Das Landgericht Leipzig hat am Donnerstag, 1. Dezember, entschieden, den Untreue-Prozess gegen die beiden ehemaligen SachsenLB-Vorstände Herbert Süß und Stefan Leusder gegen Zahlung einer Geldauflage von 80.000 Euro einzustellen. Entsprechend kommentiert haben das nur noch zwei Oppositionsparteien aus dem Landtag.
„Mit dieser Einstellung findet die juristische Aufarbeitung des SachsenLB-Zusammenbruchs ein trauriges Ende. Alle Ermittlungen enden somit ohne Verurteilungen. Finanzminister Georg Unland (CDU) unterließ es bewusst, die politischen Entscheidungsträger im Verwaltungsrat zur Verantwortung zu ziehen. Die Staatsanwaltschaft ließ durch einen Formfehler die verantwortlichen Bankerinnen und Banker entkommen“, sagte Sebastian Scheel, Sprecher für Haushalts- und Finanzpolitik der Linksfraktion aus dem Anlass. „Den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern ist durch das Geschäftsgebaren und das Verscherbeln der Landesbank ein Schaden von bis zu 2,75 Milliarden Euro entstanden, der ungesühnt bleibt. Politische Konsequenzen für das Handeln von Banken, die eine Wiederholung solcher Desaster ausschließen, wurden bis heute nicht gezogen.“
Womit er nur die eigentlichen Probleme dieses Geldhauses anspricht, das im Grunde schon frühzeitig das Gegenteil dessen tat, wofür es 1992 mal gegründet worden war. Denn eigentlich sollte die Landesbank vor allem den sächsischen Mittelstand unterstützen und auch das Rückgrat für die sächsischen Sparkassen bilden.
Die Beschwerden wurden schon frühzeitig laut, dass sie in dem Sinn eigentlich nicht funktionierte.
Wer die eigentlichen Konstruktionsfehler dieser Bank sucht, muss sich unweigerlich mit allen deutschen Landesbanken beschäftigen und der ab 1990 forcierten Deregulierungspoltitik der Finanzmärkte.
Politiker, die so gern am ganz großen Rad drehen wollen, leben von der Vergesslichkeit ihrer Wähler.
Die Manager, die sie dann an die Spitze ihrer Geldhäuser berufen, sind nicht das, was jetzt all die geplatzten Prozesse gegen die Ex-Manager der Sachsen-LB suggerieren: Waghalsige Spieler, die einfach nur die Gunst ihrer Position nutzen, um richtig fette Kohle herbeizuzaubern. Das blendet schlichtweg aus, dass sie dazu von ihren Aufsichtsräten ermächtigt wurden. Und zwar nicht nur in der von öffentlichen Skandalen überschatteten Zeit ab 2004, sondern viel, viel früher.
„Die strafrechtliche Aufarbeitung wird nun fast 10 Jahre nach dem Fiasko der SachsenLB vermutlich am 10. Dezember 2016 beendet sein, ohne dass es zu einer einzigen Verurteilung gekommen ist. Die Verfahren haben trotzdem einen Einblick in das Aufgaben- und Arbeitsverständnis der Vorstandsmitglieder in so einer verantwortungsvollen Aufgabe gegeben“, geht Franziska Schubert, finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, auf die Verantwortungslagen im einstigen Geldhaus ein. „Der Freistaat hat vollumfänglich für die SachsenLB gebürgt. Für die Sächsischen Steuerzahler sind das 2,75 Milliarden Euro. Das sollte Grund genug sein, um umfassend aufzuarbeiten, wie es zu einem solchen Desaster kommen konnte und welche Lehren daraus gezogen werden können und müssen.“
Die Verantwortung liegt auch für sie nicht allein bei den Managern, die am Ende auch noch in aller Eile ausgetauscht wurden, nachdem die Bank schon 2005 in finanzielle Schieflage geraten war. Sie hatte sich mit ihrem Auslandsgeschäft völlig übernommen.
Aber dieses Geschäft war vom politisch hochrangig besetzten Aufsichtsrat ausdrücklich genehmigt worden. Denn die späten 1990er Jahre waren auf den Finanzmärkten Goldgräberzeiten. Ganze Armadas von Interessenverbänden, Denkfabriken und „Wirtschaftsweisen“ hatten die westlichen Regierungen und Parlamente weichgekocht und immer neue Deregulierungen der Finanzmärkte erreicht. In den Augen der verantwortlichen Finanzminister blinkerten die Golddukaten. Der irre Spruch vom Geld, das man für sich arbeiten lasse, machte die Runde. Und nur noch die letzten aufmerksamen Beobachter dieses wilden Tanzes ums Goldene Kalb bekamen mit, woraus da eigentlich exorbitante Renditen gewonnen wurden und was für eine Blase fauler Anlagen da heranwuchs. Damals übrigens noch auf einem Gebiet, von dem heute niemand mehr redet – es war noch die Zeit der New Technologies, wie sie genannt wurden. Die Blase platzte 2000.
Aber davon war 1998 noch keine Rede, als in Deutschland eine neue Regierung an die Macht kam, deren neuer Kanzler noch gar nicht so recht wusste, ob er jetzt ein bisschen Sozialdemokratie wagen sollte oder doch lieber eine hübsche neoliberale Politik auflegte. Er entschied sich bekanntlich für das zweite, sorgte für den Bruch mit seinem ewigen Konkurrenten Oskar Lafontaine, der gerade die gesamte europäische Finanzministerriege verärgert hatte, weil er mehr Regulierung für den Bankensektor gefordert hatte.
