Da waren Sachsens Parlamentäre 2013 regelrecht trunken, als sie eine Mehrheit für die Änderung der Sächsischen Verfassung zusammenschmiedeten, um eine derart überflüssige Änderung wie ein Neuverschuldungsverbeot hineinzuschreiben. Als wenn es ein ethischer Maßstab wäre und nicht das Gebot guter Haushaltsführung. Dafür blieben andere Sachen unverändert, die geradezu nach Veränderung schreien. Wie die Verwendung des Wortes „Rasse“.
Das haben die sächsischen Verfassungsväter nicht von selbst reingeschrieben, sondern einfach aus dem Grundgesetz kopiert. Zeichen genug dafür, dass über den Passus überhaupt nicht nachgedacht wurde, obwohl der Begriff Rasse – auf Menschen angewandt – längst obsolet ist. Nur Rassisten verwenden ihn noch, um andere Menschen abzuwerten und allein nach ihrem Aussehen zu beurteilen.
Aber was soll stattdessen dastehen? Denn diese Diskriminierung allein nach Hautfarbe und Phänotyp hat ja trotzdem nichts zu suchen in unserer Gesellschaft.
Die Linksfraktion hat sich dazu Gedanken gemacht und einen Änderungsantrag geschrieben, der am Donnerstag, 2. Februar, im Landtag zum ersten Mal gelesen wurde. Es steht noch mehr in dem Antrag. Vor allem geht es der Linken ja auch darum, dass sich der sächsische Freistaat auch in seiner Verfassung zur Pflicht bekennt, „rassistische, fremdenfeindliche und antisemitische Aktivitäten oder Bestrebungen sowie eine Wieder- und Neubelebung oder Verbreitung nationalsozialistischen Gedankengutes nicht zuzulassen. Das Land fördert und unterstützt Menschen und Vereinigungen, die sich diesen Aktivitäten und Bestrebungen entgegenstellen und deren ehrenamtliches Engagement.“
Was man ja nur deshalb beantragen muss, weil sich die sächsische Regierung in dieser Angelegenheit viel zu lange einfach „rausgehalten“ hat. Dass es seit zwei Jahren derart viele fremdenfeindliche Übergriffe gibt, hat genau mit dieser „Zurückhaltung“ zu tun.
„Unsere Verfassungsordnung bestimmt den Freistaat Sachsen als ein von Weltoffenheit, demokratischem Umgang miteinander und Toleranz getragenes friedliches Land. In diesem Sinne engagieren sich unzählige Menschen und Initiativen. Tatsache ist aber auch, dass fremdenfeindliche und antidemokratische Kräfte vor allem in den letzten beiden Jahren stark zugenommen haben. Deshalb müssen die besonders angegriffenen Grundwerte der Landesverfassung nochmals verdeutlicht werden“, erklärte Rico Gebhardt, Vorsitzender der Linksfraktion, deshalb am Donnerstag. „Das soll durch den neuen Artikel 7a geschehen, der dem Schutz des friedlichen Zusammenlebens und der Gewaltfreiheit gewidmet ist.“
Und weil man gerade dabei ist, die sächsische Regierung an ihre humanistische Pflicht zu erinnern, will man die Gelegenheit nutzen, den Rasse-Begriff aus der Verfassung zu entfernen.
„In den Artikeln 18 und 116 wollen wir das historisch überholte Wort ‚Rasse‘ herausnehmen und den Text entsprechend ändern. Zugleich werden die sexuelle Identität und die Behinderung bzw. Beeinträchtigung ausdrücklich genannt. Das fehlt bisher im Artikel 18 im Bereich ‚Grundrechte‘“, benennt Gebhardt auch die anderen Diskriminierungsfelder, auf denen Menschen immer wieder Opfer menschenfeindlicher Attacken werden. „Es ist aber nur logisch und im Sinn der Verfassung, auch die Benachteiligung wegen sexueller Identität und Behinderung zu verbieten. Denn in dieser Verfassung, nämlich im Artikel 116, wird der Anspruch auf Wiedergutmachung auch denjenigen zugesprochen, die wegen gleichgeschlechtlicher Orientierung oder wegen Behinderung Opfer von Gewaltherrschaft geworden sind. Damit muss ein solcher Diskriminierungsschutz auch für die Gegenwart gelten.“
Sachsen habe durch Erscheinungen von Menschenfeindlichkeit in den vergangenen zwei Jahren erheblichen Schaden an seinem Ruf genommen.
