Da wird auch Valentin Lippmann gestaunt haben, als er die jüngste Antwort von Innenminister Markus Ulbig (CDU) zu seiner Anfrage zu eFAS-Verfahren im System der sächsischen Polizei bekommen hat. Irgendwie hatte die Große Anfrage der Grünen-Fraktion aus dem März Wirkung gezeigt: Die Polizei hat tatsächlich 109 Verfahren aus ihren Datenbanken gelöscht. Meint zumindest der Innenminister.
„Insgesamt sind 178.098 Personendatensätze – allerdings einschließlich mehrfacher Eintragungen – zu allen Phänomenbereichen in 363 technischen Verfahren gespeichert. Ob es sich bei diesen Verfahren um einzelne Datenbanken handelt, ist unklar. Jedenfalls ist das Ausmaß dieser Datensammlungen und die Länge der Speicherung alarmierend“, hatte Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, im April feststellen können.
Und die Vermutung, dass etliche tausend Datensätze dort nicht oder nicht mehr hätten abrufbar sein dürfen, lag nahe. Und die Vermutung lag ebenso nahe, dass die Ermittler sich etliche Datensätze doch lieber etwas länger aufhoben, als gesetzlich zulässig. Denn in einigen Phänomenbereichen tauchen einige Leute eben doch immer wieder auf – man denke nur an die diversen Fußballanhänger, die immer mal wieder im Zusammenhang mit ein bisschen Randale auffallen.
Was freilich die Frist zum Löschen solcher Datensätze nicht außer Kraft setzt.
Und da scheinen dann die diversen Polizeidienststellen auch entsprechend aufgeräumt zu haben. Zumindest ein bisschen, nachdem sie 2013 erst so richtig angefangen hatten, immer neue Datensammlungen im eFAS (ermittlungsunterstützendes Fallanalysesystem) anzulegen. Ganz vorneweg die Polizeidirektion Leipzig, die die Zahl der von ihr neu eingerichteten Verfahren von 11 im Jahr 2013 auf 26 im Jahr 2015 steigerte. Allein im Jahr 2016 hat sie 34 neue Verfahren eingerichtet. Man kann nur vermuten, dass das aufs engste mit dem der Polizeidirektion Leipzig zugeordneten Operativen Abwehrzentrum (OAZ) zu tun hat, das sich mit den zunehmenden Fällen von politisch motivierter Kriminalität in Sachsen beschäftigen muss.
Trotzdem scheint es da im März eine Menge „Karteileichen“ im eFAS gegeben zu haben, denn die neuen Zahlen, die Innenminister Markus Ulbig geben kann, sind deutlich niedriger als die noch im April ausgegebenen: „Mit Stand vom 15. September 2016 sind in den Verfahren insgesamt 141.474 Personendatensätze gespeichert. Es wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Anzahl der Personendatensätze keinen Rückschluss auf die tatsächliche Anzahl gespeicherter Personen zulässt, da innerhalb und zwischen den einzelnen Verfahren eine redundante Datenspeicherung möglich ist.“
Aber wer und was da gelöscht wurde, erfährt Lippmann nicht. Nur generelle Zahlen.
Markus Ulbig: „Im Zeitraum 16. März bis 14. September wurden 109 Verfahren gemäß § 43 SächsPOlG gelöscht, weil sie für die polizeiliche Aufgabenerfüllung nicht mehr benötigt werden.“
Das mit dem § 43 im Sächsischen Polizeigesetz ist nicht ganz so eindeutig und eröffnet recht große Gestaltungsspielräume für die Polizei. In Absatz 1a heißt es zwar: „Daten, die gemäß § 13 Abs. 4 SächsDSG gespeichert worden sind, sind nach spätestens einem Jahr zu löschen.“
Aber in Absatz 2 heißt es dann schon: „Der Polizeivollzugsdienst kann auch personenbezogene Daten, die er im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungsverfahren oder von Personen gewonnen hat, die verdächtig sind, eine Straftat begangen zu haben, speichern, verändern und nutzen, soweit dies zur Gefahrenabwehr, insbesondere zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist. Entfällt der der Speicherung zugrunde liegende Verdacht, sind die Daten zu löschen.“
Wann aber entfällt so ein Verdacht?
Es bleiben also eine Menge Fragen offen, auch wenn Ulbig betont: „Anhand des Vergleiches der Bestandszahlen von März 2016 und September 2016 können keine Aussagen zur Anzahl und den konkreten Gründen der Löschung von einzelnen Personendatensätzen getroffen werden, da bei den Bestandszahlen eine Unterscheidung zwischen Löschung und Zugang nicht möglich ist.“
Von allein informiert die Polizei die Betroffenen sowieso nicht darüber, ob sie im eFAS gespeichert sind oder gelöscht werden. Das sei so auch nicht vorgesehen, betont Markus Ulbig. Aber es hätten (möglicherweise) Betroffene nach § 18 des Sächsischen Datenschutzgesetzes auf Anfrage hin ein Anrecht auf Auskunft.
Dass aber so viele Verfahren auf einmal gelöscht wurden, legt natürlich die Vermutung nahe, dass die Polizei die Speicherregeln etwas großzügig ausgelegt hat für sich. Das wird auch deutlich, wenn Ulbig auf den Besuch des Sächsischen Datenschutzbeauftragten in diversen Polizeidienststellen zu sprechen kommt: „In seiner Abschlussbesprechung mit dem LKA teilte er mit, dass keine Verstöße gegen Rechtsvorschriften festgestellt wurden. Er regte allerdings Klarstellungen sprachlicher Art in der Errichtungsanordnung zum eFAS an.“
Man kann nur vermuten, welche Klarstellungen das sein könnten. Aber es deutet schon darauf hin, dass man einige Regeln bei der Einrichtung neuer Verfahren im System etwas eigenwillig ausgelegt hatte.
Valentin Lippmanns Nachfrage zu den eFAS-Datenbanken. Drs. 6376
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