Im August 2016 kündigte Sachsens Staatsregierung das „Gesetz zum Vollzug des Ausreisegewahrsams im Freistaat“ an. „Der zentrale sächsische Ausreisegewahrsam soll in Dresden an der Hamburger Straße entstehen. Das vorgesehene Objekt dient als Übergangslösung bis zur Fertigstellung einer Abschiebungshaftanstalt, in der dann ein Ausreisegewahrsam integriert werden soll. Vorgesehen sind derzeit 30 Plätze.“ Anlass genug, mal nachzufragen, fand Petra Zais.
Sie ist migrationspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im sächsischen Landtag. Denn 30 Plätze – das klingt nach einer verschärften Vorgehensweise gegen Asylbewerber, die Innenminister Markus Ulbig schnell wieder loswerden möchte. „Ich befürchte, dass mit der Ausreisegewahrsamseinrichtung in Dresden und dem Sächsischen Ausreisegewahrsamsvollzugsgesetzes die zuletzt rückläufige Zahl der Abschiebungsinhaftierungen wieder ansteigen wird“, sagt Zais.
„Abschiebungshaft macht krank, auch wenn sie nur von kurzer Dauer ist. Sie hat auf die Betroffenen einschneidende psychische und physische Auswirkungen – unabhängig davon, ob der oder die Inhaftierte im Heimatland oder auf der Flucht traumatisierende Erfahrungen gemacht hat“, erklärt Petra Zais. „Das belegen zahlreiche Studien, deren Erkenntnisse sich die Staatsregierung nicht verschließen kann.“
Seit dem Jahr 2014 wird die Abschiebungshaft von ausreisepflichtigen Menschen, die sich in Sachsen befinden, in Berlin-Köpenick oder in Eisenhüttenstadt vollzogen. Grund dafür ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 17.07.2014 (Aktenzeichen: C-473/13 und C-514/13), das die Trennung von Strafhaft und Abschiebungshaft vorschreibt. Da in Sachsen derzeit die räumlichen Voraussetzungen dafür fehlten, wurden von sächsischen Behörden und Gerichten veranlasste Abschiebungsinhaftierungen in Berlin und Brandenburg vollstreckt.
Die Kommunen halten sich in der Regel zurück, wenn es um die Beantragung von Abschiebehaft geht. Die Ausländerbehörde der Stadt Leipzig hat zum Beispiel in den Jahren 2015 und 2016 vier Anträge auf Sicherungshaft gestellt. Das betraf zwei Menschen aus Brasilien, einen aus Tunesien und einen aus Litauen. Zwei von ihnen – ein Brasilianer und der Litauer – wurden dann auch abgeschoben.
Welche Vorfälle und Gründe hinter diesen Anträgen steckten, erfährt man natürlich nicht. Immerhin stammen sie aus einem bürokratischen Universum, in dem die Sachbearbeiter über Leben entscheiden anhand rein bürokratischer Kriterien, die oft genug dem Denken von Politikern entsprungen ist, die tatsächlich Menschen in Klassen und Berechtigungsgruppen teilen. Und die ihren Wählern gern einreden, sie täten etwas Gutes, wenn sie Zuwanderung als Gnadenentscheid behandeln.
Da bleibt selbst der Landtagsopposition nur ein kleiner Spielraum, überhaupt auf eine humanitäre Herangehensweise zu drängen.
Die Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag drängt zum Beispiel darauf, Alternativen zur Abschiebungshaft und zum Ausreisegewahrsam konsequent zu nutzen. Etwas, was Innenminister Markus Ulbig (CDU) als nicht weiter notwendig erachtet. „Das Sächsische Staatsministerium des Innern sieht keine Notwendigkeit für die Beauftragung einer solchen Studie“, sagt er in Bezug auf eine von den Grünen beantragte Machbarkeitsstudie zu „nicht freiheitsentziehenden Alternativmodellen“. Ulbig: „Mildere Mittel zur Vermeidung von Abschiebungshaft werden bereits jetzt durch die Ausländerbehörden geprüft und genutzt und von diesen überprüft.“
Der Antrag der Grünen dazu steht am Dienstag, 11. April, im Landtag zur Abstimmung.
„Die Staatsregierung muss dafür sorgen, dass das Prinzip der ‚ultima ratio‘ von Abschiebungshaft und Ausreisegewahrsam ausnahmslos zur Anwendung kommt. Der Fokus muss auf den Einsatz milderer Mittel, wie zum Beispiel Meldeauflage, Kaution, Abgabe des Passes oder auch verpflichtende Rückkehrberatung, gerichtet werden“, fordert Petra Zais. „Ich befürchte, dass mit der Fertigstellung der Ausreisegewahrsamseinrichtung in Dresden in der Hamburger Straße und mit dem Inkrafttreten des Sächsischen Ausreisegewahrsamsvollzugsgesetzes, das derzeit in den Ausschüssen des Landtags beraten wird, die zuletzt rückläufige Zahl der Abschiebungsinhaftierungen wieder ansteigen wird.“
Wobei ja der Druck, mehr Menschen, die in Deutschland Zuflucht gesucht haben, abzuschieben, vor allem aus den Unionsparteien kommt, die nicht müde werden, den Bürgern zu suggerieren, dass Flüchtlinge Störfaktor und Belastung für die Republik seien und die aus bestimmten Herkunftsländern erst recht. Das verändert auch das Klima in der Republik. Was auch die Diskussion um den Abschiebegewahrsam zeigt: Menschen werden nur noch als Problemfälle behandelt, die es zu lösen gilt.
Zumindest die Landtagsabgeordneten könnten noch ein wenig zeigen, dass ihnen solche menschlichen Schicksale nicht egal sind, findet Zais: „In der kommenden Woche können die Abgeordneten des Sächsischen Landtags in der Plenarsitzung zeigen, wie viel ihnen das Grundrecht der Freiheit der Person wert ist, wenn der Antrag im Plenum abgestimmt wird.“
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