Auch der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag, Valentin Lippmann, war ein wenig erschrocken, als er die Zahlen zum Schusswaffenerwerb 2016 in Sachsen in die Hand bekam. Er hatte die Frage nun schon wiederholt gestellt, nachdem in den radikalisierten Jahren 2014/2015 vermehrt Forderungen publik wurden, die Bürger sollten sich bewaffnen. Sicher macht das Sachsen ganz bestimmt nicht.
Insbesondere die Zahl der Kleinen Waffenscheine hat sich im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt. Dies geht aus Antworten von Innenminister Markus Ulbig (CDU) auf zwei Kleine Anfragen von Valentin Lippmann, hervor.
„Die Zahl von Waffen und der waffenrechtlichen Erlaubnisse in Sachsen steigt weiter in besorgniserregender Weise an. Insbesondere die annähernde Verdoppelung der Kleinen Waffenscheine und der bei Schießsportvereinen abgelegten Sachkundeprüfungen bestätigen die große Verunsicherung, die sächsische Bürgerinnen und Bürger zu Waffen greifen lässt“, kommentiert der Landtagsabgeordnete der Grünen den Befund.
Die Anzahl der Schusswaffenbesitzer ist innerhalb eines Jahres von 26.515 auf 27.257 gestiegen. Die Zahl der Personen im Besitz einer waffenrechtlichen Erlaubnis ist seit Dezember 2015 von insgesamt 34.915 auf 41.778 gestiegen. Das ist ein Anstieg von knapp 20 Prozent. In 2014 zu 2015 lag der jährliche Anstieg noch bei fünf Prozent.
Ein noch eklatanteres Bild ist bei den sogenannten Kleinen Waffenscheinen zu verzeichnen: Die Anzahl stieg von Dezember 2015 bis Dezember 2016 um über 75 Prozent von 8.293 auf insgesamt 14.518 Erlaubnisse. Somit wurden 2016 6.225 kleine Waffenscheine neu ausgestellt. Diese berechtigen zum Führen von frei verkäuflichen Signal-, Reizstoff- und Schreckschusswaffen.
Die Anzahl registrierter Schusswaffen ist in Sachsen im letzten Jahr um 4,2 Prozent von 142.857 Schusswaffen im Dezember 2015 auf 148.889 im Dezember 2016 angestiegen. Über 3.000 neue Schusswaffen wurden allein im letzten halben Jahr neu registriert.
Zudem streben immer mehr sächsische Bürgerinnen und Bürger den Besitz von Schusswaffen an. Dies kann man an der Anzahl der abgelegten Sachkundeprüfungen – als Voraussetzung zur Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis – ablesen. Im Jahr 2016 wurden insgesamt 983 solcher Prüfungen bei Schießsportvereinen abgelegt (die Zahlen für Dresden und Leipzig fehlten dabei). Im Jahr 2015 waren es noch 526 und 2014 lediglich 65 Prüfungsteilnehmer in allen Städten und Landkreisen.
„Der Besitz von Waffen ist mit einem hohen Risiko behaftet und deshalb in Deutschland streng reglementiert. Mit der höheren Anzahl von waffenrechtlichen Erlaubnissen, Schusswaffen und Genehmigungsverfahren einher geht ein höherer Genehmigungs- und Kontrollaufwand für die Waffenbehörden“, geht Lippmann auf die Tatsache ein, dass von einer wirklich umfassenden Kontrolle des Waffenbesitzes in Sachsen keine Rede sein kann. „Vor diesem Hintergrund ist es erschreckend, dass die sächsischen Waffenbehörden seit vergangenem Jahr insgesamt gerade mal mit etwa einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin mehr ausgestattet sind, als im Jahr zuvor. Die Kontrolle der Waffenbesitzenden kann mit einem solchen Personalbestand nicht mehr im gesetzlichen Umfang gewährleistet sein. Erfreulich ist, dass gleichwohl die Anzahl der Kontrollen zur Aufbewahrung von Schusswaffen gestiegen ist. Offenbar hat hier bereits eine Sensibilisierung der Waffenbehörden stattgefunden. Allerdings ist das Kontrollniveau weiterhin viel zu gering, um von einer funktionierenden Waffenkontrolle im Freistaat zu sprechen.“
Waren in 2015 die Waffenbehörden noch mit 26,68 VzÄ (Vollzeitäquivalenten) ausgestattet, waren es 2016 nur unwesentlich mehr, nämlich 27,75 VzÄ (für die nicht angegebene Zahl in Leipzig wurde die Vorjahreszahl angesetzt).
Genau deswegen würden die Grünen eine restriktive Handhabung der waffenrechtlichen Erlaubnisse, insbesondere durch eine sehr genaue Prüfung der Zuverlässigkeit der Personen, die mit Waffen umgehen wollen, fordern.
„Waffen gehören nicht in die Hände von Rechtsextremen und sogenannten Bürgerwehren“, erklärt Lippmann. „Für die Prüfung der Zuverlässigkeit und auch für die korrekte Aufbewahrung von Waffen brauchen wir in Sachsen endlich mehr Kontrollen und dafür das entsprechende Personal. Der Innenminister muss sich dieses Problems endlich annehmen. Zudem muss der sächsischen Bevölkerung endlich wieder das Funktionieren des staatlichen Gewaltmonopols nahegebracht werden. Dazu fordern wir schon lange eine höhere Polizeipräsenz und Revierdichte.“
Valentin Lippmanns (Grüne) Anfrage zum Schusswaffenbesitz 2016. Drs. 7926
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