Es klang etwas übermütig, wie sich die sächsische SPD auf ihrem Landesparteitag am 22. Oktober für ihre Arbeit in der Landesregierung rühmte. Insbesondere in der Personalpolitik habe man echte Weichenstellungen erreicht, hieß es. Und gleichzeitig steht die Personalpolitik des Freistaats in der Kritik. Wie passt das zusammen? Erklärt hat das erstaunlicherweise die Staatsregierung selbst.

Am 14. September schon. Da hat sie ihren „Stellenentwicklungsbericht der Staatsregierung zum Haushaltsplan 2017/2018“ vorgelegt. Der soll vor allem Zahlen liefern, die die Personalausgaben im neuen Doppelhaushalt 2017/2018 begründen, über den der Landtag gerade debattiert. Aber das Papier macht auch deutlich, wie radikal der Freistaat Sachsen sein Personal seit 1990 abgebaut hat. In den ersten Jahren natürlich bedingt durch den deutlich aufgeblähten Staatsapparat aus der DDR-Zeit. Da war tatsächlich viel Luft im Apparat.

Sogar mehr als tatsächlich an Personal da war. Echte Zahlfälle gab es 1991 noch 147.713, die dann schon drei Jahre später auf ein Personalsoll von 117.409 eingedampft waren. Aber auch unter der Regierung Kurt Biedenkopf wurden mit jeder neuen Legislatur immer neue Einsparprogramme gefahren. Logischerweise stets mit Blick auf die westlichen Bundesländer. Das kann wirklich kein Ministerpräsident im bedürftigen Osten erklären, wenn er viel mehr Personal vorhält als westliche Bundesländer.

Mit Betonung auf „viel“. Aber da beginnt in Sachsen das Dilemma, denn belastbare Vergleichzahlen, welches Bundesland man sich wirklich zum Vorbild nahm und wo man lieber abwich, die gab es die ganze Zeit nicht. Mal war von Bayern die Rede, mal von Niedersachsen. Mal wurde die Polizeistärke einzeln verglichen, mal die der Lehrerschaft. Was schon heftiges Kopfschütteln auslöste, denn dass Sachsen bis 2012 bei überregionalen Schulvergleichen so gut abschnitt, hat auch damit zu tun, dass die Klassen noch nicht so vollgestopft waren wie in NRW oder Berlin und – zumindest bis 2006 – auch noch ein gewisser Puffer an Lehrern da war, weil die Regierung in den 1990er Jahren, als die Schülerzahlen einbrachen, auf Entlassungen verzichtet hatte. Stattdessen hatte man Teilzeitverträge mit den Lehrern ausgehandelt.

Bis 2006 konnte man Stellenstreichungen im Staatsapparat auch tatsächlich noch mit sinkenden Einwohnerzahlen begründen. Was zwar die Landtagsdiskussionen um den weiteren Abbau von Landesbediensteten sehr scharf machte, aber nicht ganz unverständlich. Allein von 1994 bis 1999 wurden weitere 8.900 Landesbedienstete abgebaut – da standen noch 108.502 in den Gehaltslisten. Was die Regierung Biedenkopf nicht davon abhielt, den Kurs auch 1999 bis 2004 weiterzufahren. Die Zahl der Landesbediensteten schrumpfte noch einmal um 10.500 auf nunmehr 97.978.

Das war ein Tempo, das damals schon so manche vorsichtige Zwischenmeldung bedingte: Wo ist die Grenze? Wann hat der Freistaat die Mindestpersonalzahl erreicht? Darauf gab’s damals keine Antwort und später auch nicht.

Auch nicht unter Georg Milbradt, der bis dahin als der eigentliche Sparfuchs der sächsischen CDU galt. Unter ihm wurden von 2004 bis 2009 noch einmal 8.900 Stellen gestrichen. Auch wenn er schon 2008 gehen musste, weil er sich mit der Landesbank völlig verzockt hatte. Sein Erbe übernahm Stanislaw Tillich, dessen Aufgabe es 2009 eigentlich gewesen wäre, die Stellenausstattung des Freistaates zu untersuchen. Kein Bundesland nimmt 20 Jahre lange solche Schrumpfungsprogramme hin, ohne dass das Folgen für die Arbeitsfähigkeit des Ganzen zur Folge hat.

Denn geschrumpft wurde ja nicht durch Entlassungen, sondern durch Unterlassung von Neuanstellungen. Der gesamte Staatsapparat bekam in den 20 Jahren zu wenig Nachwuchs – die verbliebenen Bediensteten wurden immer älter. Heute ist der komplette Staatsapparat überaltert und bei Polizei und Lehrern bekommt die beratungsresistente Staatsregierung schon mit, dass man auf einmal ein Riesenproblem hat, überhaupt noch Neueinsteiger zu rekrutieren, die die nötigen Voraussetzungen mitbringen.

Und was tat Stanislaw Tillich 2009?

Er verkündete ein noch viel rigoroseres Kürzungsprogramm, auch wenn er es in der Regierungsperiode mit der FDP noch nicht umsetzen konnte. Da galt zum größten Teil noch, was noch mit der SPD vereinbart worden war: ein gebremstes Abschmelzen von 88.552 Staatsbediensteten im Jahr 2009 auf 85.543 im Jahr 2014. Was immer noch 3.000 Stellen bedeutete, die wegfielen.

Übrigens: 3.000 Stellen zu viel.

