Als Sachsens Innenminister Markus Ulbig am Mittwoch, 11. Januar, sieben besonders geschützte Fahrzeuge an die Polizei übergab, dürfte sich der linke Landtagsabgeordnete Enrico Stange so richtig veralbert gefühlt haben. Denn mit der markigen Aussage „Polizei bei Terror- und Amoklagen noch besser ausgerüstet“ erzählte das Innenministerium detailverliebt, was ihm der Innenminister im Sommer nicht sagen wollte.

In der Leipziger Volkszeitung vom 27. Juli 2016 war auf Seite 5 unter der Überschrift „Terrorgefahr: Sachsens Polizei rüstet auf“ zu lesen gewesen: „,Waffen, Fahrzeuge, Schutzwesten – bei der Aufrüstung der Polizei kommt Sachsen laut Auskunft des Dresdner Innenministeriums gut voran. Wir sind seit einem Jahr dabei, unsere Polizei besser auf mögliche Terrorgefahren vorzubereiten und sie entsprechend auszustatten‘, sagte gestern ein Ministeriumssprecher. Für über zehn Millionen Euro würden rund 1.400 Polizeibedienstete mit Schutzwesten der Klasse 4, ballistischen Helmen und Maschinenpistolen ausgestattet. Ferner erhalten die Polizeidirektionen in Leipzig, Dresden, Chemnitz, Zwickau und Bautzen sowie Bereitschaftspolizei und Spezialeinheiten mehrere gepanzerte Fahrzeuge.“

Stange als innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion stutzte zu Recht. Denn augenscheinlich war dieses Anschaffungsprogramm so im Innenausschuss des Sächsischen Landtages nicht erläutert worden. Für seine Verkündungen nutzt Innenminister Markus Ulbig (CDU) gern diverse besonders beliebte Medien. Dass er so ein millionenschweres Anschaffungsprogramm für die Polizei vorhatte, hatte er im November 2015 erstmals durchblicken lassen, genauer am 14. November, einen Tag nach dem blutigen Anschlag auf das Bataclan in Paris am 13. November, auch wenn er noch nicht über Zahlen sprach: „Auch wenn es bisher für Deutschland und Sachsen keine konkreten Hinweise auf Anschläge gibt, gilt es nun nicht nur besonders aufmerksam zu sein, sondern auch die Sicherheitskräfte zu stärken. Wir müssen nun gemeinsam mit dem Bund darüber beraten, wie wir zügig alle Bereiche der Inneren Sicherheit in Deutschland ausbauen können. Das betrifft sowohl das Personal, als auch die Ausrüstung bei der Bundes- und Landespolizei, aber auch beim Verfassungsschutz.“

Was für Ausrüstung in welchem Umfang er kaufen wollte, das ließ er dann am 11. Dezember 2015 durchblicken, da kündete er den Kauf von 12.000 stichsicheren Westen für die sächsische Polizei im Umfang von 2 Millionen Euro an. Da sprach er übrigens noch nicht von einem Anti-Terror-Paket, weil es das eigentlich nur in Teilen war. Der Kauf von stichsicheren Schutzwesten war sowieso schon länger geplant, der Austausch der Pistolen der Polizei durch neuere Modelle der Firma Heckler & Koch ebenfalls. Tatsächlich handelt es sich bei Ulbigs nun so bezeichneten Anti-Terror-Paket um das ganz normale Beschaffungsprogramm für die Polizei, das 2015 dann freilich um einige Ausrüstungsgegenstände ergänzt wurde, die man bei möglichen Anti-Terror-Einsätzen natürlich braucht.

Was drinsteckte, bezifferte Ulbig damals freilich noch nicht, benannte nur grob die Inhalte: „Auch angesichts der jüngsten Terroranschläge in Frankreich plant der Freistaat weitere Investitionen in spezielle Ausrüstung für die Polizei. So stehen beispielsweise gepanzerte Einsatzfahrzeuge, Sicherheitsausstattung für Hubschrauber und eine wirksamere Bewaffnung von Spezialeinheiten auf der Agenda.“

Irgendwie ist dann in einer Kabinettsitzung im Sommer 2016 ein „Anti-Terror-Paket“ draus geworden, das dann irgendwie unvollständig  an die LVZ gelangte. Dass Enrico Stange dazu einige konkrete Nachfragen hatte, war logisch. Dass nur ein Teil davon beantwortet wurde und der Rest der Fragen dann von Markus Ulbig in gewohnter Weise abgebügelt wurde, wirkt zumindest eigenartig, wenn derselbe Minister fünf Monate später fast alles detailliert in einer Pressemitteilung aufdröselt. Samt Kostenrahmen: 15 Millionen Euro. Die aber – siehe oben – zum größten Teil für eine normale Modernisierung der Polizei ausgegeben werden.

Speziell für die Terrorbekämpfung vorgesehen sind die sieben gepanzerten Fahrzeuge, von denen eben nicht – wie im Juli in der LVZ zu lesen – alle Polizeidirektionen mehrere bekommen. Sie bekommen jeweils nur eins. Dafür bekommen sie alle einen großen Satz schwarzer ballistischer Helme zum Schutz für Interventionskräfte, dazu einige präzise Mitteldistanzgewehre und mehrere Plattenträger, die gegen Gewehrbeschuss schützen. Wirklich deutlich aufgerüstet wird vor allem das Sondereinsatzkommando (SEK).

Was Ulbig eigentlich in der Detailtreue auch im Sommer schon hätte erzählen können, aber die entsprechenden Fragen von Enrico Stange bügelte er mit der im nachhinein völlig unsinnigen Behauptung ab: „Einer Beantwortung stehen überwiegende Belange des Geheimschutzes sowie der Schutz der Rechte Dritter im Sinne des Artikel 51 Absatz 2, 2. Alternative Sächsische Verfassung (SächsVerf) entgegen.“

Das ist zumindest eine sehr eigenartige Kommunikation, die darauf hinausläuft, dass einige Leser das Gefühl bekommen, der Minister würde mit jeder neuen Aktion auf eine neue Zunahme der Terrorgefahr reagieren. So wie es L-IZ-Leser Frank ging, als er die Meldung las: „Also sieht man doch die Terrorismusgefahr steigen. Ich war froh, so etwas nicht erleben zu müssen. Und nun scheinbar doch, wozu sonst diese Vorbereitung auf ihn. Nur als Beruhigungspille?“

Nein. Die Wahrheit ist: Wir haben einen Innenminister, der Kommunikation als Mittel betrachtet, genau die Angst zu schüren, die die Terrorattacken in Deutschland erst so wirksam machen. Ein Beschaffungspaket, das in Grundzügen schon im Dezember 2015 feststand – eben nach dem Attentat auf das Bataclan – wird gleich drei Mal verkauft, ohne dass der Bürger merkt, dass hier eigentlich nur neue Informationen zu den vorhergehenden Meldungen geboten werden. Während augenscheinlich die Informationspolitik gegenüber den Landtagsabgeordneten genauso dünnlippig und verkniffen ist, wie es gerade Oppositionsabgeordnete immer wieder kritisieren.

Mal ehrlich: Mit einer offenen, transparenten Berichterstattung über solche Programme gäbe es in Sachsen deutlich weniger Panikmache und Gemunkel über Terrorgefahr. Eher eine vernünftige Landtagsdebatte darüber, ob das so ausreicht, überzogen ist oder noch Dinge fehlen, die unsere Polizei in die Lage versetzen, in Gefahrensituationen richtig und sicher zu operieren.

Die zur Hälfte nicht beantwortete Anfrage von Enrico Stange (Die Linke) aus dem August 2016. Drs. 5852

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