Was passiert, wenn die Scharfmacher die Medienberichterstattung dominieren und kein Tag vergeht, an dem sie nicht mit mächtiger Gebärde die Bedrohung der Kultur an die Wand malen? Genau: Sie schüren Angst. Und darauf reagieren auch in Sachsen immer mehr Menschen, indem sie sich Waffenerlaubnisse und Waffen besorgen. Das hatte der innenpolitische Sprecher der Grünen im Landtag im Dezember schon deutlich thematisiert.

Damals hatte Valentin Lippmann in dieser Funktion auch die kommunalen Kontrollbehörden dafür kritisiert, dass sie die Waffenbesitzer immer seltener und lückenhafter kontrollieren. Nun hat er noch einmal nachgefragt und wird vom zuständigen Innenminister Markus Ulbig (CDU) beruhigt: Regelmäßige Kontrollen sind in Sachsen gar nicht vorgesehen.

„Was darüber hinaus die Kontrolle der sicheren Aufbewahrung von Waffen betrifft, hat der Gesetzgeber den Waffenbehörden keine Pflicht zur Durchführung regelmäßiger flächendeckender Kontrollen auferlegt“, erklärt Ulbig. „Die Waffenbehörden sind nur verpflichtet, bei begründetem Verdacht anlassbezogen zu kontrollieren. Dieser Verpflichtung zur Durchführung anlassbezogener Kontrollen kommen die Waffenbehörden nach.“

Außerdem seien die Waffenbehörden vollauf beschäftigt – nämlich mit steigenden Antragszahlen: „Darüber hinaus verzeichnen die Waffenbehörden steigende Antragszahlen. Die Bearbeitung eingehender Anträge hat Vorrang vor der Durchführung anlassunabhängiger waffenrechtlicher Kontrollen.“

Womit er direkt bestätigt, was Lippmann im Herbst als Befürchtung geäußert hat: Immer mehr Sachsen rüsten auf.

Und das wird in den beiden neuen Antworten aus dem Innenministerium auch in Zahlen bestätigt: Immer mehr Sachsen wollen Schreckschusspistolen und andere frei verkäufliche Waffen mit sich führen.

„Dass die Zahlen in den letzten zwei Monaten des vergangenen Jahres nochmals massiv angestiegen sind, besorgt mich“, erklärt Valentin Lippmann, der innenpolitische Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, dazu. „Wer, wie der Schützenbund, behauptet, dass dies nichts mit den aktuellen Entwicklungen in unserer Gesellschaft zu tun hat, verschließt die Augen vor der Realität. – Der Anstieg der kleinen Waffenscheine und der waffenrechtlichen Erlaubnisse in Sachsen ist dramatisch. Im Freistaat gibt es einen unübersehbaren Run auf Waffen, dem Einhalt geboten werden muss.“

Aber Lippmann hat kein Verständnis dafür, dass der Freistaat die ständige Zunahme an Waffenbesitz mit immer weniger Kontrollen durch die zuständigen Behörden einfach so laufen lässt.

„Die Staatsregierung ist in der Verantwortung, gegen die besorgniserregende Zunahme der Waffen vorzugehen. Zum einen muss die Regierung deutlich machen, dass das Gewaltmonopol dem Staat obliegt und dafür endlich die notwendigen personellen Voraussetzungen bei der Polizei schaffen“, sagt er und sieht auch mit Besorgnis, dass die kommunalen Waffenbehörden fast nur noch mit Registratur beschäftigt sind, von regelmäßigen Kontrollen aber keine Rede mehr sein kann. „Zum anderen muss Innenminister Ulbig durchsetzen, dass die kommunalen Waffenbehörden personell besser ausgestattet werden. Gegenwärtig steht einer immer größeren Anzahl von Waffen eine vollkommen unzureichende Zahl von Waffenkontrollen gegenüber. Je mehr waffenrechtliche Erlaubnisse beantragt werden, umso weniger Zeit bleibt den wenigen Mitarbeitern in den Behörden für Kontrollen. Hier entsteht ein Teufelskreis, der durch ausreichend Personal durchbrochen werden muss.“

Die Zahl der waffenrechtlichen Erlaubnisse in Sachsen ist von insgesamt 33.246 im Jahr 2014 auf 34.915 im Jahr 2015 gestiegen. Das ist ein Anstieg um fünf Prozent. Davon sind allein 1.228 waffenrechtliche Erlaubnisse in den Monaten November und Dezember ausgestellt worden, deutliche Zeichen dafür, dass die Zunahme fremdenfeindlicher Auftritte die Stimmung im Land anheizen.

Ein ähnliches Bild sei bei den sogenannten Kleinen Waffenscheinen zu verzeichnen: Deren Anzahl stieg von 6.708 im Jahr 2014 auf insgesamt 8.293 Erlaubnisse im Jahr 2015. Allein in den letzten zwei Monaten des Jahres 2015 wurden mindestens 700 Kleine Waffenscheine neu ausgestellt. Diese berechtigen zum Führen von frei verkäuflichen Signal-, Reizstoff- und Schreckschusswaffen.

Zudem streben immer mehr sächsische Bürgerinnen und Bürger den Besitz von Schusswaffen an, mahnt Lippmann. Dies könne man an der Anzahl der abgelegten Sachkundeprüfungen – als Voraussetzung zur Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis – ablesen. Allein in 2015 wurden insgesamt 526 solcher Prüfungen bei Schießsportvereinen abgelegt. Das sind acht Mal so viel wie im Jahr zuvor (2014: 65). Allein 180 dieser Sachkundeprüfungen wurden in den letzten beiden Monaten des Jahres abgelegt.

Und dass der Freistaat hier fahrlässig agiert, wird auch deutlich, wenn Lippmann nach der Zahl der straf- bzw. ordnungswidrigkeitsrechtlichen Tatbestände seit 2012 fragt: Die Zahl gibt es einfach nicht, und in der Erfassung scheint es nicht den Ansatz einer Systematik zu geben.

Markus Ulbig: „Angaben zur Anzahl der in Bezug auf waffenrechtliche Tatbestände eingeleiteten Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren und deren Ergebnissen unterliegen keiner, insbesondere keiner einheitlichen statistischen Erfassung. (…) Zur Beantwortung der Fragen wären daher eine Durchsicht und Auswertung aller in Betracht kommenden Waffenakten im Lichte der konkreten Fragestellungen bzw. weitergehende Recherchen erforderlich. Dies ist im Hinblick auf die große Anzahl der in Betracht kommenden Verfahren in der zur Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit unverhältnismäßig und ohne Einschränkung der Funktionsfähigkeit der betroffenen Behörden nicht zu leisten.“

Irgendwo sind diese Vorgänge also erfasst – nur sieht sich niemand bemüßigt, die Zahlen regelmäßig zu sammeln und auszuwerten. Was schon verblüfft beim Thema Schusswaffen.

Antwort des Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Valentin Lippmann (Grüne): „Waffenbesitz und Waffenkontrolle, Nachfrage zu Drs. 6/3340“

Antwort von Innenminister Markus Ulbig (CDU) auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Valentin Lippmann (Grüne): „Zahl der Personen mit Sachkundenachweis nach § 7 Abs. 1 WaffG – Nachfrage zu Drs. 6/3061“

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