Bald ist Bundestagswahl – und Politiker der bürgerlichen Parteien überbieten sich wieder in Forderungen, die Steuern zu senken. In der „Freien Presse“ Chemnitz spielte Sachsens Finanzminister Georg Unland den Weihnachtsmann und erzählte schon mal, was er mit dem vielen Geld dann machen würde, wenn er nicht bloß Finanzminister wäre.

Wobei den Vertretern dieses Heilmittels aller finanziellen Probleme der Widerspruch irgendwie nicht aufgeht: Sie wollen die Einkommenssteuern senken, hinterher aber mehr Geld zur Verfügung haben, um ein paar Milliarden an Schulden zu tilgen und gleich noch etliche Millionen in neue Betonprojekte zu stecken. Genau das hat Unland vorgeschlagen.

Sachsen jahrelang armgerechnet

„Es überrascht nicht, dass die Regierenden im Wahljahr über eine Steuerreform reden, die kleine und mittlere Einkommen entlastet. Wer hält eigentlich seit fast vier Jahren eine 80-Prozent-Mehrheit im Bundestag? Wann startet die Landesregierung eine Initiative im Bundesrat?“, fragt mit einiger Berechtigung Verena Meiwald, Sprecherin der Linksfraktion für Haushalts- und Finanzpolitik. Aber eigentlich ist sie entsetzt darüber, wie Georg Unland jetzt das Geld mit der großen Schippe austeilen will, nachdem er es seit Jahren in Milliardenhöhe aus den sächsischen Haushalten abgezweigt hat. „Herr Unland hat gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten maßgeblich dafür gesorgt, dass Sachsen sich seit Jahren armrechnet. Der öffentliche Dienst wird an und über die Belastungsgrenze getrieben, basierend auf der nie untersetzten Ziel-Zahl ‚70.000 Landesbedienstete‘. Die CDU-geführte Staatsregierung hält seit Jahren Mittel in Milliardenhöhe zurück, die dringend für öffentliche Aufgaben gebraucht werden. Deren Erfüllung ist nun gefährdet. Unlands Verweis auf Vergleichsstatistiken hilft keinem einzigen überarbeiteten Polizisten, keiner ausgezehrten Kommune, bringt keinen ausgebildeten Lehrernachwuchs hervor. Nun sind umfassende Reparaturen nötig. Der Staat muss wieder voll handlungsfähig werden, vor allem in den Bereichen Bildung, öffentliche Sicherheit und Soziales. Das muss oberste Priorität haben. Schuldentilgung ist sinnvoll, solange sie diesem Ziel nicht entgegensteht.“

Dabei war es sogar Unland, der seit Jahren bei dem Schuldenabbau gebremst hat. Selbst in den Jahren, in denen der Haushalt 500 Millionen Euro „Gewinn“ erwirtschaftet hat, hat er darauf bestanden, dass die Tilgungsrate bei 75 Millionen Euro bleibt. Jetzt will er in fünf Jahren gleich mal 5 Milliarden an Schulden abbauen.

„Unland müsste für sein Ziel, in den nächsten zehn Jahren fünf Milliarden Euro Schulden abzubauen, jährlich im Durchschnitt 500 Millionen Euro freimachen“, rechnet Verena Meiwald vor. „Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass die Steuermehreinnahmen dafür nicht ausreichen werden. Der Finanzminister muss dem Haushaltsausschuss erklären, ob er wirklich mit so hohen Mehreinnahmen rechnet und woher das Geld kommen soll. Will er es dem Haushalt entziehen oder sich etwa beim Generationenfonds bedienen, der die Beamten-Pensionen absichert?“

Der ist mittlerweile mit 5 Milliarden Euro gefüllt, soll aber perspektivisch über 10 Milliarden Euro enthalten, um die Pensionen der Staatsdiener abzudecken. Es ist nicht der einzige Fonds, den Unland im Lauf seiner Amtszeit angelegt hat.

Kaputtsparen ist keine Finanzpolitik

Regelrecht entsetzt über seine Äußerungen ist Franziska Schubert, finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion.

