Wenn es um Abschiebungen geht, kennt Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) keine Gnade. So wie zuletzt am 20. April, als er mit der Inbrunst eines Toraufsehers schmetterte: „Unser Ziel ist es, geltendes Asylrecht konsequent anzuwenden. Dazu gehört es auch, Menschen ohne Bleiberecht zwangsweise in ihre Heimatländer zurückzuschicken. Wir werden die Abschiebezahlen weiter steigern.“
Da ging es „nur“ um 150 ausreisepflichtige Kosovaren, Menschen aus jenem Land, in dem die Bundeswehr seit 1999 stationiert ist, um überhaupt einigermaßen stabile Verhältnisse mit abzusichern. Zumindest militärisch scheint die Lage mittlerweile so gesichert, dass an eine Truppenreduzierung gedacht werden kann.
Die Menschen aber, die damals vor den gewalttätigen Konflikten flohen, wurden in der Bundesrepublik in der Regel immer nur geduldet, auch dann, wenn sie sich schon längst in die Gastgesellschaft integriert hatten. Und da ging es den Menschen aus den anderen einst jugoslawischen Teilrepubliken nicht anders. Gerade sie ziehen sich aktuell die ganze Gnadenlosigkeit von deutschen Innenministern zu, die nicht mal mehr ahnen, wie es ihr eigenes Handeln ist, das den rechtsradikalen Kräften im Land erst die Basis bereitet.
Und gerade Sachsens Innenminister hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder durch besondere Härte ausgezeichnet. Wenn man das als Auszeichnung bezeichnen will und nicht als eklatante menschliche Schwäche.
So wie am 25. Mai wieder in Riesa, ein Vorfall, über den der Flüchtlingsrat am 26. Mai berichtete: „Gestern morgen wurde die Familie Bekir aus Riesa nach Mazedonien abgeschoben. Die Familie lebt seit 7 Jahren in Sachsen. Als Roma mussten sie Mazedonien verlassen, da sie Übergriffen durch die Mehrheitsgesellschaft ausgesetzt waren und vom Arbeits- und Wohnungsmarkt ausgeschlossen worden sind. Über einen Widerspruch im Verfahren zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG war seit mehreren Jahren nicht entschieden worden. Gleichzeitig war die Abschiebung quasi als heimlicher Überraschungsakt vorbereitet worden.“
Sachsens Innenministerium beruft sich dabei jedes Mal auf die sture Bürokratie, fragt weder nach den konkreten Lebensverhältnissen, dem Stand der Integration oder gar den möglichen Existenzgrundlagen der Menschen, die oft schon vor 10, 15 Jahren in Sachsen Zuflucht gefunden haben.
Ähnlich rabiat wurde auch in Schwarzenberg vorgegangen.
„Die sächsische Abschiebepraxis zeichnet sich durch eine besondere Härte aus, die selbst Kinder nicht verschont“, kritisiert die migrationspolitische Sprecherin der Grünen, Petra Zais, diese Alibi-Politik, mit der Härte ausgerechnet gegen jene Menschen gezeigt wird, die Hilfe am dringendsten brauchen. „Ich erwarte von sächsischen Behörden jedoch, dass sie bei Abschiebungen wenigstens die Menschenwürde der Betroffenen nicht aus dem Blick verlieren. Mich erreichen immer wieder Meldungen wie jüngst aus dem erzgebirgischen Schwarzenberg oder Riesa über ein rücksichtsloses Vorgehen der Behörden: es wird nur wenig Zeit gegeben, um persönliche Gegenstände zusammenzupacken, auch von Hohn und Gelächter der Beamtinnen und Beamten während der Abschiebung ist die Rede. Die Behörden schrecken auch vor Familientrennung nicht zurück. Das kann und darf nicht sein.“
Nur dass sich gerade die konservativen Hardliner in Deutschland gern hinter Phrasen verstecken, die die Flüchtlinge vom Balkan gern als „reine Wirtschaftsflüchtlinge“ diskreditieren und sie damit zu so einer Art Flüchtlinge zweiter oder dritter Klasse machen, die das deutsche Gnadenrecht nicht verdient haben.
„Gerade bei den Menschen aus Kosovo, Mazedonien oder Serbien handelt es sich oft um Familien, die seit mehreren Jahren mit dem Status einer Duldung in Sachsen leben. Sie haben sich hier ein Lebensumfeld aufgebaut, die Kinder gehen in die Schule oder in die Kita, persönliche Gegenstände wurden im Laufe der Zeit angeschafft. Bei diesem Personenkreis müssen die Bemühungen um eine freiwillige Rückkehr in die Heimat intensiviert werden“, benennt Zais den anderen, zumindest kommunikativeren Weg. Aber wer wird schon das Gespräch mit Menschen suchen, wenn er seinen Wählern unbedingt gnadenlose Härte zeigen will?
Neu ist das nicht. Das hat in Sachsen in dieser Gnadenlosigkeit schon angefangen, bevor überhaupt an AfD, Pegida und Legida zu denken war. Die sind erst auf dem Humus gewachsen, den die konservativen Hardliner in Ministerämtern zubereitet haben. Erst ihre grimmige Abschiebepolitik hat das Bild vom „falschen Flüchtling“ geprägt, der nicht nach Deutschland gehöre, weil er in irgendeines der gepflegten ethnischen Muster nicht passt.
Sachsen könnte ein gastfreundliches Land sein. Aber das ist augenscheinlich von einigen Leuten in der Regierung nicht gewollt, die lieber vermeldet, wie viele Menschen man nur duldet, um sie bei nächster Gelegenheit ebenso rigoros in Länder zu verfrachten, in denen sie seit Jahren keine Wurzeln mehr haben. So wie eben am 20. April, als das Innenministerium meldete: „In Sachsen leben aktuell 6.754 ‚vollziehbar Ausreisepflichtige‘, 2.496 stammen vom Westbalkan, 954 aus den nordafrikanischen Maghreb-Staaten (Stand: 31. März 2016).”
So schafft man ganz bürokratisch die Feindbilder, die dann in sozialen Netzwerken ihre Umtriebe feiern.
Petra Zais: „Ich erinnere an den aufrüttelnden Brief von Polizeipfarrer Stephan Bickhardt vom 28. August 2014, der von traumatisierenden Erlebnissen der abzuschiebenden Kinder berichtet. Offensichtlich sind wir diesbezüglich keinen Schritt weiter gekommen. Ich fordere Innenminister Markus Ulbig (CDU) auf, diese unwürdige und unmenschliche Abschiebepraxis zu beenden.“
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