich alle in die Lage versetzt werden, mittun zu können, und das Land flächendeckend attraktiv für Menschen ist, die bei uns mit leben und mitarbeiten wollen.“

Denn tatsächlich widerspricht sich Kupfer völlig: Einerseits trommelt er für einen Personalabbau, den er nicht einmal beziffern kann, andererseits stellt er (bekümmert) fest, dass der Freistaat heute schon Schwierigkeiten hat, die freien Stellen im Staatsdienst mit jungem Nachwuchs zu besetzen. Die jahrelange Sparpolitik hat dazu geführt, dass Sachsen nicht nur tausende junger Menschen durch Abwanderung verloren hat, sondern heute als Arbeitsgeber selbst im Vergleich mit Nachbarländern unattraktiv ist.

Und felsenfest glaubt Kupfer an die neoliberale Floskel, mit der man auch 2009 schon die beabsichtigten Stellenstreichungen begründet hat. Auf die Frage des Interviewers „Besteht nicht die Gefahr, dass man – ähnlich wie heute – in einigen Jahren den Stellenabbau wieder reparieren muss?“ antworte Kupfer im neoliberale Sprachgebrauch: „Nein, weil wir neue, schlankere Strukturen schaffen müssen.“

Genau diese „schlanken Strukturen“ ersticken heute schon in unerledigter Arbeit und schaffen sie nicht mehr – und zwar flächendeckend von den Schulen über die Polizei, die Gerichte bis hin zu den Bearbeiterstellen in den Ministerien.

Spricht dieser Fraktionsvorsitzende nicht mit dem Landespersonal? Oder sind ihm dessen Nöte völlig egal?

„Ein wichtiger Maßstab für die sächsische Politik sollte sein, wie wir den Freistaat so attraktiv gestalten können, dass Menschen hier gerne und zufrieden leben, arbeiten und investieren. Doch wie wir mehr Menschen für ein Leben in Sachsen gewinnen, dazu schweigt sich Frank Kupfer leider aus“, stellt denn auch Volkmar Zschocke, Vorsitzender der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, fest.

„Für ein attraktives Sachsen brauchen wir eine funktionierende Infrastruktur an Bildung und Kultur, einen guten gesellschaftlichen Zusammenhalt, ein hinreichendes Maß an sozialer und öffentlicher Sicherheit und einen funktionierenden Rechtsstaat. Bekanntlich haben wir in der sächsischen Landesverwaltung nach wie vor erhebliche Baustellen – ich nenne hier exemplarisch nur einmal Lehrkräfte, Polizei und Justiz.“

Das ist das, was die neoliberalen Sparmeister im Freistaat nicht mehr begreifen: Dass man einen Staatsapparat zuerst mit dem nötigen Personal ausstattet und nicht einfach auf eine technokratische Zielmarke hinspart.

„Die zahlreichen Defizite in der Verwaltung haben wenig mit Migration zu tun, wie Frank Kupfer wahrheitswidrig behauptet“, betont Zschocke. „Diesen Zungenschlag des CDU-Fraktionsvorsitzenden halte ich für unverantwortlich. Allerdings ließen sich die Defizite durch den erhöhten Zuzug in den letzten zwei Jahren nicht länger bemänteln. Die Gründe für den Personalmangel liegen stattdessen in der verfehlter CDU-Sparpolitik im letzten Jahrzehnt.“

Das Fazit ist eindeutig: Kupfer propagiert in dem Moment, in dem es der kleinere Koalitionspartner SPD gerade so geschafft hat, den Stellenabbau in Sachsen zum Stoppen zu bringen, eine Rückkehr zur desaströsen Sparpolitik von 2009, die das Land erst in eine tiefe Personalnot gestürzt hat. Und er begründet den nötigen Personalbedarf mit den falschen Argumenten, die noch dazu Menschen für die Zustände verantwortlich machen, die nun wirklich nichts dafür können.

Und damit die Schieflage seiner Argumente von den „maßlosen Begehrlichkeiten“ deutlicher wird, haben wir noch einmal die Grafik aus dem Stellenentwicklungsbericht der Staatsregierung beigefügt.

Noch mehr Folgen der sächsischen Sparpolitik finden Sie in den Links unterm Text.

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Es gibt 3 Kommentare

Ja, er scheint die AfD-Wähler auf seiner Wunschliste zu haben. Dann soll er aber lieber so ehrlich sein und die Partei wechseln. Obwohls von der CDU zur AfD nicht wirklich weit ist, aber die gutbezahlten Posten sind mit der CDU halt leichter zu erreichen.

Ja, Sabine, aber viele aus diesem Wahlvolk merken gar nicht, dass sie verarscht werden, die sind noch blöder, “als die Polizei erlaubt”. Sie machen doch für die Misere einen Schuldigen aus, Sie wissen schon, wen ich meine!

Was für ein dreister Lümmel.
Nach der Logik sind wahrscheinlich auch Flüchtlinge Schuld, dass die Polizei seit Jahren pöbelnde Spaziergänger begleiten und brennende Häuser sichern muss. So gesehen muss man denen die ganzen Überstunden wohl anlasten, wärense nicht gekommen müsste wohl keiner blöd rumlatschen und dabei dumm gucken (obwohl so manche Ehefrau der Besorgten wohl froh ist, den ollen Brummkopp wenigstens einmal die Woche nicht selbst meckernd auf dem Sofa ertragen zu müssen).
Was glauben die bei der CDU eigentlich, wie blöd Ihr “Wahlvolk” ist? Soviel können die in der Bildung gar nicht kaputtsparen, dass nicht noch genug Menschen erkennen, wenn sie verarscht werden sollen. Die eigene Tollpatschigkeit auf andere schieben funktioniert schon im Kindergarten nur begrenzt.
So langsam glaub ich wirklich, das C steht für Comedy. Tz….

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