Immer älter, immer weniger, öfter krank. So ungefähr kann man beschreiben, was da bei der sächsischen Polizei seit 2006 passiert ist. Wenn man Daten für mehrere Jahrgänge abfragt, kann man meist sehr genau sehen, wie falsche Politik einen funktionierenden Apparat verschleißt. „Effizienz“ hieß das, als CDU und FDP 2009 weitere Streichungen im Polizeidienst verkündeten.
Überstunden, Überlastung und Krankschreibung heißt das in der Praxis. Erst recht in einem Polizeiapparat, der genauso überaltert ist wie der gesamte sächsische Staatsapparat. Normalerweise wissen Minister, dass sie – wenn sie über Jahre praktisch einen Einstellungsstopp verhängen – für die Zeit danach vorsorgen müssen. Denn dann fehlen ihnen zehn, fünfzehn Jahrgänge junger Staatsbediensteter. Dafür überwiegen die Älteren, die nicht mehr so leistungsfähig sind und die ja die Mehrarbeit übernehmen müssen, wenn der junge Nachwuchs fehlt. Sie werden also doppelt belastet, brennen also früher aus. Noch mehr Personal geht verloren.
2009 wäre eigentlich das Jahr der Vorsorge gewesen.
Stattdessen wurde ein noch härteres Kürzungsprogramm beschlossen. Mit gesundheitlichen Folgen.
Der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion im Landtag, Enrico Stange, hat das ganze Folgebündel immer wieder abgefragt: Überstundenberge, Fehltage, Bearbeitungsstau und – gern vergessen – alle die Aufgaben, die die Polizei drastisch zurückgefahren hat – von regelmäßigen Verkehrskontrollen bis zu Geschwindigkeitsmessungen und Präventionsarbeit. Die Mitarbeiter wurden abgezogen, dorthin, wo die Lücken noch viel folgenreicher waren.
Diesmal wollte Stange einfach wissen, wie sich der Krankenstand in so einem auf Verschleiß gefahrenen System entwickelt hat von 2006 bis 2014.
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache – und haben eher nichts mit den ganzen Aufregerthemen wie Fußball-Absicherung oder Pegida/Legida-Einsätzen zu tun. Letztere gab es ja vor 2014 noch gar nicht. Aber der Krankenstand ist all die Jahre kontinuierlich gestiegen. Von 6,8 Prozent im Jahr 2006 auf 7,9 Prozent im Jahr 2009 (was den zuständigen Minister eigentlich schon hätte alarmieren müssen). 2011 wurde die 8-Prozent-Marke überschritten, 2014 waren es dann 8,4 Prozent.
Das liest sich nur auf den ersten Blick unspektakulär. Aber es sieht schon ganz anders aus, wenn man weiß, dass der Krankenstand je Arbeitnehmer in Deutschland 2006 bei 3,3 Prozent lag. Er ist zwar auch wieder leicht gestiegen – auf 3,5 Prozent im Jahr 2009 und 4,0 Prozent im Jahr 2015. Aber sichtlich nicht so stark. Das Bundesamt für Statistik spricht von einem moderaten Anstieg der Krankheitstage, schließt auch nicht aus, dass auch andere Gründe am starken Rückgang der Krankheitstage seit den 1990er Jahren eine Rolle gespielt haben könnten: „Mögliche Ursachen können eine allgemein verbesserte Gesundheitslage oder der Rückgang gesundheitsbeeinträchtigender Arbeiten (z. B. im Produzierenden Gewerbe) sein. Aber auch die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes kann Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen veranlassen, sich seltener krank zu melden. Insbesondere in konjunkturellen Schwächephasen gehen die Krankmeldungen zurück, wie die Entwicklung seit 1991 zeigt.“
Aber Polizeidienst hängt in der Regel nicht von konjunkturellen Phasen ab, außer dass es auch kriminelle Phänomene gibt, die zunehmen, wenn die wirtschaftliche Lage prekärer wird. Was aber eben für Polizisten in so einer Zeit nicht weniger Arbeit bedeutet, sondern mehr. So dass die zunehmende Zahl der Krankheitstage auch mit dieser zunehmenden Belastung im Bereich der Wirtschafts- und Kleinkriminalität zu tun haben kann.
Was die Krankenstatistik natürlich nicht zeigt, ist die Vielzahl der Fälle, die mit dem dann fehlenden Personal einfach nicht mehr abgearbeitet und irgendwann schlicht ohne Ergebnis abgelegt wurden.
Die Statistik zeigt aber, wo die Belastung der Polizisten besonders hoch war. Und mit 8 Prozent lag die Polizeidirektion Leipzig 2006 schon an der Spitze aller sächsischen Polizeieinheiten. 2013 ist der krankheitsbedingte Ausfall auf 10 Prozent gestiegen, 2014 waren es 9,4 Prozent. Nur in der Lausitz ist der Wert noch höher.
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