Im Sommer und Herbst kochte die Angst hoch in Sachsen. Im Fernsehen überschlugen sich Politiker und Moderatoren in Horrorszenarien zur Flüchtlingsproblematik. Innenminister setzten noch eins drauf. Pegida & Co. schürten die Emotionen noch weiter. Angst bedeutet aber auch, dass mehr Menschen versuchen, an Waffen und Waffenberechtigungen zu kommen. Jetzt hat Valentin Lippmann die Entwicklung in Sachsen mal in eine Tabelle gemalt.
Abgefragt hat er die Zahlen in mehrfachen Kleinen Anfragen bei der sächsischen Regierung. Und auch mit dem Beginn des Jahres 2016 scheint der Drang zur Waffe nicht nachzulassen, obwohl die Flüchtlingszahlen regelrecht eingebrochen sind.
Insbesondere die Zahl der Kleinen Waffenscheine, die in Sachsen im Umlauf sind, ist explodiert, stellt Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, fest.
„Die Zahl von Waffen und der waffenrechtlichen Erlaubnisse in Sachsen steigt weiter in besorgniserregender Weise an. Gerade die regelrechte Explosion der Zahl der Kleinen Waffenscheine, die im Freistaat innerhalb weniger Monate ausgegeben wurden, ist alarmierend. Ein diffuses Unsicherheitsgefühl und durch Teile der Politik geschürte Ängste scheinen die Bürgerinnen und Bürger immer mehr in die Selbstbewaffnung zu treiben“, kommentiert er diesen Ansturm. Irgendwie scheinen etliche Sachsen das Gefühl zu haben, sie könnten ihren Ängsten nur dadurch begegnen, dass sie sich irgendwie in den Besitz einer Waffe bringen. Und die Landesregierung schaut nur zu, hält auch nichts von vermehrten Kontrollen.
„Jede Waffe ist ein potenzielles Risiko, gerade wenn sie zu Hause aufbewahrt wird. Dass auch weiterhin immer mehr Sachsen Schusswaffen besitzen wollen und die dafür notwendigen Voraussetzungen erfüllen, ist vor diesem Hintergrund beunruhigend. Der weiteren Bewaffnung der sächsischen Bevölkerung muss dringend Einhalt geboten werden“, sagt Lippmann. „Wir Grünen fordern eine restriktive Handhabung der waffenrechtlichen Erlaubnisse, insbesondere durch eine sehr genaue Prüfung der Zuverlässigkeit der Personen, die mit Waffen umgehen wollen. Waffen gehören nicht in die Hände psychisch labiler Menschen, Rechtsextremer und sog. Bürgerwehren. Dafür und auch für die korrekte Aufbewahrung von Waffen brauchen wir in Sachsen endlich mehr Kontrollen. Das Kontrolldefizit der Waffenbehörden ist viel zu groß. In einigen Landkreisen stagnieren die Zahlen der Waffenkontrollen auf unhaltbar niedrigem Niveau, während gleichzeitig die Zahl der Waffen durch die Decke schießt. Diese Spirale einer immer schlechter werdenden Kontrollfunktion muss schnellstmöglich durchbrochen werden. Hierzu fehlt es derzeit an allen Ecken und Enden an Personal.“
Die Anzahl der Schusswaffenbesitzer ist von Dezember 2015 bis Mai 2016 von 26.515 auf 27.561 gestiegen. Die Zahl der Personen im Besitz einer waffenrechtlichen Erlaubnis in Sachsen ist allein in den letzten fünf Monaten von insgesamt 34.915 (Dezember 2015) auf 39.173 (Mai 2016) gestiegen. Das ist ein Anstieg um über 12 Prozent. In 2014 zu 2015 lag der jährliche Anstieg noch bei fünf Prozent.
Ein noch eklatanteres Bild – so Lippmann – ist bei den sogenannten Kleinen Waffenscheinen zu verzeichnen: Die Anzahl stieg von Dezember 2015 bis Mai 2016 um über 50 Prozent von 8.293 auf insgesamt 12.472 Erlaubnisse. Allein in den ersten fünf Monaten des Jahres 2016 wurden über 4.000 kleine Waffenscheine neu ausgestellt. Diese berechtigen zum Führen von frei verkäuflichen Signal-, Reizstoff- und Schreckschusswaffen. In den Landkreisen Zwickau und Sächsische Schweiz-Osterzgebirge lag der Zuwachs sogar bei über 70 Prozent.
Da kann man dann fragen: Ist das das Ergebnis einer durchwachsenen sächsischen Polizeipolitik? Spiegeln sich hier die verbalen Eiertänze auf fremdenfeindlichen Kundgebungen und in asozialen Netzwerken? Oder hat man es hier schon mit einer verstärkten Panik von Leuten zu tun, die sich in sächsischen Provinzen besonders verloren und schutzlos fühlen?
Denn entgegen dem bundesweiten Trend ist auch die Anzahl registrierter Schusswaffen in Sachsen in den letzten anderthalb Jahren um 4,7 Prozent von 138.692 Schusswaffen im Dezember 2014 auf 145.209 im Mai 2016 angestiegen.
Zudem streben immer mehr sächsische Bürgerinnen und Bürger den Besitz von Schusswaffen an. Dies könne man – so Lippmann – an der Anzahl der abgelegten Sachkundeprüfungen – als Voraussetzung zur Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis – ablesen. Allein im ersten halben Jahr 2016 wurden insgesamt 573 solcher Prüfungen bei Schießsportvereinen abgelegt. Das sind bereits zum jetzigen Zeitpunkt so viele wie im gesamten Jahr 2015.
Die Anfrage von Valentin Lippen zu Waffen in Sachsen. Drs. 5404
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