Einsichtig war Volkmar Zschocke, Vorsitzender der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, ja, als er am Donnerstag, 16. März, zum grünen Gesetzesantrag „Abfall vermeiden, gefährlichen Abfall überwachen, Müllimporte reduzieren“ Stellung nahm. „Sie werden unseren Antrag ja ablehnen“, sagte er, an die Regierungsmehrheit gewandt. Aber eigentlich vertrödelt Sachsen wieder einmal Zeit.

Im November hat die Staatsregierung zwar einen Abfallwirtschaftsplan beschlossen.

„Dieser wird den Herausforderungen einer zukunftsfähigen Kreislaufwirtschaft nicht gerecht“, stellte Zschocke fest. „Was fehlt, ist eine Abfallstrategie.“

Und dann ging er auf das Thema ein, das Umweltminister Thomas Schmidt  (CDU) in seiner Stellungnahme zum Gesetzantrag abgestritten hatte: die völlig überdimensionierten Deponien, die sich nur rechnen, wenn Sachsen jedes Jahr Millionen Tonnen Müll importiert.

„Jährlich werden mehr als eine Million Tonnen gefährliche Abfälle nach Sachsen importiert. Warum ist das so? Das lässt sich sehr gut am Beispiel der Westsächsischen Entsorgungs- und Verwertungsgesellschaft (WEV) erzählen“, stellte Zschocke fest. „2005 baute die WEV in Cröbern für 100 Millionen Euro eine der größte Anlagen in Deutschland, die von den Abfällen aus dem Raum eben nicht ausgelastet wird. Das ist beispielhaft für die Abfallwirtschaft insgesamt in Sachsen. Der Leiter der Abfallwirtschaft aus dem Kreis Bautzen brachte es schon 2013 im Umweltausschuss im Landtag auf den Punkt: ‚Bei einem Restabfallaufkommen von derzeit 527 Tausend Tonnen pro Jahr sind die sächsischen Anlagen theoretisch nur zu 64 % mit sächsischem Abfall ausgelastet.‘“

Einer Anlagenkapazität von über 840.000 Jahrestonnen steht ein stetig sinkendes Aufkommen gegenüber.

Der Import von Müll aus dem Ausland würde zwar die Bilanzen der Deponiebetreiber aufbessern, das Problem aber nicht lösen.

Immerhin gab es in Sachsen in diesem Zusammenhang einige Strafverfahren wegen illegaler Transporte, fragwürdiger Behandlungsverfahren oder ungesicherter Ablagerungen. Dass die Kontrollbehörden versagt hätten, hatte Thomas Schmidt aber abgestritten.

„Die Kontrollprobleme, welche auch durch schlechte Personalausstattung in Sachsen entstehen, werden ignoriert. Der Umweltminister verweist viel lieber auf das elektronische Kontrollsystem. Ja, das ist eine wichtige und notwendige, aber leider nicht hinreichende Bedingung. Denn da stehen ja nur die Eigenangaben der Unternehmen drin. Ohne unangekündigte Kontrollen mit behördlichen Messungen wissen Sie nicht, ob die Unternehmensangaben stimmen“, erklärte Zschocke dem Minister, wie eigentlich Kontrollen vonstatten gehen müssten. „Fragen Sie mal den Finanzminister: Ohne Betriebsprüfungen vor Ort sinkt die Steuermoral. Wir brauchen im Abfallbereich ein effektives Kontrollsystem mit mehr Vor-Ort-Kontrollen.“

Und das wichtigste Problem: Im neuen Abfallwirtschaftsplan existieren auch keine Aussagen über die Wirksamkeit bisheriger Maßnahmen, insbesondere zur Abfallvermeidung und Recycling. Die hat der zuständige Minister einfach mal vergessen. Typisch sächsisch, könnte man fast sagen: Man lässt die ungelösten Probleme einfach weg.

Soll Sachsen also auch beim Abfall zum Schlusslicht in der Bundesrepublik werden?

„Im Abfallplan von 2010 gab es konkrete Vorschläge, z. B. zur Wiederverwendung von Gütern oder zur Produktgestaltung, dass Abfälle von vornherein vermieden werden“, so Zschocke. „Für eine sinnvolle Fortschreibung wäre es notwendig, zu wissen, inwiefern all die im letzten Abfallwirtschaftsplan aufgeführten Ziele erreicht wurden. Leider wird das vom Umweltministerium nicht analysiert. Es sei gesetzlich nicht vorgeschrieben, schreibt Herr Schmidt. Aber mal ehrlich: Es ist doch keine gesetzliche Vorschrift notwendig, um die eigenen politischen Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen. Ich kann nicht verstehen, dass wir Sie zu dieser Selbstverständlichkeit erst mit einem Antrag auffordern müssen.“

Und am Ende kam Zschocke noch auf die nicht zu übersehende Tatsache, dass eine nachhaltige Abfallpolitik den Bürgern gewaltige Kosten erspart.

„Die Abfallpolitik in Sachsen ist geprägt von fehlendem gestalterischem Anspruch. Dass es anders geht, zeigt Baden-Württemberg. Dort hat sich 1999 die CDU-geführte Regierung für eine langfristige Abfallstrategie entschieden und eine Autarkieverordnung für gemischte Siedlungsabfälle eingeführt. Das Ergebnis: Heute sind alle Anlagen gut ausgelastet, die Entsorgungswege sind kurz und die Müllgebühren sind bei einem 4-Personen Haushalt mit 150 € pro Jahr die niedrigsten im Bundesgebiet und das alles bei höchstem ökologischen Standard. Zum Vergleich: In Sachsen liegen diese bei 220 €, in der Spitze bis über 300 €. Die Betreiber in Baden-Württemberg investieren, weil sie langfristige Planungssicherheit haben.“

Das war dann eine ganze Kopfwäsche für den Minister, der augenscheinlich auch lieber nur verwaltet als gestaltet. Ein modernes Abfall- und Recyclinggesetz für Sachsen ist jedenfalls nicht in Sicht.

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