Wer auf der Website des Freistaats Sachsen das Suchwort „stark“ eingibt, wird verblüfft sein: Er ertrinkt in Meldungen und Nachrichten, in denen es von Kraftprotzerei nur so wimmelt. Da wird gestärkt, was das Zeug hält, Stärken werden beschworen, alles Mögliche bestärkt und bekräftigt. Und irgendwann hat man sich dann auch zum „Maßnahme-Paket für ein starkes Sachsen“ durchgewühlt.

Vielleicht ist Friedrich August I. von Sachsen schuld, den die Untertanen später den Starken nannten. Oder der starke Kaffee, mit dem da in Dresden gekämpft wird. Jedenfalls steckt das Wort in lauter Nachrichten, die eigentlich von ganz einfachen Dingen berichten: Empfängen, Preisverleihungen, Kabinettberatungen oder auch mal Katzendreckgestank überm Mittelgebirge. Irgendjemand glaubt da, eine starke Wortwahl würde das Ganze ein bisschen aufbrezeln und den Sachsen vielleicht den Eindruck vermitteln, dass das Ländchen gerade dabei ist, alle Wettbewerbe zu gewinnen.

Es steckt auch ein Impuls von Tatendrang darin. 25 Jahre hat man den Einwohnern des Ländchens erzählt, dass Sachsen ein im Wettbewerb immerfort erfolgreiches Land ist. Da  kann man kein Schwächeln zulassen und keine Schwäche zeigen. Und so schnürte man, als dann 2015 und 2016 im Land die Brände loderten und die eingeborenen Nazis ihren Hass auf alles Fremde mit Gewalt demonstrierten, flugs ein Paket, mit dem man zeigen wollte, dass man das Heft des Handelns noch in der Hand hatte und entsprechend wirksam und sofort reagieren konnte.

Am 4. März beschloss das Regierungskabinett das Maßnahmepaket, von dem man eigentlich denken sollte, dass lauter Maßnahmen drin stehen würden, die sofort und nachdrücklich helfen würden gegen die gewalttätigen Umtriebe der Menschenfeinde.

Entsprechend umfassend hatte ja die Regierung das Vorhaben beschrieben: „Demokratie ist nicht selbstverständlich, sondern muss ständig aktiv gelebt und auch gegen vielfältige Bedrohungen verteidigt werden, heißt es in dem Kabinettsbeschluss. Die Probleme anzugehen, sei eine gemeinsame Aufgabe von Staat und Bürgern. Beschimpfungen und Beleidigungen von Flüchtlingen, brennende Asylbewerberheime sowie Angriffe auf Schutzbedürftige, auf ehrenamtliche Helfer, auf Polizisten oder Verantwortung tragende Politiker verletzen unsere Werte, beschädigen unsere Aufbauleistung und beschämen die Mehrheit der Sachsen.“

Beim näheren Hinschauen standen aber lauter Maßnahmen in dem Papier, die sowieso schon beschlossen waren, die meisten eher präventiv, also keineswegs sofort wirksam gegen die gewalttätigen Übergriffe. Und was wirklich an harten und nachhaltigen Maßnahmen drin stand, war sowieso nur langfristig umsetzbar – und auch noch völlig ungenügend.

Und daran hat sich auch ein halbes Jahr später nichts geändert.

Die Grünen haben sich die ganze Liste noch einmal vorgenommen und ziehen eine ernüchternde Bilanz.

„Nach reichlich einem halben Jahr ist von einer Veränderung in Sachsen noch wenig zu spüren“, stellt Volkmar Zschocke, Vorsitzender der Grünen-Fraktion, fest. „Die Umsetzung des Pakets ist völlig unzureichend. Wirksamer könnte das Maßnahmenpaket werden, wenn die alte CDU-Strategie der Beschwichtigung und Relativierung in Behörden und Politik in Sachsen endlich ein Ende haben würde. Die Staatsregierung geht das Thema Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen immer noch nicht mit der notwendigen Entschlossenheit an.“

Und von einer kurzfristigen Wirksamkeit der Maßnahmen könne auch keine Rede sein.

„Von der im März für das Jahr 2016 angekündigten zusätzlichen Million für politische Bildungsarbeit wurden bis Mitte September gerade einmal 141.000 Euro ausgezahlt – und das allein an die Landeszentrale für politische Bildung“, kritisiert Zschocke. „Die im März angekündigte Stärkung von Dialogformen entpuppt sich als Altbekanntes. Bei neuen Formaten zur Bürgerbeteiligung verweist die Staatsregierung ausgerechnet auf die Veranstaltungen des Kultusministeriums zur Schulgesetznovelle. Doch dort fanden die vielfältigen Anregungen von Eltern praktisch keinen Eingang in den Entwurf der Staatsregierung zum Schulgesetz.“

Was Sachsen dann an Dialog auf die Reihe brachte, verpuffte also mehr oder weniger, war auch nie besonders ernsthaft durchdekliniert. Nach Verkündung des Pakets verfiel die Regierung wieder in ihr übliches Schweigen.