Denn in diese Zeit fällt auch die schnöde Tatsache, dass der Freistaat nicht mehr weiter schrumpfte. Der Arbeitsmarkt war angezogen, die jungen Leute blieben im Land, das Bevölkerungsminus schrumpfte auf ein Nichts zusammen. Nur die Prognosen des Statistischen Landesamtes verhießen immer noch ein Wegschrumpfen der Sachsen. Man lag völlig daneben.

Aber es ist ja nicht das Statistische Landesamt, das ermitteln muss, ob die Personalausstattung noch funktioniert, sondern die Staatsregierung selbst. An dem Zeitpunkt, als die Politik korrigiert werden musste, preschten die CDU-Minister einer nach dem anderen nach vorn und verkündeten: weitere Kürzungsprogramme. Erst Markus Ulbig, der Innenminister, mit seiner „Polizeireform 2020“, dann die Wissenschaftsministerin Sabine von Schorlemer mit ihrem Stellenkürzungsprogramm für die Hochschulen. Roland Wöller, der Kultusminister, preschte 2012 nicht nach vorn, sondern trat zurück, weil er in seinem Laden zusehen konnte, wie die Basis erodierte.

Stanislaw Tillich, der Ministerpräsident, aber übersah die Zeichen der Zeit lieber, sondern setzte sein 2009 verkündetes Programm munter fort. Übrigens bis heute. Denn die Weichen für den Doppelhaushalt 2015/2016 wurden alle noch vor der Landtagswahl 2014 gestellt. Was für 2015 und 2016 einen weiteren Personalrückgang um 790 bedeutet – und zwar trotz aller Korrekturen, die die SPD durchsetzen konnte.

Wie weit die Tillich-Regierung übers Ziel hinausgeschossen ist, machen die Zahlen im Kultusministerium sichtbar, wo 2012 bekanntlich schon die Grenze der Belastbarkeit erreicht worden war. Doch 2015 verlor der Freistaat noch einmal 1.667 Lehrkräfte gegenüber 2014. Was ja genau das bedingt, was Sachsens Schüler in diesem Schuljahr als Flickwerk erleben. Erst 2016 ist der Lehrerverlust mit – 3 scheinbar fast gestoppt. Wenn man aber weiß, dass Kultusministerin Brunhild Kurth (CDU) gar nicht alle ausgeschriebenen Stellen besetzen konnte und von den anderen über die Hälfte nur mit Seiteneinsteigern, dann ist auch diese „-3“ hinfällig und es wird am Jahresende mindestens eine dreistellige Zahl verlorener Lehrer dastehen.

Um den Aspekt nicht zu vergessen: Auch Polizisten hat Sachsen ja weiter eingebüßt. 2015 waren es 839, im laufenden Jahr werden es noch einmal 185 sein. Und was Justizminister Sebastian Gemkow  (CDU) in seinem Bereich erlebt, ist ebenfalls ein anhaltender Aderlass: 2015 gingen 819 Richter, Staatsanwälte, Justiz- und Justizvollzugsbeamte verloren, 2016 sind es noch einmal 47. Und ob es dem Freistaat gut tut, dass auch im Bereich des Finanzministeriums weitere 326 Stellen verloren gingen, darf bezweifelt werden.

Diese Streichungen ausgerechnet in der Tillich-Zeit gingen ans Eingemachte und haben Strukturen ramponiert, die mittlerweile das Funktionieren des Staatsapparates gefährden.

Denn alles, was nun mit dem Doppelhaushalt 2017/2018 als Reparatur beschlossen werden wird, wird erst in vier, fünf Jahren tatsächlich beginnen zu greifen. Denn zuerst wirkt sich das Geplante auf die einzustellenden Auszubildenden aus. In der Zeit der CDU/FDP-Regierung wurden die Ausbildungsstellen im sächsischen Staatsdienst auf unter 1.000 eingedampft. Dass das nicht reicht, um einen Staatsapparat mit 85.000 Bediensteten lebendig zu erhalten, kann selbst Lieschen Müller ausrechnen. Kein Staatsdiener dient 85 Jahre.

Erst 2015 wurde dieser verantwortungslose Zustand beendet und die Zahl der Ausbildungsverhältnisse wurde auf 4.200 angehoben.

Was das Abschmelzen im Staatsapparat noch nicht beendete.

Ende 2016 wird ein Negativrekord von 84.753 erreicht, wahrscheinlich sogar weniger. Erst 2017 wird die langsame Erholung des Staatsapparates beginnen, wenn die Zahl planmäßig auf 85.976 steigen sollte, 2018 dann auf 86.392. Was noch nicht ganz wieder die Zahl von 2011 ist, als der Personalmangel sich schon flächendeckend bemerkbar gemacht hat. Aber um die blanke Zahl geht es eher nicht.

Die Zahlen zeigen, dass Sachsen eigentlich am Punkt der Konsolidierung ist. Aber keiner weiß, wie der konkret aussieht: Die Ministerien haben einfach keine belastbaren Personalentwicklungspläne. Erst wenn die vorliegen, kann man sagen, ob 87.000 oder 88.000 Staatsbedienstete ausreichen oder ob es tatsächlich 90.000 oder mehr sein müssten.

Anmerkung zur Grafik: Die in der Grafik Rot eingezeichneten Stellen aus dem Plansoll C umfassen „Stellen der Staatsbetriebe, Hochschulen und vergleichbarer Einrichtungen“, hellblau sind die Auszubildenden ausgewiesen, dunkelblau die eigentlichen Angestellten und Beamten im Staatsdienst, darunter auch Lehrer, Polizisten, Finanz- und Justizbedienstete.

Der Stellentwicklungsbericht für den Doppelhaushalt 2017 / 2018.

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