„Ich wundere mich, dass ein Finanzminister, der eigentlich für solide Finanzpolitik stehen will, solche Vorschläge macht. Der sächsische Finanzminister hat eine verzerrte Realitätswahrnehmung. Sollte sich seine Linie durchsetzen, dann steht die Funktionsfähigkeit des Staates auf dem Spiel. Dass er mit keiner Silbe auf die finanzielle Situation in den Städten, Gemeinden und Landkreisen eingeht, wundert mich nicht. Denn die ist Sachsens Achillesferse – aber Totschweigen und Aussitzen sind gängige Instrumente sächsischer Finanzpolitik“, sagt sie. „Wohin hat uns die hochgelobte konservative Finanzpolitik in Sachsen denn gebracht? Jahrelanges Kaputtsparen hat nichts mit solider Finanzpolitik zu tun! In Sachsen fehlt es an Personal für Schulen, bei der Polizei, im öffentlichen Dienst – all das sind Bereiche, die für die Bürgerinnen und Bürger Leistungen erbringen sollen. Für mich ist es deshalb unlauter, wenn der Finanzminister darüber redet, dass er den Bürgern etwas zurückgeben will. Doch Schulschließungen, Stellenabbau, Zurückfahren sozialer Projekte und Kürzungen im Jugendbereich – all das hat Sachsens Chancen für eine gute Zukunft nachhaltig verschlechtert. Die jahrelange Linie des Finanzministers und der gesamten Sächsischen Staatsregierung hat uns in einen beispiellosen Personalnotstand bei den Lehrkräften und in der Polizei geführt. Es wird Jahre brauchen, bis nach dem kurzsichtigen Personalabbau für diese Bereiche wieder genug Personal ausgebildet worden ist. Und der Personalnotstand in Sachsen geht weit über die Bereiche Schule und Polizei hinaus! Sachsens öffentlicher Dienst ist so unattraktiv, dass man selbst, wenn man neue Stellen schafft, noch lange keine Menschen hat, die diese besetzen wollen.“

Dem Landtag die Kontrolle über die Finanzströme entzogen

Besonders interessant findet sie Unlands Aussage „Besser, man hat mehr in der Kasse als zu wenig“.

„Sachsens Finanzminister hortet seit Jahren Geld – und er tut dies in einer Art und Weise, dass es immer schwieriger wird, die Finanzströme nachzuvollziehen. Schon mehrfach habe ich die Struktur des sächsischen Haushalts kritisiert. Und hier sehe ich auch einen deutlichen Widerspruch: nach außen hin wird das Thema Sparen hochgehalten, aber nach innen ist Geld da und zwar für Themen, die man mehr als kritisch hinterfragen muss. Ich denke nur an die wahnwitzige Expansionsstrategie des Traditionsunternehmens Meissen Porzellan, in dem der Freistaat alleiniger Eigentümer ist – die Zuschüsse aus dem Staatssäckel in Millionenhöhe waren Steuergelder. Solide war das nicht, ganz und gar nicht“, sagt Franziska Schubert.

Dass Unland wieder jede Menge Geld in Betonbauwerke stecken will, findet Schubert völlig am Thema vorbei.

„Wir brauchen kluge Köpfe, junge, engagierte Menschen, neue Wege und innovative Projekte im Land, um in den modernen Zeiten gestalten zu können – das ist alles im nicht-investiven Bereich. Aber das sind die Bereiche, wo tatsächlich Zukunft gemacht wird“, erklärt die Finanzpolitikerin. „Die Investitionsträume des Finanzministers sind unlautere Luftschlösser und Wahnsinn – allein die Folgekosten in Form von Instandhaltungskosten würden Sachsens Haushalt auf Jahrzehnte belasten. Neue Tunnel, neue Autobahnen – und dann bringt der Finanzminister auch noch die seit Jahren rote Zahlen schreibenden Flughäfen ins Spiel. Ich kann da nur den Kopf schütteln über so viel Ignoranz und Fehleinschätzung. Der Rechnungshof hat längst angemahnt, dass Sachsen mehr Geld für die Instandhaltung von Straßen aufbringen sollte anstatt neu zu bauen. Auch in der Sachverständigenanhörung zum Doppelhaushalt 2017/2018 wurde klar gesagt, dass Sachsen über seine Verhältnisse lebt. Wir leisten uns exorbitante Investitionsquoten – all das muss aber auch erhalten werden.“

Regierungsprotzerei auf Kosten der sächsischen Kommunen

„Von den Kommunen wird verlangt, dass diese über die Form der doppischen Buchhaltung Abschreibungen bilden, die eben deutlich machen, was es braucht, um Investitionen langfristig halten zu können – und der Freistaat macht das nicht. Das ist alles andere als solide. Das ist fahrlässig“, sagt Schubert. „Wir sollten bei allen Finanzdiskussionen nie vergessen, dass die Hälfte des Gelds, das Sachsen ausgibt, nicht in Sachsen eingenommen wird. Seit Jahrzehnten investiert Sachsen vorrangig mit Geld, was uns die Geberländer Jahr für Jahr über den Länderfinanzausgleich zukommen lassen. Die sprudelnden Steuereinnahmen sprudeln vor allem woanders – und wir kriegen etwas ab davon, weil wir ein armes Bundesland sind. Die geäußerten Investitionsträume des Finanzministers sind nicht nur äußerst unoriginell; sie zeigen auch, dass sie an Sachsens wirklichen Problemen völlig vorbeigehen.“

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