Sachsens CDU steht vor der Entscheidung, ob sie die Demokratie in Sachsen stärken will - oder ob sie weiter riskieren will, dass Menschenfeinde aller Art den Ruf des Landes endgültig ruinieren, weil sie nicht einmal da mit Sanktionen rechnen müssen, wo sie eindeutig die Grundlagen unseres Gemeinwesens demolieren. Aber was am Donnerstag zu hören war, lässt nichts Mutiges erahnen.
Da reagierte auch der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Christian Hartmann, im alten Klippklapp auf die deutlichen Worte, die der stellvertretende Ministerpräsident Martin Dulig (SPD) in einem Interview mit der „Zeit“ gefunden hatte. Die Thematisierung der Polizei war dabei nur ein Detail. Aber mit breiter Brust postulierte Hartmann: „Der Polizei ein qualitatives Problem nachzusagen offenbart mangelnden Respekt gegenüber den Beamten, die tagtäglich für unsere Sicherheit ihren Kopf hinhalten. Da stellt sich schon die Frage, wo dies hinführen soll.“
Dabei hatte Dulig genau die Frage gestellt, denn dass Sachsens Polizei derart unter Druck steht, dass Vieles nicht mehr klappt, hat mit der seit über zehn Jahren forcierten Kürzungspolitik unter CDU-Ägide zu tun. Und mit dem auch politisch demonstrierten Schulterzucken, wenn es um die zunehmenden rechtsextremen Gewalttaten im Land ging. Verharmlosung auf der verbalen Ebene – etwa in den Berichten des Verfassungsschutzes – ging stets einher mit einer Unterschätzung der Probleme bei der polizeilichen Verfolgung – die entsprechenden Kapazitäten fehlten einfach.
Und so setzten sich nicht nur zunehmend besser vernetzte Neonazis in Sachsen fest – in vielen Landstrichen begann auch deren menschenfeindliches Gedankengut an Boden zu gewinnen. Denn nichts anderes äußerte sich ja in Bautzen, Clausnitz usw.
Logisch, dass dann zumindest Ministerpräsident Stanislaw Tillich am Montag in der Sondersitzung des Landtags zugeben musste, das Thema Rechtsextremismus völlig unterschätzt zu haben. Für Rico Gebhardt, Vorsitzender der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, zumindest ein Lichtblick am Horizont, der hoffen lässt, dass der Einsicht nun auch das Regierungshandeln folgen möge. „Ministerpräsident Tillich hat im Parlament zu Protokoll gegeben, dass ‚wir die Abwehrkräfte gegen den Rechtsextremismus verstärken (müssen)‘ und dafür konkrete Maßnahmen angekündigt. Sachsen solle ‚die politische Bildung stärken‘, brauche eine ‚starke Zivilgesellschaft‘ und deshalb wolle man das Landesprogramm ‚Weltoffenes Sachsen‘ jetzt ‚weiterentwickeln und seine Wirkung verbessern‘. Von den Behörden solle ‚das Signal der Offenheit, der Unterstützung und der Rückendeckung für alle ausgehen, die sich um Demokratie und Weltoffenheit bemühen‘. Wir müssen Engagement ermöglichen und nicht verhindern“, sagt er.
Er schüttelt aber trotzdem den Kopf. Denn handeln können hätte der Ministerpräsident längst.
