Viel nachgefragt haben sächsische Landtagsabgeordnete zum Verhandlungsstand beim Länderfinanzausgleich in den vergangen Jahren nicht. Eine der wenigen war Franziska Schubert, haushalts- und finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. Sie hatte schon vor einem Jahr so einen Verdacht, wo die Reise hingehen würde. Der Verdacht hat sich bestätigt.

„Die Verhandlungen zum Länderfinanzausgleich fanden hinter verschlossenen Türen statt. Die Länder waren durch ihre jeweiligen Landesspitzen vertreten. Ministerpräsident Tillich hat, wie immer, weder über den Handlungsstand noch über die Ergebnisse und schon gar nicht über die Konsequenzen für den Freistaat berichtet“, kritisiert sie die verordnete Sprachlosigkeit der Tillich-Regierung.

2015, als das Gemunkel über die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen immer lauter wurde, fragte sie die Staatsregierung zum Stand der Dinge. Immerhin hatte die sächsische Staatsregierung gerade in Haushaltsverhandlungen immer das Phantom abstürzender Finanzen an die Wand gemalt, wenn der Länderfinanzausgleich so ab 2020 nicht mehr weitergeführt werde. Gerade Bayern und Hessen hatten den Druck erhöht, sich aus dem Länderfinanzausgleich verabschieden zu dürfen. Die gehören zu den Geberländern, müssen also bislang immer etwas von ihren überproportionalen Steuereinnahmen an die finanzschwachen Bundesländer abgeben. Das wollten beide Landesregierungen nicht mehr.

Am 13. August 2015 nahm dann Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) zu neuerem Gemunkel Stellung: „Man muss wissen, dass es eine politische Absicht gibt, wonach Nordrhein-Westfalen zum Zahlerland werden soll. Dafür wird ein Ausgleichsinstrument abgeschafft, der Umsatzsteuervorwegausgleich. [ … ] Sachsen hat dazu einen Vorschlag gemacht, der gegenwärtig mehrheitsfähig ist“, erklärte er in der „Sächsischen Zeitung“.

Was Franziska Schubert dann hellhörig machte. Was für einen Vorschlag hatte Sachsen da gemacht?

In seiner Antwort bestätigte dann Finanzminister Georg Unland (CDU), was Schubert befürchtet hatte: Sachsen hatte tatsächlich vorgeschlagen, den Länderfinanzausgleich in weiten Teilen abzuschaffen und künftig den Bund zum eigentlichen Geberland zu machen.

„Als denkbare Neuregelung für die Verteilung der gesetzlichen Anteile von Bund, Ländern und Gemeinden an der Umsatzsteuer sieht der sächsische Vorschlag vor, dass der Bund einen Teil seines gesetzlichen Anteils an der Umsatzsteuer auf die Länder überträgt“, hatte Unland den Lösungsvorschlag skizziert. Und: „Der Bund soll den Ländern nach diesem Vorschlag einen jährlichen Beitrag in Höhe von rd. 9,5 Mrd. EUR an Bundesmitteln zur Verfügung stellen.“

Das zusätzlich vom Bund bereitgestellte Geld wird also nach Bedürftigkeit auf die Länder aufgeteilt. Nehmerländer wie Sachsen bleiben Nehmerländer, bekommen den Löwenanteil jetzt aber direkt vom Bund.

Genauso ist es nun augenscheinlich auch gekommen.

„Als haushalts- und finanzpolitische Sprecherin kann ich Folgendes zur Haushaltssituation in Sachsen sagen: Seit Jahren sind die CDU-geführte Regierung und Finanzminister Unland stets um Zahlenspielerei bemüht. Es wird ein Bild von Sachsen gezeichnet, das es so nicht gibt. Die Situation heute ist natürlich nicht mehr mit Anfang der 1990er Jahren zu vergleichen. Aber es ist ein Fakt, dass es der Freistaat Sachsen bis heute nicht schafft, auch nur die Hälfte seines Haushaltes selbst zu erwirtschaften. Über 50 Prozent des Gesamthaushaltes erhält der Freistaat als Zuweisungen vom Bund, im Rahmen des Länderfinanzausgleichs und natürlich von der EU. Dieser Freistaat ist abhängig von Transferzahlungen“, betont Franziska Schubert.

Noch vor wenigen Jahren glaubte tatsächlich der damalige CDU-Koalitionspartner FDP, Sachsen zum Geberland machen zu können. Was dummerweise nur funktioniert, wenn die Unternehmen mehr Gewinne machen, die Löhne auf Westniveau steigen (und zwar nicht auf das des Saarlands, sondern das von Bayern) und Unternehmen ihre Umsätze deutlich steigern. Von einem Lohnniveau West ist aber in Sachsen weit und breit nichts zu sehen. Im Gegenteil: Gerade die FDP beschwor Stanislaw Tillich bis zuletzt, die Niedriglohnpolitik in Sachsen nicht aufzuweichen.

Ist das nur närrisch oder können die Liberalen nicht mehr rechnen?

Sachsen wird noch auf Jahre auf einen deutlichen Finanzzuschuss angewiesen sein. Wahrscheinlich wird er abschmelzen, wenn die wirtschaftliche Entwicklung in Dresden und Leipzig weiter so bleibt. Aber ein komplett selbst erwirtschafteter Staatshaushalt ist noch lange nicht in Sicht.

„Inzwischen ist bekannt, dass die finanzstarken Länder den Ausgleich zwischen den Ländern nicht mehr wollen. Diese Forderung haben sie durchgesetzt“, benennt Schubert das wohl wichtigste Ergebnis der langen Verhandlungen um den Länderfinanzausgleich. „Der im Grundgesetz verankerte solidarische Schulterschluss zwischen den Ländern würde damit abgeschafft werden. Die sächsische Regierung und ihre Politik hat sicher auch einen Beitrag hierzu geleistet. Über die Folgen für strukturschwache Regionen kann man zum jetzigen Zeitpunkt nur spekulieren. Die jetzigen Geberländer profitieren auf jeden Fall von solch einer Regelung.“

Denn die dürfen die Milliarden, die sie bislang aus ihren höheren Steuereinnahmen an die ärmeren Länder überweisen mussten, fortan selbst behalten. Das verschafft gerade den eh schon reicheren Ländern einen neuen Wettbewerbsvorteil.

„Die Bundesregierung hat zu keiner Zeit infrage gestellt, dass die ostdeutschen Länder Unterstützung benötigen. Und zu keiner Zeit hat die Bundesregierung verlauten lassen, dass strukturschwache Länder ab 2020 kein Geld vom Bund erhalten werden“, stellt Schubert nun fest und kritisiert damit noch einmal die immer wieder beschworene Angst der sächsischen Regierung, der Länderfinanzausgleich könnte komplett auslaufen. Immerhin ein Argument, mit dem auch der rigide Personalabbau im Freistaat befeuert wurde. „Der Bund wird nun die armen Länder finanzieren. Damit ist dann auch geklärt, welche Regionen Bittsteller sind und am Tropf der Transferzahlungen hängen.“

Die Entscheidung zum Länderfinanzausgleich steht auf Bundesebene allerdings noch aus.

„Die Länder brauchen die Zustimmung des Bundestages – und zwar mit einer Zweidrittel-Mehrheit“, betont Schubert noch. „Kommt diese nicht zustande, geht nach dem 31. Dezember 2019 alles weiter wie bisher.“

Auskunft der Staatsregierung zum Länderfinanzausgleich auf Anfrage von Franziska Schubert (Grüne) 2015. Drs. 2455

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