Die Meldung hat am Donnerstag, 30. März, nicht der Umweltminister herausgegeben, sondern das ihm untergeordnete Sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG). So kann der Minister einfach weitermachen wie bisher, während das zuständige Amt vor weiterem Artenverlust in Sachsens Landschaften warnt.
Sie sind unscheinbar und im Vergleich zu Farn- und Samenpflanzen wird den Moosen bisher kaum Beachtung geschenkt. Dabei gibt es allein in Sachsen über 700 Arten. Viele von ihnen sind wertvolle Bioindikatoren, weil sie besonders empfindlich auf Umwelteinflüsse reagieren und so Veränderungen in Ökosystemen frühzeitig anzeigen.
Das Sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) hat die aktuelle Bestands- und Gefährdungssituation der Moose in Sachsen gemeinsam mit der TU Dresden und ehrenamtlichen Spezialisten untersucht und die Ergebnisse jetzt veröffentlicht.
Und das Ergebnis ist heftig. Denn der Artenschwund geht auch im Kleinen vor sich. Denn auch Moose brauchen geschützte Lebensräume. Wenn diese verschwinden, verschwinden auch die kleinen Spezialisten.
Nach der aktuell gültigen Roten Liste der Moose Sachsens sind 329 Arten ausgestorben oder gefährdet. Das entspricht einem Anteil von 45,3 Prozent der in Sachsen vorkommenden 727 Moosarten. Von den 329 Rote-Liste-Arten sind 56 bereits „ausgestorben oder verschollen“, 124 „vom Aussterben bedroht“, 58 „stark gefährdet“ und 14 Moosarten wurden als „extrem selten“ eingestuft.
Wobei sich alle diese Zahlen auf die „Rote Liste“ von 2008 beziehen.
Damals wurden mit 727 deutlich mehr Moosarten in die Liste aufgenommen als noch 1998 (665) oder 1991 (647).
Entsprechend schwankt auch die Zahl der als gefährdet eingestuften Arten von 324 über 381 bis zu jetzt 329. Was zum Teil mit den vorhandenen Biotopen zu tun hat, zum anderen aber auch mit der Erfassung durch die beauftragten Forscher, die sich natürlich alle Mühe geben, so viele Moosarten wie möglich in der freien Natur zu finden.
Was unter anderem dazu geführt hat, dass die Zahl der tatsächlich als verschollen geltenden Moosarten von 114 erst auf 78 und zuletzt auf 56 sank. 56 Moosarten konnten bei der neuesten Zählung tatsächlich nicht mehr nachgewiesen werden. Dafür stieg die Zahl der als „vom Aussterben bedroht“ geltenden Arten in diesen 25 Jahren von 64 auf 99 und aktuell 124.
In seiner Broschüre erläutert das LfULG dazu: „Arten, die so schwerwiegend bedroht sind, dass sie in absehbarer Zeit aussterben, wenn die Gefährdungsursachen fortbestehen. Eines der folgenden Kriterien muss erfüllt sein: Die Art ist so erheblich zurückgegangen, dass sie nur noch selten ist. Ihre Restbestände sind stark bedroht. Die Art ist seit jeher selten, nun aber durch laufende menschliche Einwirkungen sehr stark bedroht. Die für das Überleben der Art notwendige minimale kritische Populationsgröße ist wahrscheinlich erreicht oder unterschritten.“
Diese Moose konnten zwar nachgewiesen werden – aber ihre Lebensbedingungen sind so prekär, dass dringend gegengesteuert werden müsste, wenn man sie in Sachsen erhalten will.
In den Mooren, Quellbereichen, Trocken- und Halbtrockenrasen und auf Kalkfelsen ist der Anteil der lebensraumtypischen und vom Aussterben bedrohten Arten besonders hoch, betont das Landesamt. Als wesentliche Gefährdungsursachen gelten die Veränderungen und Beeinträchtigungen der Lebensräume unter anderem durch Sukzession, Eutrophierung und Entwässerung. Das Meiste davon ist durch Menschen verursacht – angefangen von der Entwässerung wertvoller, für die Moose wichtigen Standorte, über die Veränderung des Standortes durch Abholzung, Übernutzung oder Veränderung im ganzen Biotopverbund. Und hinter dem schönen Wort Eutrophierung versteckt sich die massive Überdüngung von Feldern, Wiesen, Flüssen und Seen – das überquellende Nahrungsangebot verändert die Nahrungskreisläufe, lässt neue Arten prosperieren, während andere ihre Nische und Existenzgrundlage verlieren.
Den aktuellen Auswertungen liegen Untersuchungen zu einhundert verschiedenen Moosarten beziehungsweise Sippen zugrunde, betont das LfULG. Die für jede Art erstellten Steckbriefe liefern grundlegende Informationen zur Ökologie, Verbreitung und Bestandsituation in Sachsen sowie zur Gefährdung und zu Erhaltungs- und Schutzmaßnahmen. Sie geben Naturschutzbehörden, Planungsbüros und Umweltverbänden die Möglichkeit, die Moose bei Umweltplanungen sowie Maßnahmen zum Biotop- und Artenschutz noch stärker zu berücksichtigen.
Am stärksten bedroht sind Moose in Mooren und Sümpfen. Hier sind bis zu 70 Prozent aller Arten bedroht, was eben auch heißt, dass der Appell an „Naturschutzbehörden, Planungsbüros und Umweltverbände“ an die Falschen gerichtet ist. Man kann die Moose nicht „im Einzelnen“ schützen – man muss ihre Lebensräume schützen oder, was in Sachsen längst ansteht, wieder stabilisieren und stärken. Das verweist direkt in die Politik zu den Naturschutzgebieten der sächsischen Landesregierung, immer wieder und zu Recht kritisiert vom umweltpolitischen Sprecher der Grünen. Selbst die Nachhaltigkeitsbroschüre der Landesregierung bescheinigt über 60 Prozent der sächsischen Naturschutzgebiete einen höchst miserablen Zustand.
Was nicht bedeutet, dass es den Moosen, die sich auf Ackerlandschaften, Rasen, Grünland oder Wälder spezialisiert haben, viel besser geht, auch wenn hier „nur“ 30 bis 40 Prozent der Arten als bedroht und gefährdet gelten. Auch hier versucht der Mensch ja immer weiter Monokulturen und intensiv bewirtschaftete Räume zu schaffen – für Moose in der Regel das Aus. Dasselbe gilt übrigens auch für die immer dichter bewirtschafteten Städte, wo sich „wild“ besiedelte Brachflächen immer mehr in dicht bebaute Strukturen verwandeln. Und wenn es dann noch Grün gibt, dann selten naturnahe Rasen- und Wiesenflächen, von alten Mauern, die ebenfalls gern von Moosen besiedelt werden, ganz zu schweigen.
Da muss man schon ein paar sehr unberĂĽhrte Ecken suchen, um eine so ĂĽppige Moosgesellschaft zu finden wie im Foto abgebildet.
Die Broschüre mit dem Titel „Moose – Bestandsituation und Schutz ausgewählter Arten in Sachsen“ kann ab sofort kostenfrei bestellt oder im Internet heruntergeladen werden.
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