In der vergangenen Woche hat der Sächsische Landtag über den Doppelhaushalt 2017/2018 diskutiert. Die CDU hielt sich dabei vorsichtig zurück, das Ergebnis öffentlich zu bewerten. Die SPD freute sich, dass sie dem übermächtigen Koalitionspartner wenigstens ein paar kleine, aber wichtige Kompromisse abringen konnte. Aber für die wichtigsten Akteure im Land bedeutet das noch immer keine belastbare Finanzierung.

Das deutete auch Albrecht Pallas, innenpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, an, der nicht nur betont, wie schwer es war, dem Finanzminister ein paar mehr Polizisten aus dem Kreuz zu leiern. Zur Innenpolitik gehört ja auch der Städtebau. Und da gibt es endlich – nach über zehn Jahren – wieder Geld für sozialeren Wohnungsbau.

Albrecht Pallas: „Insgesamt wird der Landtag in den kommenden beiden Jahren über 143 Millionen Euro für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum bereitstellen. Das sind 37,5 Millionen Euro mehr als noch im Haushaltsentwurf vorgesehen.“ Viel zu wenig, wie alle Beteiligten wissen. Was Pallas dann so umschreibt: „Die Koalitionsfraktionen haben mit großem Gestaltungswillen an ihren Anträgen zum Regierungsentwurf gearbeitet – herauskommen wird am Ende des Tages ein echter ‚Parlamentshaushalt‘.“

Da wird die sächsische Juso-Vorsitzende Katharina Schenk schon deutlicher: „Unübersehbar bleibt bei allen Errungenschaften jedoch, dass auch dieser an Investitionen vergleichsweise reiche Haushalt nur ein zäh verhandelter Kompromiss ist. Der CDU ist in vielen Bereichen schlicht nur das abzuringen, was die groben Kürzungen der vergangenen Jahre ausbessert. Ein echter Wechsel gelingt mit den Konservativen nicht. So gibt es zwar endlich ein Landesprogramm für sozialen Wohnungsbau, ein genauer Blick offenbart jedoch, dass hier lediglich Bundesmittel weitergeleitet werden.“

Noch deutlicher wurden verständlicherweise Linke und Grüne.

Denn für die Kommunen gibt es zwar ein bisschen mehr Geld. Die Unterfinanzierung aber wurde damit nicht beendet.

Das Problem beschrieb Franziska Schubert, die Haushalts- und finanzpolitische Sprecherin der Grünen, in ihrer Rede zur Ablehnung des Finanzausgleichsgesetzes durch die Grünen.

Das Finanzausgleichsgesetz (FAG) regelt die Beziehungen zwischen Land und Kommunen. Formuliert wurde es Anfang der 1990er Jahre, als der Bund noch Milliardensummen an Aufbaumittel und sozialen Programmen in den Osten spülte, die vor allem in den Kommunen halfen, die wirtschaftlichen Umbrüche abzufedern. Da waren die sächsischen Ausgleichsmittel eher eine Ergänzung, die den Kommunen Spielräume eröffnete.

Das hat sich geändert. Der Bund hat sich aus vielen Finanzierungen zurückgezogen. Die Kommunen haben sich zwar stabilisiert, haben aber durch die Bank keine eigenen Einnahmen in entsprechender Größenordnungen entwickeln können. Die starren 21 Prozent aus den 1990er Jahren erweisen sich im Jahr 2016 als viel zu niedrig. Auch wenn es auf den ersten Blick nach einer erstaunlichen Steigerung der FAG-Mittel von 2,9 Milliarden auf 3,2 Milliarden Euro in Jahr 2017 aussieht und auf 3,4 Milliarden im Folgejahr.

Das Problem an diesem mathematischen Schlüssel, so Schubert: „Was brauchen welche Kommunen denn überhaupt? Eine Gesamterhebung gibt es nicht. Ich erinnere an die Anhörung zu ‚Lücken in die Zukunft‘, in der ich fragte, inwiefern denn der Investitionsbedarf analytisch mal erhoben wurde – der Vertreter der kommunalen Spitzenverbände sagte: wir haben da mal ein paar Telefonate geführt. Das ist doch nicht seriös! Wir brauchen eine Erhebung der Bedarfe, weil wir erst dann ernsthaft die Weichen für einen zeitgemäßen Finanzausgleich stellen können. Wenn man nämlich so über die Bedarfe rangeht, dann überwindet man auch den unsinnigen Schaukampf, in dem Großstädte gegen ländliche Regionen ausgespielt werden.“

Wo liegen die großen Probleme der Städte, Landkreise und kreisangehörigen Gemeinden in Sachsen?

„Fünf von zehn Landkreisen brauchen über 50 Prozent ihres Etats für Sozialausgaben. Dabei gibt es zwei Gruppen, die den Kommunen hohe Ausgaben verursachen. Das sind zum einen Langzeitarbeitslose und zum anderen die Kinder. Letztere Gruppe ist aber eben auch die Zukunft. Ich weigere mich daher, diese Ausgaben ausschließlich als Soziallasten zu bezeichnen. Hier haben Kommunen in Sachsen, durch die Bank weg, einen evidenten Bedarf“, so Schubert.

