Sie können es einfach nicht. Sie können nicht rechnen, aber reden von Modernisierung, Effizienz und Einsparung. Bis heute, auch wenn die FDP in Sachsen schon seit zwei Jahren nicht mehr mitregiert. 2011 hat sie das „Standortkonzept“ der CDU mitgetragen, das vor allem ein großer Verschiebebahnhof staatlicher Institutionen ist und sich quasi selbst finanzieren sollte. Das war schon 2011 eine Luftnummer.
Am Montag, 17. Oktober, hat der Sächsische Rechnungshof den 1. Band seines Jahresberichtes 2016 vorgestellt. Eigentlich ein Bericht so richtig für die Tonne, denn der Rechnungshof ist in seiner Sicht auf die Zukunftsprognosen aufs engste verbandelt mit dem in Dresden ansässigen ifo Institut, das schon in der Vergangenheit die Gefahren für die Zukunft des Freistaats in schwärzesten Farben gemalt hat, heftige Einnahmerückgänge und einen regelrechten Schwund der Bevölkerung für gesetzt gehalten hat. Das ist alles nicht eingetreten. Und seit vergangener Woche ist auch klar, dass für den Länderfinanzausgleich ein Nachfolgeprogramm gefunden wird. Sachsen wird die heftigen Einnahmeeinbußen nicht haben, die das ifo Institut immer wieder ausrechnet und die der Rechnungshof wie ein Mantra beschwört.
Entsprechend schrill klingt, was der Rechnungshofpräsident nun schon wiederholt behauptet.
„Die immer neuen Rekordsteuereinnahmen täuschen über die Notwendigkeit einer systematischen Ausgabenanpassung hinweg“, erklärte der Präsident des Sächsischen Rechnungshofs, Prof. Dr. Karl-Heinz Binus, am Montag. „Mit der Rückführung der ostspezifischen Aufbauhilfemittel wird der sächsische Haushalt zunehmend von der Wirtschaftsentwicklung und damit von den gesamtdeutschen Steuereinnahmen abhängig. Ein unterstelltes positives gesamtdeutsches Wirtschaftswachstum allein kann den Einnahmeverlust nicht kompensieren.“
Ein schriller Ruf, der genau jene fatale Politik fordert, mit der die sächsische Regierung jetzt schon die Funktionsfähigkeit des Staatsapparates in Mitleidenschaft gezogen hat.
Nur an einem Punkt hat Binus wohl Recht: Wenn er das vergeigte „Standortkonzept“ kritisiert. Denn das hat genau deswegen nicht funktioniert, weil es die Binus’sche Forderung nach „Ausgabenanpassung“ zur Grundlage hatte: Die Schrumpfung des Landespersonals sollte die teuren Standort-Neubauten finanzieren.
Dumm nur, dass so etwas nicht funktioniert.
„Der Rechnungshof hat nun bereits zum wiederholten Mal mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass die Kosten-Nutzen-Bilanz und damit die 2011 in Aussicht gestellten Gesamtkosten des Standortkonzepts nicht zutreffen. Die Staatsregierung hat es seit fünf Jahren unterlassen zu prüfen, ob die Baubruttokosten von rund 370 Millionen Euro noch aktuell sind und ob das mit dem Standortkonzept verbundene Ziel noch erreicht werden kann“, erklärt denn auch Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag.
Der Rechnungshofpräsident hat in seiner Pressekonferenz am Montag darauf hingewiesen, dass die von der Staatsregierung genannten Zahlen überholt und zum Teil von Anfang an irreführend sind. So hätten sich die damals – zu Unrecht – aufgeführten Einsparungen beim Personal, z. B. im Bereich der Justiz, spätestens seit März dieses Jahres überholt, als die Staatsregierung von ihren bisherigen Stellenabbauplänen abgerückt ist. Damit habe sich auch die Kosten-Nutzen-Bilanz von 2011 überholt.
„Dass sich bei den Baukosten eine Erhöhung abzeichnet, haben wir angesichts fehlender Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen bereits von Beginn an befürchtet und eine Neubewertung gefordert. Finanzminister Prof. Georg Unland (CDU) hat es trotz mehrfacher Aufforderung bis heute für nicht nötig erachtet, das Parlament über die aktuellen Kosten zu informieren. Alle diesbezüglichen Forderung der Grünen hatte der Finanzminister ignoriert. Dafür bekommt er jetzt die Quittung vom Rechnungshof.“
Die Grünen, so betont Lippmann, haben das geplante Behördenkarussell von Anfang an kritisiert und wiederholt eine Aktualisierung der Kosten-Nutzen-Bilanz gefordert. Zuletzt wurde bei den Haushaltsverhandlungen 2015/2016 über diese Forderung diskutiert und abgelehnt. Fehlerkorrektur? Fehlanzeige.
Schon im Sommer war klar, dass der einst von CDU und FDP behauptete „finanzielle Vorteil“ von 842 Millionen Euro so nicht kommen wird, sondern der Freistaat für das „Standortkonzept“ mindestens 307 Millionen Euro zubuttert. Jetzt steht die Zahl 370 Millionen im Raum. Dabei wird es nicht bleiben, denn etliche Umzüge von staatlichen Behörden sind noch nicht einmal durchgeplant.
„Da der Gesetzgeber auch in den jetzigen Haushaltsverhandlungen wieder über Mittel zur Umsetzung des Standortkonzepts beschließen soll, fordere ich den Finanzminister auf, umgehend eine aktualisierte Kosten-Nutzen-Analyse zum Standortkonzept vorzulegen und den Landtag über die Kostensteigerungen zu unterrichten“, sagt Lippmann. „Es muss Schluss sein mit der bisherigen Intransparenz bei der Umsetzung des Standortkonzeptes.“
Am Ende wird sich nämlich herausstellen, dass Sachsen die geplanten Neubauten an den neuen Standorten allesamt schön teuer bezahlen muss, aber keine Einsparungen beim Personal gegenrechnen kann. Da hat wohl jemand bei der Entwicklung des „Standortkonzepts“ eifrig BWL studiert, von Staatsverwaltung aber schlicht keine Ahnung gehabt. Wahrscheinlich nicht nur einer, sondern ein ganzes Dutzend, darunter eine ganze Minister-Garde, die im Jahr 2016 völlig ohne Personalkonzept dasteht und so tut, als hätte sie die Entwicklung im eigenen Ressort noch im Griff.
In eigener Sache – Wir knacken gemeinsam die 250 & kaufen den „Melder“ frei
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