„Der geplante Stellenabbau bei der Polizei werde nicht nur ausgesetzt, sondern mindestens 500 junge Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter werde es schon in diesem Jahr geben. Denn man müsse ‚die Effizienz der Gefahrenabwehr erhöhen und die Durchsetzungsfähigkeit der Polizei verbessern. Hier hinken wir im Ländervergleich hinterher, das muss sich ändern‘. Zudem spricht Herr Tillich ‚eine erfolgreiche Integration‘ an, die Sachsen brauche“, so Gebhardt. „Wir nehmen den Ministerpräsidenten mit diesen mehr oder weniger konkreten Ankündigungen beim Wort. Deshalb werden wir es ihm auch nicht durchgehen lassen, wenn – wie im Moment beim Thema Polizei-Personalstellen – er seine Politik nicht mal im eigenen Kabinett durchsetzt und ihm der Finanzminister auf der Nase herumtanzt, wie heute im Haushalts- und Finanzausschuss. Wir fordern die Koalitionsfraktionen von CDU und SPD auf, auf den nächsten Sitzungen des Sächsischen Landtages am 16. und 17. März konkrete parlamentarische Initiativen auf den Tisch zu legen, die den von Tillich beschworenen Neuanfang in die Tat umsetzen. Insbesondere bei den Themen politische Bildung, Demokratie- und Flüchtlingsinitiativen, Stärkung der Polizei und des staatlichen Gewaltmonopols. Mit einer extra Kabinetts-Klausur ist es nicht getan, denn wenn nicht der Landtag – einschließlich der CDU-Fraktion – Basis dieses Neuanfangs ist, wird er über schöne Worte nicht hinauskommen.“
Dass das Thema schon lange schmort, machte dann die SPD-Fraktion deutlich, die schon zwei Tage nach der Sondersitzung ein 34-Punkte-Positionspapier vorlegte. Schon der Titel deutete den Gestus an, mit dem dann auch Martin Dulig offensiver in die Öffentlichkeit ging:
„Zeit zu Handeln“
Man weiß eigentlich, an wie viel Stellen es klemmt in Sachsen – vom (personell) geschwächten Staat bis zur geschwächten Zivilgesellschaft. Mit diesem Raubbau an der demokratischen Gesellschaft müsse jetzt endlich Schluss sein. Dirk Panter, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, stellte das Positionspapier am Mittwoch, 3. März, vor. „Wir brauchen in unserem Land ein Zeichen, dass jetzt Schluss sein muss. Schluss mit Rassismus, Menschenfeindlichkeit, Demokratieverachtung und Intoleranz. Wir setzen durch unser Handeln wie durch unser Nichthandeln Zeichen. In diesen Tagen stehen wir in der Verantwortung, unmissverständliche Zeichen zu setzen, dass wir Demokratieverachtung und Intoleranz nicht dulden. Meine Fraktion stellt sich dieser Verantwortung und den Herausforderungen und hat zahlreiche Vorschläge erarbeitet“, sagte er.
Und das Papier markiert auch einen entscheidenden Punkt, den Katharina Schenk, Landesvorsitzende der Jusos Sachsen, benennt: Es ist die sächsische CDU, die sich jetzt entscheiden muss, ob sie weiter – wie ihr Fraktionsvorsitzender Frank Kupfer am Montag – das alte Märchen vom schönen Sachsen singt und die Umtriebe von rechts einfach ignoriert, oder ob sie Stanislaw Tillich jetzt unterstützt bei der Stärkung der Zivilgesellschaft.
„Über 30 Forderungen hat die SPD-Fraktion aufgestellt – jede einzelne ist mit Blick auf die Lage in Sachsen mehr als berechtigt. Die Liste der Übergriffe und Anschläge auf geplante oder schon bestehende Unterkünfte für Geflüchtete wird monatlich länger, der Ton auf den sogenannten Spaziergängen und Demonstrationen jede Woche abstoßender. Die Zeit zu Handeln ist mehr als überfällig“, sagt Katharina Schenk.
Auf Tillich rechnet sie. Aber die anderen?
„In der Sondersitzung des Landestages schien das auch Ministerpräsident Tillich einzusehen. Es ist gut, dass er nun anerkennt, dass Sachsen ein Problem mit rechtem Gedankengut und rechter Gewalt hat. Allerdings scheint er in seiner Partei damit allein zu sein. Die Rede seines Fraktionsvorsitzenden Kupfer zumindest muss alle sprachlos zurückgelassen haben, die sich endlich einen entschlossenen Kampf gegen rechtes Gedankengut und für eine starke, demokratische Zivilgesellschaft gewünscht haben. Die CDU muss sich entscheiden, ob sie ihrem Ministerpräsidenten folgt oder weiter den populistischen Marsch spielt und mit dem Finger auf vermeintliche Nestbeschmutzer zeigt. Sei es die Handlungsbereitschaft in den Bereichen Bildung und Integration, sei es die Einsicht, dass Kürzungswut und Staatsabbau auch dahin geführt haben, wo wir jetzt sind – es müssen nun endlich Taten folgen. 25 Jahre CDU-Politik lassen sich nicht über Nacht korrigieren, aber der Wandel muss jetzt beginnen. Wenn die CDU hier bremst, nimmt sie die aktuellen Zustände weiter billigend in Kauf. Umso mehr kommt es diesmal auf die SPD an.“
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