Aber Kita-Versorgung ist eben nicht nur Bedarf, sondern längst auch eine Versorgungspflicht: Die jungen Eltern dürfen klagen, wenn die Kommune keinen Krippen- oder Kita-Platz zur Verfügung stellen kann.

Die Kommunen sind also zum Umverteilen gezwungen.

Franziska Schubert: „Es ist ein tragischer Umstand, was Haushaltsstrukturkonzepten zum Opfer fällt, wenn Kommunen mit dem Rücken an der Wand stehen – was wird denn zuerst gestrichen? Präventive Jugendarbeit, Frauenschutzhäuser, Kultur, Naturschutzbelange, nicht-investive Vorhaben, Bereiche, welche für Lebensqualität sorgen. Das kann doch nicht ernsthaft das sein, was Sie wollen!“

In den vergangenen 25 Jahren wurde das Finanzausgleichsgesetz (FAG) immer nur fortgeschrieben.

Und die Entscheidungen über die FAG-Mittel trifft ein kleines Gremium von Ministerialbeamten. Schubert: „Das FAG ist der Gesetzentwurf, bei dem die Staatsregierung aber auch die kommunalen Spitzenverbände am deutlichsten zum Ausdruck bringen, dass wir als Parlament außen vor sind; dass eine demokratische Beteiligung unerwünscht ist. Der FAG-Beirat ist ein closed-shop. Ich frage mich: warum? Ehrlich gesagt: es ist schwer zu ertragen, wenn Sie hier berichten, wie Sie in trauter Runde zu diesem Gesetz bereits alles geregelt haben. Der Satz: ‚Das ist alles mit der kommunalen Familie abgestimmt‘, treibt mir regelmäßig Zornesfalten ins Gesicht.“

Im Grunde kaspern Regierungsbeamte fast allein in trauter Runde aus, was die Kommunen bekommen sollen. Im Gesetz heißt es: „Beim Staatsministerium der Finanzen wird ein Beirat für den kommunalen Finanzausgleich eingerichtet. Ihm gehören an: zwei Vertreter des Staatsministeriums der Finanzen, davon einer als Vorsitzender, zwei Vertreter des Staatsministeriums des Innern, zwei vom Staatsministerium der Finanzen auf Vorschlag der kommunalen Landesverbände berufene Vertreter der Landkreise und drei vom Staatsministerium der Finanzen auf Vorschlag der kommunalen Landesverbände berufene Vertreter der Gemeinden, darunter je ein Vertreter des kreisangehörigen und des kreisfreien Raumes.“

„Uns erreichen zahlreiche Rückmeldungen aus den Kommunen, die ein dezidiert anderes Bild zeichnen. Schon lange ist die Mär von der trauten Einheit in der kommunalen Familie eine überdehnte Wiederholung, die nicht wahrer wird, wenn man sie nur oft genug wiederholt“, sagt Schubert. „Wir Grünen haben dieses Jahr einen Berichtsantrag zum kommunalen Finanzausgleich eingereicht und die Anhörung dazu fand im August statt. Sie deckte auf, was im vorliegenden FAG nach wie vor gar keine oder nicht ausreichend Berücksichtigung findet:
– die Frage der Kostenremanenzen (rückgehende Bevölkerungszahlen vs. Abwassergebühren oder passiv steigende Schulden, weil die Bevölkerungszahlen schneller zurückgehen als die Schulden)
– Die Hauptansatzstaffel, welche die Größe der Bevölkerung als Bedarfsparameter ansetzt, reicht nicht mehr aus. Weder in den Städten, noch im kreisangehörigen Raum. Sie zeigt nicht die wirklichen Bedarfe.
– Und dann sind natürlich die demografischen Entwicklungen in Sachsen zu berücksichtigen; und zwar ebenso in den großen Städten wie auch im kreisangehörigen Raum. Hier bedarf es struktureller Hilfen. In welcher Form und in welchem Umfang müsste erhoben werden. Ich sehe das in der klaren Zuständigkeit der Staatsregierung.“

Wie aber kann man ein Land steuern, in dem man als Regierung nicht einmal die Grundbedarfe vor Ort genau kennt? Das funktioniert nicht.

Mittlerweile hat sogar der Sächsische Rechnungshof das Dilemma erkannt, auch wenn er noch immer glaubt, die Kommunen würden nicht richtig sparen.

Eindeutig fehlt den entscheidenden Instanzen in Sachsens Regierung die Steuerkompetenz. Man fährt eine Austeritätspolitik, die letztlich die Wettbewerbsfähigkeit des Landes schon seit Jahren dämpft, weil die Kommunen ihre Zukunftsinvestitionen ausdünnen, um die sozialen Löcher des Tages zu stopfen.

In eigener Sache: Für freien Journalismus aus und in Leipzig suchen wir Freikäufer

https://www.l-iz.de/bildung/medien/2016/11/in-eigener-sache-wir-knacken-gemeinsam-die-250-kaufen-den-melder-frei-154108

 

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar