Bei diesem Buch ist wohl so alles schiefgelaufen, was schieflaufen konnte. Die Tagebücher von Kurt Biedenkopf (CDU), die im September 2015 im „Siedler Verlag“ in drei Bänden veröffentlicht wurden und die Jahre 1990 bis 1994 des früheren Ministerpräsidenten umfassen, sind ein echter Ladenhüter geworden. Teuer bezahlt von der sächsischen Staatsregierung.

Für die Aufarbeitung und Publikation dieser Tagebücher leistete der Freistaat einen nicht rückzahlbaren Zuschuss in Höhe von 307.900 Euro aus staatlichen Geldern an die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung. Dafür bedankte sich Kurt Biedenkopf im Vorwort des ersten Bandes überschwänglich bei seinem Parteifreund Stanislaw Tillich: „Dass die ersten drei Bände des Tagebuchs in der vorliegenden Form im Herbst 2015 … erscheinen können, ist der Entscheidung des Freistaates Sachsen und seines Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich zu verdanken. Er machte die Publikation des Tagebuches zu seiner Sache …“

Dumm nur, dass die Tagebücher wohl tatsächlich nur archivarischen Wert für die sächsische Staatskanzlei haben. Den polemischen Politiker Biedenkopf, der ja bekanntlich auch erfolgreiche Bücher zum Zeitgeschehen geschrieben hat, findet man darin nicht. Nicht mal die Anekdoten, Kommentare und kleinen Augenzwinkereien, die Politikertagebücher auch noch nach Jahren spannend machen, weil sie Einblicke in den Menschen und sein Umfeld geben und hinter die Kulissen politischer Entscheidungen blicken lassen. Nichts davon. Wenn Biedenkopf seine Tagebücher damals tatsächlich schon so schrieb, dann hat er sie schon beim Schreiben im Kopf redigiert und eine langweilige, politisch gezähmte Brühe draus gemacht, in der nicht einmal neugierige Journalisten einen Aufhänger finden, alte Geschichten neu zu erzählen.

Oder mal so gesagt: Wenn das alles damals in Dresden tatsächlich so abgelaufen ist, dann war die Neugründung des Freistaats Sachsen eine stinklangweilige Angelegenheit mit einem faden und blassen Personal. Das augenscheinlich noch heute regiert und diese alte Brühe heute immer noch spannend findet, obwohl augenscheinlich gar nichts Spannendes passiert ist.

So ein Tagebuch verkauft sich natürlich nicht. Es gab nicht mal – wie bei den Kohl-Tagebüchern – einen neugierigen Ghostwriter, der aus dem sonst so verschwiegenen Politiker mal ein bisschen mehr herausholt an Erlebnissen, Gedanken und Anekdoten, eben das, was der brave Kurt Biedenkopf augenscheinlich schon beim Schreiben seiner Tagebücher herausredigiert hat.

Dem Projekt fehlte also alles, was ein Tagebuch auch zum Bestseller machen kann.

Da versteht man schon, dass dazu ein finanzielles Konstrukt gesucht werden musste, das die Bücher überhaupt erst einmal druckbar machte.

Aber das Konstrukt ist eben zuallererst seltsam, und es wirft eine Menge Fragen auf über die Freundschaftsbande in der sächsischen CDU-Spitze.

In dem Zuwendungsvertrag zwischen dem Freistaat Sachsen und der Konrad-Adenauer-Stiftung wurde unter anderem die folgende Vereinbarung getroffen: „Die Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. führt die ihr aus dem Vertrag mit dem Siedler-Verlag zustehenden Einnahmen aus der Verwertung in Höhe von 10 v. H. der Verkaufserlöse vollständig an die Sächsische Staatskanzlei ab. Die Einnahmen werden jeweils kalenderjährlich bis zum 31. März des Folgejahres, erstmalig zum 31. März 2016 abgerechnet.“

Vor diesem Hintergrund richtete der Landtagsabgeordnete André Schollbach (Die Linke) sowohl im vergangenen Jahr (Drucksache 6/4755) als auch aktuell (Drucksache 6/9098) je eine Kleine Anfrage an die Staatsregierung, um zu erfahren, wie viele Bücher verkauft wurden und in welcher Höhe die Konrad-Adenauer-Stiftung Einnahmen an den Freistaat Sachsen abführte.

Wäre das Buch ein Erfolg geworden, hätte es ja die Druckkosten wieder einspielen können.

Aber dem war nicht so.

Das Ergebnis: Die Biedenkopf-Tagebücher sind Ladenhüter und liegen wie Blei in den Regalen. Bis zum 31. Dezember 2015 waren von Band 2 lediglich 797 Exemplare (786 Hardcover, 11 E-Books) und von Band 3 nur 882 (872 Hardcover, 10 E-Books) verkauft worden. Darunter befinden sich zahlreiche Bücher, die von Kurt Biedenkopf selbst erworben und dann verschenkt worden waren, etwa an die Abgeordneten des Sächsischen Landtags. Für die im Jahr 2015 verkauften Bücher führte die Konrad-Adenauer-Stiftung 4.698,84 Euro an den Freistaat Sachsen ab.

Noch dürftiger kam es dann im Jahr 2016, stellt Schollbach fest. Auf seine Anfrage (Drucksache 6/9098) musste Staatskanzlei-Chef Fritz Jaeckel das Folgende einräumen: „Es wird auf die Antwort vom 11.04.2016 zu der wortgleichen Kleinen Anfrage Drs.-Nr. 6/4755 verwiesen. Aufgrund der Verkaufsentwicklung im Jahr 2016 wird die Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. in diesem Jahr keinen weiteren Verkaufserlös an den Freistaat Sachsen abführen.“

Übersetzt bedeute diese verklausulierte Formulierung, dass im Jahr 2016 keine Biedenkopf-Tagebücher in nennenswertem Umfang verkauft werden konnten, weshalb die Konrad-Adenauer-Stiftung auch keine Verkaufserlöse an den Freistaat Sachsen abführte, zieht Schollbach Bilanz.

„Da hat Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) ein schlechtes Geschäft mit den Tagebüchern seines Parteifreundes gemacht: Aufwendungen von über 307.000 Euro aus der Staatskasse stehen noch nicht einmal 5.000 Euro an Einnahmen gegenüber“, benennt Schollbach die ernüchternden Zahlen. „Dass die Verkaufszahlen ziemlich mager sind, kommt nicht überraschend: Denn die Selbstbeweihräucherung der CDU ist ziemlich langweilig. Kein Wunder, dass sich für diese Aneinanderreihung der Eitelkeiten und Selbstbelobigungen kaum Käuferinnen und Käufer finden. Selbst meine zahlreichen Kleinen Anfragen und die entsprechenden Presseberichte darüber konnten es nicht mehr herausreißen und den schleppenden Verkauf in Schwung bringen.“

André Schollbachs Anfrage „Einnahmen des Freistaates Sachsen aus der publizistischen Verwertung der Biedenkopf-Tagebücher“, Drs. 4755

André Schollbachs Anfrage „Einnahmen des Freistaates Sachsen aus der publizistischen Verwertung der Biedenkopf-Tagebücher“ vom April 2017. Drs. 9098

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