Richtig stolz zeigte sich Albrecht Pallas, Sprecher für Wohnungsbau und Stadtentwicklung der SPD-Fraktion, am Mittwoch, 22. Juni: „Mit dem heute beschlossenen Antrag der Koalitionsfraktionen findet ein notwendiger Paradigmenwechsel in der Wohnraumförderung statt. Nach über 10 Jahren führen wir wieder eine Zuschussförderung für den sozialen Wohnungsbau im Bereich Neubau und Sanierung ein. Dadurch können wir bezahlbaren Wohnraum erhalten und neu schaffen.“
Tatsächlich fängt Sachsen aber nach 15 Jahren sehr zaghaft wieder an, sozialen Wohnungsbau zu fördern, auch wenn der Antrag von CDU und SPD außerdem festlegt, dass die zusätzlichen Mittel vom Bund für die Wohnraumförderung bis 2019 zweckgebunden für den sozialen Wohnungsbau eingesetzt werden.
„Um der Verknappung von bezahlbarem Wohnraum in den Ballungsräumen zu begegnen und den demografischen Wandel auch auf dem Wohnungsmarkt zu begleiten, müssen wir als Freistaat Sachsen handeln. Gemeinsam mit der Staatsregierung legen wir den Hebel beim Sozialen Wohnungsbau jetzt um“, so Pallas.
Umso erstaunlicher klang da die Aussage des wohnungsbaupolitischen Sprechers der CDU-Fraktion, Oliver Fritzsche: „Für die CDU ist die Schaffung von bezahlbarem und altersgerechtem Wohnraum besonders wichtig.“
Da fragt man sich eigentlich, warum es dann nicht schon seit Jahren umgesetzt wurde. Die 59 Millionen Euro, die Sachsen genau für diesen Zweck bekommt jedes Jahr, sind aber in völlig andere Bereiche geflossen.
Was die linke Landtagsabgeordnete Juliane Nagel den so schwer beweglichen Landeswohltätern unter die Nase rieb: „Es ist schon merkwürdig, wenn die schwarz-rote Koalition sich feiert, dass sie in einem überaus vorsichtig und unkonkret formulierten Antrag ankündigt, Bundesmittel für das zu verwenden, wofür sie auch gedacht sind. Sachsen ist bundesweit Schlusslicht in Sachen sozialer Wohnraumförderung. 2013 waren laut Antwort auf eine Anfrage der sächsischen MdB Caren Lay nur noch 7.000 von einstmals über 200.000 Wohnungen mit Mietpreis- und Belegungsbindung (sogenannte Sozialwohnungen) übrig. In Leipzig sind es inzwischen nur noch 319. – Gleichzeitig gehört Sachsen zu einem der wenigen Bundesländern, in denen im Jahr 2013 und 2014 keine einzige neue Sozialwohnung neu gebaut wurde. Der Freistaat hat in dieser Zeit Bundesmittel – jährlich 59 Millionen Euro – nicht ausgeschöpft oder nicht zielführend ausgegeben, zum Beispiel durch die Förderung von Eigenheimen. 2013 wurden nur 22,4 Millionen ausgegeben, 2014 nur 36,3 Millionen, aber eben nicht für sozialen Wohnungsbau!“
Nun endlich ein Umschwenken, dass es knirscht im Gebälk. Fritsche spricht lieber von der „Möglichkeit von Zuschüssen für soziale Wohnraumförderung im Bereich Neubau und Sanierung“.
„Diese kommen am ehesten in den Großstädten Dresden und Leipzig sinnvoll zum Einsatz. Zum anderen gibt es Zuschüsse für die Barrierereduzierung von Wohngebäuden. Davon können alle Menschen im Freistaat profitieren“, so der wohnungsbaupolitische Sprecher der CDU-Fraktion. „Es bedarf einer differenzierten Herangehensweise und der Suche nach passgenauen Lösungen. Die Herausforderungen in den Ballungsräumen und den verschiedenen Regionen unterscheiden sich. Wir greifen mit dem vorliegenden Antrag auch Vereinbarungen zur Intensivierung der Wohnbauförderung in seiner ganzen Breite aus dem Koalitionsvertrag auf.“
Für Nagel aber noch viel zu unkonkret. Zu spät und zu zaghaft.
„Jetzt, wo der Druck insbesondere in den Großstädten wächst, lässt sich die Regierungskoalition endlich zum Jagen tragen – viel zu spät. Auch die Linke weist seit einigen Jahren auf die Dringlichkeit staatlicher Förderung für bezahlbares Wohnen hin“, sagt die Abgeordnete aus Leipzig. „Die zu erwartenden Mittel aus Dresden sind Bestandteil der Förderung in Höhe von 500 Millionen Euro, die der Bund den Ländern bis 2019 zur Verfügung stellt. Heruntergerechnet bekäme Sachsen damit jährlich 25 Millionen Euro. Das dürfte unterm Strich lediglich für wenige hundert Wohnungen – ob Modernisierung oder Neubau – reichen.“
Für die Stadt Leipzig werde da natürlich nur ein Teil des Kuchens abfallen.
„Die wachsende Stadt, in der das Mietniveau in den letzten Jahren gestiegen ist, braucht dringend neue bezahlbare Wohnungen. Auch wenn man nicht so optimistisch wie die jüngste Bevölkerungsprognose der Stadt Leipzig herangeht und nur 100.000 statt 150.000 neue BewohnerInnen bis 2030 ansetzt, hat das gravierende Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt“, so Nagel. „Pessimistisch gerechnet müssten jährlich 3.000 – 4.000 neue Wohnungen gebaut werden und davon die Hälfte Sozialwohnungen. Dafür werden die avisierten Fördermittel des Landes keineswegs ausreichen.“
Der baupolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, Wolfram Günther, erinnerte bei der Gelegenheit daran, dass die Grünen ein Förderprogramm für Sozialwohnungen in Sachsen beantragt hatten: „Wir Grünen wollen ein Förderprogramm für den Bau von Sozialwohnungen mit einem jährlichen Mindestvolumen von mindestens 60 Millionen Euro. Im Blick haben wir hierbei vor allem die kommunalen Wohnungsgesellschaften, Genossenschaften und kooperative Genossenschaftsmodelle. Wir wollen mit öffentlichen Mitteln den Bau bzw. die Sanierung von Wohnungen fördern, die langfristig oder dauerhaft der Spekulation entzogen werden sollen. So kann bezahlbarer Wohnraum vor allem in den Großstädten gesichert werden.“
Und auch die Mietpreisbremse bringt er wieder ins Spiel: „Die Notwendigkeit der Einführung einer Mietpreisbremse für Leipzig und Dresden soll nach dem Willen der Regierungsfraktionen regelmäßig überprüft werden. Das klingt nett, reicht aber nicht aus. Die Situation ist klar: in Dresden und Leipzig brauchen wir eine Mietpreisbremse bei Neuvermietungen. Das bedeutet, dass bei der Neuvermietung von Bestandswohnungen die geforderte Kaltmiete maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf.“
Der Antrag der Grünen „Programm zur sozialen Wohnungsbauförderung für Sachsen auflegen“ (Drs 6/4397)
Zahlen zu den aktuell noch verfügbaren Sozialwohnungen in Sachsen. Drs. 5125
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