Zur Nachhaltigkeit gehört auch, was die meisten Politiker nicht mal begriffen haben: der Umgang mit den Menschen. Die sind eben nicht nur Konsumenten oder Humankapital, um diesen Extrembegriff einer Wirtschaftswissenschaft zu nennen, die ihren Namen nicht verdient. Aber man vergisst ja fast, dass die sächsische Regierung seit Jahren einen radikal neoliberalen Kurs gefahren hat.
Was auch im Bericht deutlich wird, wenn von der „Ausschöpfung des Potenzials älterer Arbeitnehmer“ geredet wird und auch Schule und (Betriebs-)Kindergärten nur als Vorraussetzung zur „Schließung von Fachkräftelücken“ behandelt werden. Logisch, dass das zu einer moralischen Verrohung der gesellschaftlichen Kultur gerinnt. Die Leute, die so denken, mögen allesamt einen Doktortitel tragen und ein Studium absolviert haben – sie sind trotzdem nur Schmalspurdenker, die nicht mal verstehen, wie eng verzahnt die Abwertung des Menschen zum reinen Leistungsträger mit der zunehmenden Radikalisierung ganzer Bevölkerungsteile ist. Wer Menschen nur danach bewertet, wie gut sie in der Produktion eingesetzt und abgeschöpft werden können, der zerstört die simpelsten Grundlagen gesellschaftlicher Kooperation.
Wir würden ja gern auf zarte Pflänzchen eines nachhaltigen Denkens in der Arbeitskräftepolitik eingehen, statt auf die Mütterbeschäftigungsquote und die Altenerwerbsquote.
Aber es steht nicht mal ein halber Gedanke dazu im Bericht!
Familie als Arbeitskraftlieferant
Selbst die so gern von der CDU beschworene Familie kommt nur als auszuschöpfendes Erwerbspotenzial vor. Kein Wort zu einer familiengerechten Wirtschaftsgestaltung, zu kinderfreundlichen Erwerbsmodellen, zur Entfaltung von lebendigem Erfinder-, Unternehmer- und Tatendrang. Das ganze Kapitel ist die reine, stupide Betriebswirtschaft.
Und obwohl das Kapitel zur Demografie gleich anschließt, scheinen die Autoren der Studie nicht mal begriffen zu haben, wie sehr das alles miteinander verknüpft ist, dass es „Familie“ nur da geben kann, wo Menschen nicht nur verwertbares Humankapital sind.
Kinder früh auf Leistungskurs getrimmt
Mal abgesehen davon, dass das reine Verwertbarkeitsdenken auch die komplette Gesundheitspolitik bestimmt. Bis in die Kindergärten und Krippen hinein. Da geht es nicht darum, die Kinder bei der Entfaltung ihrer Möglichkeiten zu unterstützen und ihnen dafür gute Rahmenbedingungen zu geben.
Es geht nur noch um das Ausmerzen von Defiziten, die sie daran hindern könnten, voll einsetzbare Fachkräfte zu werden. Das Effizienzdenken hat sich nicht nur in die grausigen Bildungsmonitore der INSM hineingefressen, in Sachsen ist es Regierungspolitik.
Dumm nur, dass diese Politik genau das Gegenteil dessen erreicht, was sie sich von ihrer Einheitspressung immer verspricht: Die gesundheitlichen Befunde der Vorschulkinder werden immer schlechter.
Man muss eigentlich nicht lange darüber nachdenken, woher das kommt, warum Sprachauffälligkeiten und Störungen der Feinmotorik immer mehr zunehmen und Adipositas ein Grundübel bleibt. Natürlich hat das auch mit einer Welt zu tun, die Kinder vom Spielen, Toben und Ausprobieren abhält, die sie vor Fernseher setzt, mit Fastfood vollstopft und ihnen die Bewegungsräume im Freien genommen hat.
Ruhigstellung geht mit früh steigendem Leistungsdruck einher.
Und wer das nicht glaubt, kann sich die steigende Zahl von „Krankenhausbehandlungsfällen von Kindern und Jugendlichen aufgrund psychischer und Verhaltensstörungen“ anschauen. Die ja nur die Spitze der Pyramide ist. Die Aufmerksamkeitsdefizite in den Schulen nehmen auch deshalb zu, weil Klassen immer voller werden und Lehrer keine Zeit haben, die Aufmerksamkeitsbedürfnisse der Kinder wahrzunehmen. Die Eltern ja auch nicht.
Das ganze Kapitel der Antidepressiva und anderer Psychopharmaka, mit denen Kinder auf den Leistungsdruck der sächsischen Fließband-Schule getrimmt werden, wird nicht mal erwähnt.
Nachhaltige Bildung? Wo denn?
Und da tönt der Bericht auch noch von „Bildung nachhaltig gestalten“. Das ist ein Witz in einem Land, das derart rücksichtslos mit seinen Lehrern umgegangen ist und das Schulabschlussquoten und „Bildungsempfehlungen“ als Qualitätsmaßstab für sein Bildungssystem betrachtet. Der Bericht geht nicht mal darauf ein, wie unterschiedlich die „Bildungschancen“ für Kinder aus verschiedenen gesellschaftlichen Schichten sind, wie eng verquickt schlechte Schulergebnisse mit sozialen Problemen sind, wie starr die amtlich kanalisierten Bildungswege.
Ein nachhaltiges Denken über Bildung kommt selbst im Bildungs-Kapitel des Berichts nicht vor. Zeichen dafür, dass sich das komplette Bildungs-Establishment des Freistaats noch nicht einmal Gedanken darüber gemacht hat, welches Potenzial eigentlich eine Gesellschaft entfalten kann, wenn sie allen, ausnahmslos allen ihren Mitgliedern den Weg zur Entfaltung ihrer Möglichkeiten eröffnet. Was etwas mit Lernkompetenz und echter Persönlichkeitsbildung zu tun hat. Dass es derzeit auf Sachsens Straßen derart rumort, hat auch mit einer durch Bildung bewirkten Entmündigung zu tun, auch mit moralischer Verantwortungslosigkeit. Ein Spiegelbild des mit aller Effizienz produzierten Humankapitals, das nie auch nur auf die Idee käme, die Misere der Welt könnte etwas mit falschen Wünschen und eigener Verantwortungslosigkeit zu tun haben.
Womit man dann bei der letzten Frage zu diesem Nicht-Nachhaltigkeitsbericht käme: Kann man das gesellschaftliche Denken eigentlich (wieder) nachhaltig machen?
Dazu kommen wir gleich an dieser Stelle.
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