Wenn irrationale Ängste durch eine Gesellschaft wabern, dann steckt das an. Dann fühlen sich immer mehr Leute animiert, nicht nur ihr Haus in eine alarmgesicherte Burg zu verwandeln, sondern sich auch ein paar Waffen zuzulegen. Die Jahre 2015 und 2016 waren voller solcher Gerüchte und Angstmachereien. Kein Wunder, dass sich landesweit Bürger mit Schusswaffen eindecken.

Valentin Lippmann, der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag, hat nachgefragt. Wohl wissend, dass das Thema ein heißes Eisen ist. Manch braver Bürger fühlt sich zu Unrecht auf den Schlips getreten, Sportschützen sowieso. Aber je mehr Schusswaffen allein schon auf legale Weise in sächsischen Haushalten herumliegen oder herumstehen, umso mehr wächst die Gefahr ihres Missbrauchs.

Mittlerweile meldet auch der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge wieder Zahlen, nachdem das in der Zeit der größten Hysterie nicht möglich war. Gerade in diesem Landkreis bei Dresden kochten ja die Emotionen hoch und riefen diverse lautstarke Bürger dazu auf, man möge sich bewaffnen.

Mit 12.692 registrierten Schusswaffen bei 2.458 Besitzern ist das Kontrollfeld auch dort nicht gerade klein. Es erstaunt schon, dass es dazu im Landkreis nur einen einzigen Sachbearbeiter geben soll.

Aber in anderen Kreisen wird am Kontrollpersonal ähnlich gespart. Zwei Sachbearbeiter für rund 2.000 Waffenbesitzer sind eher die Regel, Dresden hat sogar drei, der Vogtlandkreis sogar 3,5 Stellen. Leipzig hat keine Angaben gemacht, obwohl auch hier das Thema immer mehr Bedeutung gewinnt.

Denn die Zeiten, dass die Zahl der Waffenbesitzer stabil und überschaubar blieb, sind augenscheinlich vorbei.

Auch in Leipzig stieg die Zahl der registrierten Schusswaffen von 7.800 im Jahr 2014 auf 8.013 im Jahr 2015. Für 2016 stehen nun 8.714 im Buch. Die Zahl der Schusswaffen stieg in Leipzig also um fast 12 Prozent, während die Zahl der registrierten Schusswaffenbesitzer in der Stadt von 1.561 auf 1.660 kletterte – ein Plus von 6 Prozent. Das Waffenarsenal nimmt also noch schneller zu als die Zahl der Waffenbesitzer.

Sachsenweit sind mittlerweile 148.889 Schusswaffen in Privatbesitz offiziell registriert.

Lippmann hatte auch noch nach den strafrechtlichen Vorkommnissen mit Waffen gefragt in der wohl nur zu berechtigten Annahme, dass immer mehr Waffen in Privatbesitz eben auch vermehrte Vorkommnisse mit (Schuss-)Waffen bedeuten: „Wie viele Straf- und Ordnungswidrigkeitsverfahren wurden seit Anfang 2016 nach welchen waffenrechtlichen Tatbeständen mit welchem Ergebnis eingeleitet?“

Aber da beginnt die Sache ganz unübersichtlich zu werden. Innenminister Markus Ulbig verweist dazu extra auf Lippmanns parallel gestellte Anfrage „Waffenfunde und Sprengstoffexplosionen 2016“, in deren Antwort zumindest lauter strafrechtlich registrierte Vorkommnisse mit Waffen aufgelistet sind – 1.927 Fälle insgesamt. Aber Waffen (nicht immer Schusswaffen) spielen dabei oft nur eine Rolle am Rand, wurden in Begleitung anderer Straftaten bei den Ertappten festgestellt. Nicht immer ist aus der Auflistung ersehbar, ob man es mit legal registrierten Waffen zu tun hat oder illegal beschafften oder hergestellten. Wenn viele diese Fälle als Bagatellfälle behandelt wurden, deutet es darauf hin, dass man es eher mit den sogenannten Selbstschutzwaffen zu tun hat, für die man in der Regel den Kleinen Waffenschein braucht.

So kann Valentin Lippmann auch aus der registrierten Zahl der Schusswaffen keine direkten Folgen im Strafbereich ableiten.

Andererseits ist der Gedanke so abwegig nicht, die strafrechtlichen Vorkommnisse mit (Schuss-)Waffen auch mit der offiziellen Schusswaffenstatistik abzugleichen und frühzeitig zu registrieren, ob die Aufmunitionierung negative Folgen hat in Sachsen und wie man das eindämmen oder verhindern kann.

Denn die eine Angst bedingt ja die andere: Wenn immer mehr Sachsen sich zum „Selbstschutz“ Waffen zulegen, fühlen sich logischerweise all jene verunsichert, die beim Thema Sicherheit nicht selbst den Cowboy spielen wollen und das Feld doch lieber der Polizei überlassen. Denn sicherer wird Sachsen nicht dadurch, dass immer mehr Leute ein kleines Schusswaffenarsenal im Haus haben.

Valentin Lippmanns (Grüne) Anfrage zum Schusswaffenbesitz 2016. Drs. 7926

Valentin Lippmanns (Grüne) Anfrage zum Schusswaffenbesitz 2014 und 2015. Drs. 3340

Valentin Lippmanns (Grüne) Anfrage zu „Waffenfunde und Sprengstoffexplosionen 2016“. Drs. 7927

In eigener Sache: Lokaler Journalismus in Leipzig sucht Unterstützer

https://www.l-iz.de/bildung/medien/2017/01/in-eigener-sache-wir-knacken-gemeinsam-die-250-kaufen-den-melder-frei-154108

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Ich bleib dabei, Waffen haben in privaten Händen einfach nichts zu suchen. Auch Sportschützen sollten ihr “Sportgerät” in einem Vereinstresor verschliessen müssen, kein Mensch braucht so ein Teil zu Hause. Und es stimmt, der Gedanke, dass die vom Hass vernebelten jetzt auch noch mit Waffen rumlaufen, macht mir mehr Sorgen als die üblichen Verbrecher. Ein Einbrecher/Räuber/whatever handelt normalerweise rational, der will Beute machen und so wenig wie möglich auffallen, während bei den besorgten Waffenträgern Rationalität ja schon im normalen Alltag selten vorkommt. Und wie sicher Waffen zu Hause das Leben machen, kann man am Beispiel Amerika ja ganz gut sehen.

Schreiben Sie einen Kommentar