Man kann es Placebo-Politik nennen, was Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) so treibt. Egal, ob es sich um ein neues Kommunikationsรผberwachungszentrum dreht, um neue technische Spielereien oder die Teilnahme an den โBlitzermarathonsโ handelt: Den Bรผrgern wird eine polizeiliche Prรคsenz suggeriert, die im Alltag schon lange nicht mehr gegeben ist. Am Mittwoch, 20. April, lobte er sich wieder selbst dafรผr.
โDer Blitzmarathon ist keine Eintagsfliege. Er spricht eine breite รffentlichkeit fรผr das Thema Raserei und deren fatale Folgen an. Es war und bleibt in diesem Zusammenhang folgerichtig, den Stellenwert der Verkehrspolizei innerhalb der sรคchsischen Polizei weiter zu stรคrkenโ, lieร Innenminister Markus Ulbig (CDU) vermelden.
Die Bilanz:
Beim โBlitzmarathonโ am 19. April sind auf Sachsens Straรen 4.067 Tempoverstรถรe registriert worden. 80.049 Fahrzeuge wurden wรคhrend der 24-Stunden-Aktion kontrolliert. Die Beanstandungsquote lag damit bei 5,1 Prozent. 2014 betrug sie 5,3 und ein Jahr spรคter 3,6 Prozent. 2016 hatte Sachsen nicht am โBlitzmarathonโ teilgenommen. Bei der diesjรคhrigen Aktion war die Landespolizei โ neben den Kommunen โ mit fast 300 Bediensteten an knapp 120 verschiedenen Orten im Einsatz.
Die sรคchsischen Kreise meldeten dann auch emsig ihre grรถรten Geschwindigkeitsรผberschreitungen.
Aber was soll so ein โBlitzermarathonโ, wenn fรผr den Rest des Jahres die Verkehrskontrollen auf Sparflamme gefahren werden, fragt sich Enrico Stange, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Sรคchsischen Landtag.
Die Kritik:
โEs klingt schon recht zynisch, wenn Innenminister Ulbig รคuรert, den Stellenwert der Verkehrspolizei in der sรคchsischen Polizei weiter stรคrken zu wollen. Denn Fakt ist: Die Verkehrssicherheitsarbeit der Polizei leidet akut unter dem Personalmangel bei der Polizei, den die CDU-gefรผhrten Staatsregierungen in Sachsen verursacht habenโ, geht er auf die lรคngst schon brisante Personalsituation ein. โDamit einher geht das Risiko, dass die Zahl der Unfรคlle und Verletzten steigt und die Sitten im Straรenverkehr verrohen. Die Zahl der Verkehrsunfรคlle insgesamt hat wieder zugenommen, es sind im vergangenen Jahr 1.083 mehr geworden. Auch gab es mehr Unfรคlle mit Personenschรคden, die Zahl stieg um 139 auf 13.643. Dabei sind neben den 162 Getรถteten auch 17.300 Personen verletzt worden, 267 mehr als 2015.โ
Und das hat, da ist sich Stange sicher, mit dem Abbau der verfรผgbaren Verkehrspolizisten direkt zu tun.
โDiese โ abgesehen von der Zahl der Getรถteten โ steigenden Werte beruhen auch auf der Tatsache, dass die Kontrollzahlen der Polizei noch einmal auf ein Rekordtief abgesunken sind. Auch wenn sich die Zรคhlweise etwas verรคndert hat und heute alle Anhaltekontrollen zu Geschwindigkeitskontrollen, Alkohol- und Drogenkontrollen sowie allgemeinen Verkehrskontrollen zusammengezรคhlt werden, sind 2016 nur noch 458.883 Fahrzeuge angehalten und kontrolliert worden. Zehn Jahre zuvor wurden allein zu Geschwindigkeits- und Alkoholkontrollen in Sachsen 1.397.761 Fahrzeuge angehalten. Auch gibt es immer weniger Kontrollstunden zur Geschwindigkeitsรผberwachung. 2006 wurden dafรผr noch 60.981 Stunden aufgewendet, 2016 waren es nur noch 23.664โ, benennt er die Zahlen aus mehrfachen Anfragen an die Staatsregierung. โDer Blitzermarathon ist und bleibt eine Eintagsfliege und schafft kein dauerhaftes Bewusstsein der Verkehrsteilnehmer*innen. Die Kontrollzahlen mรผssen im gesamten Jahr wieder steigen, und zwar erheblich. Auf der Prioritรคtenliste von Innenminister Ulbig steht die Verkehrssicherheitsarbeit offensichtlich weit unten, obwohl sich damit Leben retten lassen. Umsteuern ist angesagt!โ
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