„Zu begrüßen ist die klare Aussage von Staatskanzleichef Dr. Fritz Jaeckel, die Staatsregierung werde bei Dialogveranstaltungen ‚keinesfalls diskriminierende oder menschenverachtende Äußerungen dulden‘. Wir erwarten, dass sich andere Institutionen des Freistaats wie die Landeszentrale für politische Bildung, aber auch der Kreise und Kommunen diese Linie auch in der Praxis umsetzen. Dies war in der Vergangenheit nicht immer so“, sagt Zschocke. Aber die Analyse der Grünen zeigt, dass die Maßnahmen eh nicht allzu beherzt umgesetzt werden.

Stärkung der politischen Bildungsarbeit? – „Unausgegoren“, stellen die Grünen fest: „Im Bereich politische Bildung, Demokratie und Weltoffenheit zeigt sich die jahrelange Untätigkeit CDU-geführter Landesregierungen. Zwar soll mehr Geld verteilt werden, aber bis dato ist nur ein sehr geringer Teil des Geldes auch ausgereicht. Bereitschaft zur Weiterentwicklung von Konzeptionen sind bislang nicht erkennbar.“

Viel lieber setzt die Landesregierung ihr Schönwetter-Marketing mit dem Slogan „So geht sächsisch“ fort.

Das wird so nie funktionieren und auch nur zu streitbarer Auseinandersetzung mit den agilen Feinden der Demokratie führen.

Nur die Pläne der Integrationsministerin Petra Köpping findet Zschocke im Ansatz zielführend: „Der Sieben-Punkte-Plan zur Verbesserung des Integrationsprozesses der Asylsuchenden und Geflüchteten in Sachsen enthält gute Ansätze. Integration funktioniert in der demokratischen Gesellschaft nur durch engagiertes Zusammenwirken von Zivilgesellschaft und örtlichen und regionalen Behörden. – Mehr professionelle Sprachkurse von Anfang an sowie berufsnahe Sprachorientierung könnten den für die Integration so elementaren Berufseinstieg weiter befördern.“

Dumm nur, dass der Sieben-Punkte-Plan in großen Teilen noch immer in der Finanzierungsschleife festhängt.

Und dann waren ja da noch die längst überfälligen Beschlüsse, die erst einmal die von der vorigen Staatsregierung verursachten Schäden beseitigen sollten: mehr Polizisten und mehr Justizangestellte.

„Viel zu spät und immer noch halbherzig ist die Antwort der Staatsregierung auf die Personalmisere bei Polizei und Justiz. Die nun vorgesehene Einstellung von 600 Polizeianwärtern jährlich reicht nicht aus; erforderlich sind mindestens 200 weitere pro Jahr“, sagt Zschocke. „Bei der Justiz stellt sich das Problem ähnlich dar. Für falsch halten wir die angekündigte Stärkung des Landesamtes für Verfassungsschutz. Hat sich doch dieses Amt hinsichtlich rechtsextremistischer und fremdenfeindlicher Ausschreitungen wiederholt überrascht gezeigt und somit als unfähig erwiesen.“

Denn immer dann, wenn eigentlich das Landesamt für Verfassungsschutz warnen sollte, hat es versagt. In der Einschätzung der Grünen ein völlig überflüssiges Amt.

„Das Landesamt für Verfassungsschutz ist in seiner jetzigen Struktur eine unfähige Behörde. Der sächsische Verfassungsschutz zeigte sich bei etlichen rechtsextremistischen und fremdenfeindlichen Ausschreitungen – zuletzt in Bautzen – überrascht und hat somit nichts zur öffentlichen Sicherheit im Freistaat beigetragen.“

Womit diese kleine Analyse eigentlich zeigt, dass dem „Maßnahmepaket für ein starkes Sachsen“ kein Konzept, kein belastbares Ziel und auch keine Fehleranalyse zugrunde gelegt wurden. Man hat nur schnell alles zusammengefegt, was irgendwie in die Richtung vermarktbar war und markige Formeln wie „Stärkung der Inneren Sicherheit“ hineingeschrieben. Da fühlt man sich schon sehr an Pippi Langstrumpfs Begegnung mit dem starken August auf dem Rummelplatz erinnert. Kämen in der Geschichte nicht auch noch die beiden Polizisten Kling und Klang vor, man könnte sich glatt an Sachsen erinnert fühlen.

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Keine Kommentare bisher

So ein “Fakten-Check” für viele Sachsenthemen würde mir hier auch ganz gut gefallen.
Gern sonnen sich unsere Landespolitiker in starken Sprüchen, Feststellungen und Versprechungen.
Doch wie sieht es dann tatsächlich aus…?

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