Dass er selbst im eigenen Land kein Gehör fand, zeigten dann die emsigen Gründungen von lauter schnieken Auslandsbeteiligungen, mit denen fast alle deutschen Landesbanken ihr langweiliges Mittelstandsgeschäft aufpeppen und ihren Landesregierungen ein paar hübsche Gewinne vom Geldmarkt besorgen wollten.
Die Sächsische Landesbank war bei dem Spiel ganz und gar nicht allein. Und die sächsische Regierung – in Person des damaligen Finanzministers und Verwaltungsratsvorsitzenden Georg Milbradt – war auch nicht die einzige, die ihre Landesbank gern zu einem Goldesel gemacht hätte. Deswegen war die Gründung der Tochtergesellschaft Sachsen LB Europe im Niedrig-Steuer-Land Irland im Jahr 1999 kein Zufall – aber der Anfang vom Verhängnis. Denn wer an diesem neu entstehenden Markt der „strukturierten Papiere“ mithalten wollte, brauchte Rückendeckung. Zum Beispiel durch die volle Finanzkraft des Landes Sachsen über eine Gewährträgerhaftung. Oder über den Verbund der sächsischen Sparkassen, die sogenannte Sachsen-Finanzgruppe, die mit 63 Prozent an der Sachsen LB beteiligt worden war. Was selbst die Sparkassengruppe völlig überfordert hätte, wenn sie 2007 tatsächlich die komplette Kreditlinie der von der Sachsen LB Europe-Tochter „Ormond Quay“ aufgebauten Verbindlichkeiten von 17,3 Milliarden Euro hätte übernehmen müssen.
Erst 2001 hatte der Verwaltungsrat der Sachsen LB eine Ausweitung des Auslandsgeschäfts beschlossen. Da war nicht mehr Milbradt der Vorsitzende, sondern Thomas de Maizière (CDU), der heutige Bundesinnenminister.
Man ahnt, warum der heutige Ministerpräsident Stanislaw Tillich und Finanzminister Georg Unland die politisch Verantwortlichen mit aller Macht aus der Schusslinie halten wollten und keine Klagen in diese Richtung anstrengten.
„Ich bezeichne das als organisierte Verantwortungslosigkeit. Auf kommunaler Ebene wurde bereits beispielhaft geregelt, was es bedeutet, Mitglied in einem Aufsichtsrat zu sein und welche Qualifikationen damit einhergehen. Auf Landesebene sehe ich noch dringenden Handlungsbedarf“, kommentiert das Franziska Schubert. „Zum einen sind die rechtlichen Regelungen hier bei weitem nicht so verbindlich wie die für kommunale Beteiligungen. Wenn ich mir zum Beispiel die Zusammensetzung des Aufsichtsrates der Sächsischen Aufbaubank anschaue, glaube ich nicht, dass jedes Mitglied die Sachverhalte und Entwicklungen der SAB beurteilen kann. Für die kommunale Ebene gilt schon lange, dass Mitglieder eine geeignete Qualifikation haben und dass sie sich regelmäßig weiterbilden müssen, um ihre Aufgabe verantwortungsvoll wahrnehmen zu können. Diese Auflagen gelten für die Landesebene nicht. Die kommunale Ebene ist auch bereits viel weiter in den Bereichen Berichterstattung und Beteiligungscontrolling. Es ist ein transparentes und geeignetes Verfahren, das gesetzlich geregelt ist. Die Staatsregierung hat für ihre Beteiligungen und ihre Gremienmitglieder keine vergleichbaren Regelungen. Die strafrechtliche Aufarbeitung ist abgeschlossen. Die landespolitische Aufgabe, einen Rahmen zu schaffen, der sicherstellt, dass Mitglieder in Beteiligungsgremien entsprechend qualifiziert sind, dass regelmäßig über Beteiligungen berichtet wird, ist noch lange nicht erfüllt. Warum das in fast 10 Jahren nicht möglich war, entzieht sich meiner Kenntnis und meinem Verständnis.“
Am Ende war die LBBW der Ritter, der zumindest Sachsens Regierung vor dem Schlimmsten bewahrte. Immerhin standen noch immer 16 Milliarden Euro im Raum, die nicht gesichert waren. Sachsens Regierung verpflichtete sich, für 2,75 Milliarden Euro die Garantie zu übernehmen. Seither schlagen die Zahlungsausfälle aus dem irischen Portfolio quartalsweise in Sachsen ein. Über 1,4 Milliarden Euro sind schon geflossen.
Die in der LBBW verschmolzene Nachfolgeeinrichtung Sachsen Bank hat nach Angaben der baden-württembergischen Bankmutter augenscheinlich ein solides Geschäft. Hier wurde vor allem das klassische Mittelstandsgeschäft gebündelt. Das ist nicht spektakulär, beschert Finanzministern keine Goldregen. Aber das ist eigentlich das, wofür Landesbanken einst gegründet wurden und was sie auch leisten können.
Die Probleme der Sachsen LB begannen mit der in den 1990er Jahren um sich greifenden Gier nach dem ganz großen Füllhorn. Und ein paar sachverständige Politiker konnten die Gefahren damals sehr wohl absehen. Aber wer weigert sich mitzuprosten, wenn die ganze Tafelrunde in Feierlaune ist?
Oft genug ist Politik leider nur ein großes Schwarmverhalten, in dem sich die Schwarmmitglieder alle gegenseitig trunken reden und dazu anstiften, einander zu überbieten.
Der Rausch hat Sachsen bis heute Investitionskraft von 1,5 Milliarden Euro gekostet. Geld, das längst in Schulen und Straßenbahnen hätte gesteckt werden können, wenn in der entscheidenden Zeit die Bescheidenheit des klassischen Kaufmanns regiert hätte.
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