Wann sollte man die Fragen zu Kosten und Aufwand stellen, wenn nicht vorher, bevor ein wahrscheinlich millionenteures Projekt wie das Gemeinsame Kompetenz- und Dienstleistungs-Zentrum auf dem Gebiet der polizeilichen Telekommunikationsüberwachung der Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Berlin und Brandenburg (GKDZ) umgesetzt wird. Im Dezember hatten die Grünen die Staatsregierung dazu befragt. Antwort: eher heiße Luft.
Die Antworten hatte Innenminister Markus Ulbig (CDU) im Januar formuliert. Aber den meist sehr konkreten Fragen, was von den veranschlagten 15,8 Millionen Euro wie bezahlt werden sollte und wie die konkrete Telekommunikationsüberwachung dann aussehen sollte, wich er aus. Was die Summe von 15,8 Millionen erst recht fragwürdig macht. Denn wenn die beteiligten Bundesländer nicht mal wissen, wie die IT-Struktur zur Überwachung aussehen soll, was das GKDZ alles leisten soll und wie es personell ausgestattet wird, kann auch kein Mensch die Kosten beziffern.
Es sei denn, irgendjemand weiß schon, was man zu welchem Zweck alles braucht. Aber der Frage wich Ulbig aus. Er erklärte nur: „Die für den Entscheidungsprozess erforderlichen Dokumente und Konzepte wurden durch die AG TKÜ unter Einbeziehung externer Fachmeinungen erarbeitet. Insbesondere die Entwürfe des Staatsvertrages (StV-E), des Verwaltungsabkommens ‚Zahlungsverkehr‘ sowie zum Vorgehensmodell zur Errichtung des GKDZ wurden den Innenstaatssekretären vorgelegt und durch diese im Oktober 2015 zustimmend zur Kenntnis genommen.“
Erst wenn sich die Länderregierungen geeinigt haben, soll dann das fertige Konzept zur Abstimmung in die Landtage gehen und damit sollen dann auch die Abgeordneten erfahren, was drinsteht.
Aber dieses Spiel hinter den Kulissen – ohne zu wissen, was am Ende tatsächlich geplant ist – wollen die sächsischen Grünen nicht mitspielen. Die Grünen-Fraktion will die geplante länderübergreifende Telekommunikationsüberwachungsstelle stoppen und hat dazu einen entsprechenden Antrag in den Landtag eingebracht, der am Donnerstag, 29. September, auf der Tagesordnung der Plenarsitzung des Sächsischen Landtages steht.
Denn Geld für den Start des Überwachungszentrums steht ja wieder im nächsten Haushaltsentwurf. Die Abgeordneten sollen also wieder Geld für ein Projekt bereitstellen, von dessen Inhalt sie nichts erfahren.
„Erneut sind für die Umsetzung dieses Projektes 4,2 Millionen Euro im Haushaltsentwurf vorgesehen, ohne dass das Parlament ansatzweise Informationen zum Planungsstand, zu den wirtschaftlichen und juristischen Folgen dieses Überwachungszentrums hat“, bemängelt Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Fraktion. „Bereits bei den Beratungen zum letzten Doppelhaushalt haben wir Grünen diese Verfahrensweise kritisiert, weil Abgeordnete Mittel für ein Projekt beschließen sollen, über das sie keinerlei Kenntnis haben.“
Ein wenig Licht ins Dunkel dieses insgesamt 15,8 Millionen Euro teuren Projekts habe erst der Entwurf des Staatsvertrages für dieses Überwachungszentrum gebracht, der im März 2016 auf Netzpolitik.org geleakt wurde.
„Unsere erheblichen datenschutzrechtlichen Bedenken an der Errichtung dieses Zentrums haben sich danach bestätigt“, stellt Lippmann fest. „Wir kritisieren, dass das Überwachungszentrum nicht nur eine technische Bündelung der Telekommunikationsüberwachung vorsieht, sondern auch einen Thinktank, der eine Forschungsstelle auf dem Gebiet werden soll. Kritisch sind auch die unbestimmten Aufgaben und Zwecke, die dieses Zentrum erfüllen soll. Die Formulierungen des Staatsvertrages sind derartig lasch, dass auch Kryptoforschung und die Nutzung stiller SMS möglich sind. Auch wesentliche Regelungen zur Übermittlung von Daten an Dritte oder die sichere Trennung der Daten der jeweiligen Bundesländer – die ja alle auf unterschiedlicher Grundlage erhoben werden – enthält der Staatsvertrag nicht.“
Jetzt sei noch die Gelegenheit, das kryptische Projekt zu stoppen, bevor wieder einmal Steuergelder in Millionenhöhe ohne nachvollziehbaren Nutzen versenkt werden.
„Ich fordere die Staatsregierung nochmals auf, das Planungsvorhaben zu stoppen“, sagt Valentin Lippmann. „Noch sind keine Gelder dafür abgeflossen, ein Stopp täte also auch dem Steuerzahler nicht weh.“
In eigener Sache – Eine L-IZ.de für alle: Wir suchen „Freikäufer“
Leser fragen, wir antworten: Was kostet die Herausgabe der L-IZ.de? Warum 1.500 Abos?
Keine Kommentare bisher