„Die Investitionsquoten sächsischer Kommunen sind regelrecht abgesoffen“, schrieben wir hier am 19. Februar. Der kommunalpolitische Sprecher der Linksfraktion im Landtag, André Schollbach, hatte die Zahlen abgefragt. Und er fragt weiter. Augenscheinlich sammelt er für ein umfassendes Bild zum finanziellen Zustand der sächsischen Kommunen. Denn das viele ihre Haushalte nicht mehr fristgerecht beschließen können, muss ja Gründe haben.
Was nicht an den Investitionen liegt. Das hatte ja schon die am 19. Februar besprochene Kleine Landtagsanfrage gezeigt. Die Investitionsquoten in Sachsens Kommunen haben sich seit dem Jahr 2000 regelrecht halbiert. Was ja zumindest schon einmal vermuten lässt, dass sie weniger Geld zur Verfügung hatten, um in neue Projekte zu investieren. Aus eigener Kraft alles bezahlen können sie sowieso nicht. Sie sind dabei immer auf Fördergelder des Freistaats angewiesen.
Umso frappierender ist es, wenn man dann die tatsächlichen Investitionszahlen sieht, die Schollbach nun mit einer darauffolgenden Anfrage erhalten hat.
Tatsächlich konnten Sachsens Kommunen im Jahr 2000 noch 1,7 Milliarden Euro in ihre Infrastrukturen investieren. Bis 2004 sank dieser Wert eher nur leicht auf 1,64 Milliarden Euro. Und 2005 begann der Abbruch – erst auf 1,36 Milliarden, 2012 auf 1,24 Milliarden, 2015 waren es nur noch 1,03 Milliarden.
Die sächsischen Kommunen haben also binnen 15 Jahren mehr als ein Drittel ihrer Investitionskraft eingebüßt. Trotz leicht steigender Einnahmen. Einer der Gründe dafür ist natürlich, dass sie allesamt in den ersten 10, 15 Jahren nach der deutschen Einheit nicht nur einen enormen Nachhol- und Reparaturbedarf an ihren Infrastrukturen aufzuholen hatten – sie haben sich auch dafür sämtlich hoch verschuldet. Denn in Wirklichkeit überstieg dieser über fast 60 Jahre aufgebaute Investitionsstau die finanziellen Spielräume der Kommunen deutlich. Was eben nicht nur zu gigantischen Schuldenbergen aufwuchs, sondern ab 2004 auch in eine restriktive Finanzpolitik des Freistaates mündete.
Nicht erst unter der FDP/CDU-Regierung ab 2009 wurde das „Neuverschuldungsverbot“ als heilige Attrappe auf den Thron gehoben. Tatsächlich sorgte die Staatsregierung schon ab 2004 dafür, dass die Kommunen ab da an straffe Spar- und Sanierungshaushalte auflegten. Übrigens auch in Leipzig. Schuldenabbau wurde zum Dauerthema. Im Ergebnis wurden Investitionspläne gestreckt und wichtige Sanierungen immer weiter in die Zukunft vertagt. Was in aller Stile zu dramatischen Verwerfungen führte – denn dieser Sparkurs bremste Leipzig mitten in einer Phase aus, in der die Stadt auf einmal wieder massiv an Bevölkerung gewann und eigentlich ebenso massiv hätte investieren müssen.
Die Aushandlung der Haushalte wurde zu einem regelrecht zähen Gewürge, bei dem man tröpfchenweise kleine Investitionen unterbrachte, wo eigentlich große Investitionsprogramme (Schulen, Kitas, Straßen, ÖPNV) nötig waren.
Es war nicht nur ein Balanceakt, es war auch ein fortwährendes Abwägen von Unmöglichkeiten. Denn den Kommunen wurde ja nicht nur ein rigider Sparkurs auferlegt. Gleichzeitig wurden sie mit massiven Ausgaben belastet, mit denen sich der Bund in dieser Zeit die „schwarze Null“ zusammenbastelte.
Das wird in einer weiteren Anfrage von André Schollbach sichtbar: der zu den Sozialausgaben der Kommunen.
Gaben die sächsischen Kommunen im Jahr 2000 noch 979 Millionen Euro für soziale Belange aus, stieg dieser Wert bis 2004 eher sachte auf 1,26 Milliarden Euro.
Und dann kam das legendäre Jahr 2005 mit der Einführung von „Hartz IV“, das die Sozialausgaben der Kommunen regelrecht explodieren ließ – auf 2,15 Milliarden Euro. Allein mit dieser Entscheidung wurde den sächsischen Kommunen ein eigener Spielraum bei Finanzentscheidungen von fast 600 Millionen Euro entzogen.
Und dabei blieb es ja bekanntlich nicht. In den Folgejahren wurden immer mehr Sozialkosten auf die kommunale Ebene abgewälzt. 2015 ist der Berg dieser Sozialausgaben auf 2,86 Milliarden Euro gestiegen. Die Sozialkosten haben die Investitionsspielräume der Kommunen also regelrecht aufgefressen.
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