In den letzten Tagen haben sich die sächsischen Anzugträger wieder gegenseitig auf die Schultern geklopft, als sie die Fördermillionen für den Breitbandausbau in Sachsen ausreichten, beantragten oder entgegennahmen. Da verblüfft es den innenpolitischen Sprecher der Linksfraktion im Landtag, Enrico Stange, schon gewaltig, dass der Freistaat seine Polizisten mit einem fußlahmen Internet agieren lässt.
„Die Absichtserklärung der CDU-SPD-Regierung, bis zum Jahr 2018 eine flächendeckende Internet-Breitbandversorgung mit 50 Mbit/s zu verwirklichen, ist bereits in den Koalitionsverträgen von Land und Bund verankert und somit zwar nicht neu, aber umso dringlicher. Hoffentlich gilt dieses Ziel auch für die sächsische Polizei!“, schlägt Stange den Bogen vom ausgebrochenen Geschwindigkeitsrausch, der Sachsens Heiden und Wälder ganz bestimmt in ein neues Silicon Valley verwandeln wird, hin zum fußlahmen Internetzugang der Polizei. Es soll ja auch Regierungsmitglieder geben, die felsenfest daran glauben, dass der Breitbandausbau in den ländlichen Regionen all das wieder reparieren kann, was sie mit ihrer „Demografie“-Politik erst alles ins Rutschen gebracht haben.
Aber wie sehr sie in Wirklichkeit die staatlichen Infrastrukturen in den Regionen heruntergespart haben, zeigt auch die Internetausstattung der Polizeistationen.
Enrico Stange: „Gegenwärtig kennen die Beamten der Polizei Übertragungsraten von 50 Mbit/s meistens nur vom Hörensagen. So musste Innenminister Ulbig jüngst auf meine Kleine Anfrage zur EDV-Infrastruktur der Polizei einräumen, dass die Polizeireviere mit 2 bis 5 Mbit/s und Polizeiposten gar nur mit 0,6 Mbit/s ans Internet angeschlossen sind. Weiter ist in der Antwort zu lesen: „Über diese Anbindungen wird im Wesentlichen der Daten- und Sprachverkehr der jeweiligen Dienststelle abgewickelt.“
Zum Vergleich: Privatkunden wird von Anbietern für solche Anwendungen eine Mindestübertragungsrate von 16 Mbit/s empfohlen.
In dieses Bild passen auch die mit 2 GB viel zu gering ausgestatteten Arbeitsspeicher und die veralteten Betriebssysteme „Windows Vista“ und der Microsoft Internet-Explorer 9, mit denen die Dienstcomputer der Polizei ausgestattet sind. „Windows Vista“ war von 2007 bis 2009 auf dem Markt.
„Man kann also mit Fug und Recht sagen, dass die flächendeckende EDV-Infrastruktur der sächsischen Polizei auf dem Stand von vor zehn Jahren stehengeblieben ist“, zieht Enrico Stange sein Resümee aus der Anfrage. „Vor diesem Hintergrund erscheint die Aussage des Sächsischen Innenministers in ganz neuem Lichte, dass es keiner anlassunabhängigen Recherchen im Internet zur Verhinderung schwerer rassistischer und Hass-Straftaten bedarf, weil ‚das Internet […] bereits seit vielen Jahren von den Dienststellen der sächsischen Polizei zu Recherchezwecken und als eine von vielen Erkenntnisquellen im Rahmen der täglichen Sachbearbeitung – also als Teil strafrechtlicher Ermittlungen, der Lagebeurteilung und der Gefahrenabwehr – genutzt‘ wird. Es stellt sich eher die Frage, wie diese Arbeit bei der gegenwärtigen EDV-Ausstattung und Internetanbindung aussehen soll?“
Da ist schon verblüffend, dass der zuständige Minister lieber auf technische Spielereien wie BodyCams oder das Vorhersageprogramm PreCops setzt, statt für eine ordentliche IT-Grundausstattung zu sorgen. Diese müsse endlich zeitgemäß aufgerüstet werden, fordert Stange. Dann macht vielleicht auch mal die sächsische Strategie gegen Cyber-Kriminalität Sinn.
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