Deutsche Minister tun gern so, als sei jeder Asylsuchende in diesem Land eher eine Last, eine unzumutbare Mehrarbeit. Sie stecken fest im grimmigen Abschottungskonzept: Die Anderen und Wir. Und da geht jede Menge menschlicher Empathie den Bach runter, wird weggespart. Samt dem Wissen darum, dass schon die Ursachen der Flucht traumatisch sind. Grund für mehrere Suizide auch in Sachsen.
Entsprechend zeigt sich Petra Zais, migrationspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, bestürzt über die Antwort des Innenministers Markus Ulbig (CDU) zu Suiziden und Suizidversuchen von geflüchteten Menschen in Erstaufnahmeeinrichtungen des Freistaates und in kommunalen Gemeinschaftsunterkünften.
„Sieben Suizide von Asylsuchenden im Jahr 2016 sind eine traurige Bilanz. Nach Aussage des Ministers sind ihm für die Jahre 2014 und 2015 keine Suizide bekannt“, erklärt die Politikerin, nachdem der sächsische Innenminister ihr auf eine entsprechende Anfrage geantwortet hat. „Offenbar funktioniert die soziale Betreuung noch nicht überall so, wie es für den zu unterstützenden Personenkreis angemessen wäre: geflüchtete Menschen haben nicht nur in ihrer Heimat traumatisierende Erfahrungen gemacht. Auch die Flucht auf gefährlichen Routen, wie über das Mittelmeer, belasten die Psyche stark. Dazu kommen große Verunsicherung durch den Verlust von Angehörigen, den vagen Ausgang des Asylverfahrens und die Angst vor Abschiebung. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ist das Suizidrisiko bei geflüchteten Menschen weit höher.“
Die sechs Männer, die sich das Leben nahmen, kamen aus Myanmar, Libyen, Eritrea, Kosovo, Afghanistan und Syrien. Eine Frau stammte aus Albanien. Davon waren drei Personen in Gemeinschaftsunterkünften und vier Personen in Wohnungen untergebracht.
„Wenn dann der Innenminister meine Frage nach Maßnahmen der Suizidprävention damit beantwortet, dass die in den kommunalen Gemeinschaftsunterkünften eingesetzten Heimleiter und Sozialarbeiter für diese Thematik sensibilisiert seien und er damit die erforderliche Hilfe als gewährleistet erachtet, schätzt er die Lage offensichtlich falsch ein“, findet Petra Zais. „Keineswegs ist sichergestellt, dass geflüchtete Menschen in allen Regionen Sachsens gleichermaßen Unterstützung durch Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter erhalten. Die Identifizierung von besonders schutzbedürftigen Menschen ist schon in den Erstaufnahmeeinrichtungen nicht gewährleistet. Ich erkenne darin eine erhebliche Betreuungslücke, die es zu schließen gilt.“
Und dazu kommt, dass der vom Freistaat festgelegte Betreuungsschlüssel wieder einmal ein Versuch ist, bei der Betreuung zu sparen: Er ist schlicht zu groß. Die Staatsregierung glaubt in der Finanzierung der Betreuung der in Sachsen untergebrachten Asylbewerber, dass eine Sozialarbeiterin bzw. ein Sozialarbeiter je 150 Betreute genügt. Das entspricht nicht einmal den bundesweit gültigen Empfehlungen der Organisationen, die sich mit der Sozialbetreuung solcher Einrichtungen beschäftigen. Weshalb sich Leipzig entschieden hat, einen Betreuungsschlüssel von 1:50 anzusetzen – auch mit der Gefahr, auf den zusätzlich aufgewandten Geldern am Ende sitzen zu bleiben.
Aber es sind ja nicht nur Traumafolgen, die von den Sozialbetreuern aufgefangen werden müssen – oft genug gibt es auch soziale, kulturelle und Verständnisprobleme, für die es Vermittler braucht, die entsprechend handeln können. Das dümmste Rezept beim Umgang mit den Asylsuchenden ist es, sie mit ihren Problemen einfach allein zu lassen.
„Solange es der Minister unterlässt, Clearingverfahren in den Erstaufnahmeeinrichtungen und Betreuungsstandards verbindlich im Flüchtlingsaufnahmegesetz zu regeln, ist es mehr oder weniger dem Zufall überlassen, ob und wie traumatisierte geflüchtete Menschen vor Ort unterstützt werden“, benennt Zais noch einmal den Handlungsdruck gerade im Fall schwer traumatisierter Asylsuchender. „Damit nimmt er fahrlässig in Kauf, dass suizidgefährdete Menschen unerkannt und ohne adäquate Hilfe bleiben.“
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