„Ein öffentlich wahrnehmbares Signal von Verfassungsrang gegen diese antihumanen Fehlentwicklungen stünde unserem Land gut zu Gesicht“, sagt Gebhardt. „Dies stärkt zugleich all denen in Sachsen den Rücken, die täglich für Menschlichkeit und Mitgefühl Gesicht zeigen. Es reicht nicht, alle Jubeljahre mal ein großes Fest für diese Menschen zu veranstalten. Sie haben es verdient, dass der Staat ihnen die Treue hält – und dazu zählt diese Selbstverpflichtung in der Verfassung.“
Die Streichung des Wortes „Rasse“ wiederum bringe die Verfassung auf den Erkenntnisstand, dass es keine „Rassen“ von Menschen gibt.
Gebhardt: „Das Deutsche Institut für Menschenrechte in Berlin fordert es, die Länder Brandenburg und Thüringen haben die verfassungsrechtliche Konsequenz bereits gezogen und den Begriff der ‚Rasse‘ aus der Landesverfassung gestrichen.“
Thüringens Verfassung verzichtet auf das Wort übrigens schon viel länger. Da brauchte es nicht einmal einen linken Ministerpräsidenten.
Schon in der Änderung von 2004 steht klar und deutlich zu lesen: „Niemand darf wegen seiner Herkunft, seiner Abstammung, seiner ethnischen Zugehörigkeit, seiner sozialen Stellung, seiner Sprache, seiner politischen, weltanschaulichen oder religiösen Überzeugung, seines Geschlechts oder seiner sexuellen Orientierung bevorzugt oder benachteiligt werden.“
Da ist es eher problematisch, wenn Sachsens Linke nun die rassistische Konnotation doch wieder hinein bringt, weil sie unbedingt auch den Kampf gegen Rassisten benennen will.
Das klingt dann so: „Niemand darf rassistisch, wegen seiner Abstammung, seiner sexuellen Identität, seiner Nationalität, seiner Sprache, seiner Heimat, seiner sozialen Herkunft oder Stellung, seiner religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung oder Beeinträchtigung benachteiligt werden.“
Das haben die Thüringer mit dem Begriff der „ethnischen Zugehörigkeit“ deutlich klüger gelöst. Und vor allem deckt diese Formulierung deutlich mehr ab als das, was nur Rassisten tun. Denn Menschen mit anderer Hautfarbe, Herkunft und Sprache werden nicht nur von Rassisten diskriminiert – oft werden sie auch von Ämtern, Behörden und Gesetzen ausgegrenzt. Denn die Grenzen sind fließend, an denen aus Fremdsein Diskriminierung wird.
Nicht der Holzhammer gehört in die Verfassung, sondern das menschlich Selbstverständliche. Wahrscheinlich wird die sächsische Linksfraktion bei diesem Thema doch noch einmal nacharbeiten müssen.
Der Antrag der Linksfraktion. Drs. 8130
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M.E. ein kluger Beitrag, der sich mit gutem Grund gegen die Verwendung des Vokabulars wendet, das “rassistische” Diskriminierung in unserer Sprache verankert. Selbst Bundespräsident Gauck und sogar Amnesty International haben schon von “ethnischen Säuberungen” gefaselt, also angenommen, dass es “ethnischen Schmutz” geben könne – und in Leipzig platziert ein Wirrkopf allenthalben den Begriff “Bio-Deutsche” um seinen Rassismus einen Begriff zu geben.
Das Vokabular ist verhängnisvoll – gut, wenn darauf verzichtet wird.