Was können Gemeinden in den sächsischen Regionen eigentlich tun, wenn das verfügbare Geld nicht (mehr) reicht, um einen beschlussfähigen Haushalt vorzulegen? Das ist kein neues Thema in Sachsen. Aber es wird immer drängender. Denn die Zahl der Gemeinden, die es kaum noch schaffen, auch nur mit Hängen und Würgen einen Haushalt aufzustellen, wächst. Sogar zwei Landkreise stehen zur Jahreshälfte ohne beschlussfähigen Haushalt da.

Und da ist von Genehmigung noch keine Rede. Denn wenn ein Kreistag oder ein Gemeinderat beschlossen hat und zumindest aus deren Sicht Ausgaben und Einnahmen in Deckung sind, muss der Haushalt immer noch von der Genehmigungsbehörde bestätigt werden. Die legt zumeist deutlich strengere Maßstäbe an und gibt die Genehmigung oft nur mit Auflagen, die die betroffenen Kommunen zwingen, entweder ein weiteres Einsparprogramm aufzulegen oder gar den Verkauf von Eigentum zu prüfen.

Wäre da nicht das Problem, dass alle sächsischen Kommunen schon viele solcher Stabilisierungsrunden hinter sich haben und dabei auch ans Eingemachte gegangen sind. Da gibt es oft gar keine „Reserven“ mehr. Eine über Jahrzehnte praktizierte Austeritätspolitik zeigt, wo man landet, wenn man alles „Überflüssige“ verkauft und eingespart hat. So fremd ist sächsischen Kommunen das Dilemma von Griechenland gar nicht.

Der kommunalpolitische Sprecher der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, André Schollbach, fragt deshalb seit geraumer Zeit beharrlich bei der Landesregierung nach. Mittlerweile im Monatstakt. Denn schon 2015 war absehbar, dass es viele sächsische Kommunen nicht wieder schaffen werden, zeitnah einen belastbaren Haushalt aufzustellen. Der Landesrechnungshof sah das Problem schon 2012 anwachsen. Im Mai diskutierten noch 152 Gemeinden über ihre Haushalte für 2016. Manche mit Hochdruck, um den Beschluss wenigstens noch vor den Sommerferien hinzubekommen und wenigstens im Herbst mit einem Genehmigungsbescheid rechnen zu können.

Nicht alle haben es geschafft, stellt André Schollbach nun fest.

Im Freistaat Sachsen waren zum 30. Juni 2016 insgesamt 58 Gemeinden (darunter Görlitz, Dippoldiswalde, Döbeln, Königsbrück und Niesky) sowie zwei Landkreise (Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und Vogtlandkreis) noch immer ohne Haushalt – und dies, obwohl das erste Halbjahr bereits abgelaufen ist, zieht er jetzt die Bilanz für dieses Kämpfen um jeden Euro. Und die Anfrage bei der Staatsregierung macht auch deutlich, dass einige Regionen in Sachsen besondere Probleme haben, überhaupt noch eine darstellbare Eigenfinanzierung auf die Beine zu bringen. In negativer Hinsicht fallen insbesondere der Erzgebirgskreis (13 Gemeinden ohne Haushalt) sowie der Landkreis Bautzen (17 Gemeinden ohne Haushalt) auf.

Gemäß § 76 Absatz 2 der Sächsischen Gemeindeordnung ist die Haushaltssatzung vom Gemeinderat in öffentlicher Sitzung zu beraten und zu beschließen. Die vom Gemeinderat beschlossene Haushaltssatzung ist der Rechtsaufsichtsbehörde vorzulegen. Sie soll ihr spätestens einen Monat vor Beginn des Haushaltsjahres vorliegen.

Sechs Monate drüber sind also kein Verzug mehr, sondern eine haushalterische Katastrophe.

„Das erste Halbjahr 2016 ist bereits Geschichte, aber viele Kommunen haben immer noch keinen beschlossenen Haushalt“, betont André Schollbach. „Dieser Umstand verdeutlicht, dass es bei den Kommunalfinanzen zum Teil erhebliche Probleme gibt. Vielfach reichen die vorhandenen Gelder für die Erfüllung wichtiger kommunaler Aufgaben nicht aus. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass durch den Staat immer wieder Aufgaben auf die Kommunen abgewälzt werden, ohne die dafür erforderlichen Finanzmittel bereitzustellen.“

Aber nicht nur die von ihm genannten Landkreise mit einer besonders hohen Zahl betroffener Gemeinden fallen auf. Es gibt auch zwei Landkreise, die selbst noch keinen Beschluss zum Haushalt hinbekommen haben: Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und Vogtlandkreis. Nicht ganz zufällig Kreise, in denen besonders viele fremdenfeindliche Vorfälle verzeichnet wurden. Denn das Gefühl, das sich da austobt an anderen Schwächeren, hat ja mit einer überall spürbaren finanziellen Misere zu tun. Die tragende Wirtschaft fehlt und damit die notwendigen zusätzlichen Einnahmen, um auch wieder regionale Strukturen zu stärken. Das ist der Boden, auf dem Frustration wächst.

Aber selbst im eigentlich besser gestellten Umfeld der Großstädte tun sich einige Gemeinden schwer, ihre Haushalte aufgestellt zu bekommen. In der Antwort von Innenminister Markus Ulbig (CDU) tauchen auch die leipzignahen Gemeinden Borsdorf, Grimma, Kohren-Sahlis, Naunhof, Otterwisch und Pegau auf.

Eine Aufgabe der sächsischen Landesregierung wäre eigentlich nun eine zielgenaue Stabilisierung der Finanzierungsstrukturen gerade da, wo Landkreise und Kommunen nicht mehr aus eigener Kraft aus der Bredouille kommen.

Antwort der Sächsischen Staatsregierung auf die Kleine Anfrage von André Schollbach zum Stand Juni.

André Schollbachs Anfrage zum Stand Mai 2016. Drs. 5055

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