Das Drama um die Selbsttötung von Jaber Al-Bakr hat eines jener Problemfelder der sächsischen Politik an die Oberfläche gespült, das bislang im Schatten der Personalprobleme bei Polizei und Lehrern stand: Auch die Justiz samt Justizvollzug ist nach all den Kürzungsrunden heillos unterbesetzt. Einen dringenden Richtungswechsel mahnen jetzt die Grünen an, denen das Thema überhaupt nicht neu ist.
„In den aktuellen Verhandlungen zum Doppelhaushalt 2017/2018 wird die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag die Einstellung von 100 zusätzlichen Justizvollzugsbediensteten pro Jahr beantragen“, kündigt die rechtspolitische Sprecherin der Fraktion, Katja Meier, an. „Nach dem Tod des Gefangenen Al-Bakr darf es kein ‚Weiter so‘ in der Personalpolitik des Justizressorts geben. Allein um die starken Altersabgänge in den nächsten 15 Jahren auszugleichen, müssen wir jährlich 51 Bedienstete zusätzlich in den Justizvollzug einstellen. Insgesamt gehen in dieser Zeit 771 von den insgesamt 1.711 Bediensteten in den Ruhestand. Mit den im Entwurf des Haushaltsplans von Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) vorgesehenen 18 neuen Stellen in den beiden nächsten Jahren wird den hohen Altersabgängen nicht vorgebaut. Faktisch geht der Stellenabbau beim Justizvollzug auch in den nächsten Jahren weiter. In den letzten zehn Jahren sind im Justizvollzug knapp 340 Stellen abgebaut worden. Davon fallen allein 17 Stellen in die Amtszeit von Justizminister Gemkow. Den Willen zur Verbesserung der Personalsituation kann ich nicht erkennen.“
Schon im September hat die Grünen-Fraktion ihre Vorstellung für eine realistische Personalpolitik in Sachsen vorgelegt. Die Grünen-Fraktion fordert mit einer „Personaloffensive für Sachsen“ die Schaffung von rund 1.800 neuen Stellen. Allein für das Justizressort sind danach 570 Stellen vorgesehen.
„Über die 51 Stellen zum Ausgleich der Altersabgänge bis 2030 hinaus wollen wir Grünen eine bessere Betreuung der Gefangenen, die Verbesserung der sogenannten Gefangenen/Personal-Quote, erreichen“, erklärt Katja Meier. „Dafür wollen wir weitere 50 Stellen pro Jahr schaffen. In aller Regel verrichtet auf einer Station in der Nacht nur noch ein Bediensteter des Allgemeinen Vollzugsdienstes seinen Dienst und ist damit allein für mindestens 25, zumeist jedoch 40 und durch Überbelegung für bis zu 70 Gefangene zuständig. Sowohl für die allgemeine Sicherheit in den Anstalten, für die Aufrechterhaltung eines individuellen Umgangs mit jedem einzelnen Gefangenen, in besonderem Maße aber auch für die Gesundheit der Bediensteten stellt dies eine große Gefahr dar. Auch die Übergriffe von Gefangenen auf Bedienstete in den Justizvollzugsanstalten Zwickau und Bautzen stehen symptomatisch für die angespannte Personalsituation.“
2004 waren nach Soll-Plan im Sächsischen Justizvollzug noch 2.228 Bedienstete angestellt, eine Zahl, die bis 2006 nur leicht auf 2.210 zurückging. Aber mit der Installierung der CDU/FDP-Regierung im Jahr 2009 wurde auch hier die Schere angesetzt und radikal heruntergeschnitten, so dass für 2014 nur noch 1.872 Vollzugsbeamte in den Haushaltsplänen standen, 2015 wurde das Soll auf 1.832 gesenkt, 2016 dann auf 1.809. Und zwar ohne einen signifikanten Rückgang der Gefangenenzahl. Die damalige Regierung versuchte einfach, dieselbe Leistung mit weniger Personal zu bewerkstelligen. Da ist es eher erstaunlich, dass nicht deutlich mehr Fälle von Überforderung aus den sächsischen Justizvollzugsanstalten gemeldet wurden.
Erst mit dem Doppelhaushalt 2017/2018 ist eine ganz vorsichtige Trendwende zu spüren: Von 1.809 soll die Zahl der Vollzugsbeamten auf 1.827 erhöht werden, was aber sichtlich nicht ausreichend ist.
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