Von Anfang an wollte Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) gar nichts verraten über das Telekommunikationsüberwachungszentrum (TKÜZ) der Bundesländer Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Berlin und Brandenburg. Auch keine ordentliche Information für den Landtag war geplant. Erst in der Haushaltsvorlage stolperte dann der innenpolitische Sprecher der Grünen, Valentin Lippmann, über obskure 4,2 Millionen Euro.
Anfang 2015 fragte er nach und bekam nicht mehr als ein paar ausweichende Abwiegelungen des Ministers. Auch dessen Pressestelle hatte das Thema eher kleingeredet: “Beim GKDZ geht es um nichts Neues. Hier soll von mehreren Ländern Strafverfolgung im Zusammenhang mit schwerwiegender Kriminalität betrieben werden. Das GKDZ ist also die Bündelung von Ressourcen.” Mehr nicht?
Dann müsste es so etwas ja auch in jedem einzelnen der beteiligten Bundesländer schon geben?
Doch davon wurde nichts bekannt. Je mehr über die seltsame Überwachungseinrichtung für die Kommunikation (wessen Kommunikation eigentlich?) bekannt wurde, um so dubioser erschien es. Die einzelnen Landesregierungen verwehrten Antworten mit dem Hinweis auf fehlende Informationsfreiheitsgesetze. Selbst die Berliner taten das, obwohl sie so ein Gesetz schon haben und Auskunft hätten geben müssen. Aber da redeten sie sich lieber mit dem fehlenden Informationsfreiheitsgesetz in Sachsen heraus.
Und damit hat man ja den richtigen (Ansprech-)Partner, denn im Finden von Ausreden, keine Auskünfte geben zu müssen, ist Sachsens Innenminister ja Spitze. Das Technische Überwachungszentrum, das als “Gemeinsames Kompetenz- und Dienstleistungszentrum auf dem Gebiet der polizeilichen Telekommunikationsüberwachung” (GKDZ) eingerichtet werden soll, ginge die Abgeordneten im Grunde nichts an, führte er jetzt in der ersten Stellungnahme zu einem Grünen-Antrag aus: “Die zur Einrichtung des GKDZ erforderlichen Dokumente sind Gegenstand des laufenden Willensbildungs- und Entscheidungsprozesses, weshalb an dieser Stelle keine weitere Erörterung erfolgen kann.”
Laufender Willensbildungsprozess – man sieht die Regierungsmitglieder regelrecht schwitzen bei der Willensbildungs-Arbeit.
Aber übersetzt heißt es eigentlich nur: Das ist Regierungsangelegenheit – und was die Regierung tut, geht Sie erst mal nichts an. Informieren wolle man, wenn man meint, es sei Zeit dafür. Wahrscheinlich also dann, wenn alles fertig und das GKDZ eingerichtet ist. Nicht als gemeinsame Polizeibehörde. Die Konstruktion ist noch ein bisschen gewiefter. Markus Ulbig: “Nach gegenwärtigem Stand ist für das GKDZ die Rechtsform einer Anstalt öffentlichen Rechts geplant. Es soll als datenverarbeitende Stelle und damit als technischer Dienstleister im Auftrag der Strafverfolgungsbehörden der fünf Kooperationsländer tätig werden. Die Verantwortung über die Telekommunikationsüberwachung ist nicht delegierbar und verbleibt in der Hoheit des jeweiligen Landes. Eine Erweiterung von polizeilichen Eingriffsbefugnissen erfolgt nicht.”
Was immer das heißen mag. Aber indem es nicht als direkte Regierungsbehörde geführt wird, sondern als Dienstleister, wird es für die jeweiligen Landtagsabgeordneten schwieriger zu kontrollieren, was in diesem Überwachungszentrum eigentlich getan und wer alles überwacht wird.
“Ich fordere Innenminister Markus Ulbig (CDU) auf, endlich alle wichtigen Unterlagen zu diesem Vorhaben auf den Tisch zu legen”, sagt Valentin Lippmann, Sprecher für Datenschutz der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Sächsischen Landtag. “Die Informationen, die wir Grünen auf unseren Antrag hin aus dem Innenministerium bekommen haben, sind ein Witz. So wird uns sowohl das juristische Gutachten und der Entwurf des Staatsvertrages als auch die Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen für die Errichtung dieses länderübergreifenden Abhörzentrums vorenthalten. Wieder einmal erhalten Parlamentarier mehr Informationen aus öffentlichen Quellen als vom Ministerium, das mit den vom Landtag bewilligten Mitteln arbeitet.”
Ob man mit den Mitteln wirtschaftlich arbeitet, haben die Schöpfer des TKÜZ lieber ein großes Privatunternehmen gefragt, die ESG Elektroniksystem- und Logistik-GmbH, die aufs engste mit europäischen und amerikanischen Rüstungskonzernen verflochten ist. Aussage von Markus Ulbig: “Für die Untersuchung und Beurteilung der Wirtschaftlichkeit des Kooperationsvorhabens wurde als externer Sachverständiger die Firma ESG Elektroniksystem- und Logistik GmbH hinzugezogen. Inhalt und Ergebnis der Untersuchung findet Einfluss in den beschriebenen Meinungs- und Willensbildungsprozess.”
Das betrifft also wieder – “Regierungshandeln”. Aber halt nicht den Meinungsbildungsprozess gewählter Parlamente, die nur über indirekte Hinweise und möglicherweise irgendwelche im Internet aufgetauchten Unterlagen etwas zu diesem Überwachungszentrum für Südostdeutschland (ein vergleichbares ist auch für Norddeutschland in Planung) erfahren. Das riecht eigentlich wieder nach organisierter staatlicher Kontrollsucht, ohne dass für die eigentlichen Gesetzgeber überhaupt sichtbar wird, was dieses technische Zentrum im Internet eigentlich alles überwachen soll. Es wird zwar gern auf die polizeiliche Ermittlungsarbeit verwiesen – aber die ist mit dem Aspekt der Überwachung schwerlich vereinbar. Da denkt nicht nur Valentin Lippmann an “Big brother is watching you”.
“Der Innenminister sollte das gesamte Projekt abblasen”, findet der Grünen-Abgeordnete. “Insbesondere von den Datenschutzbeauftragten der Länder, denen selbst nicht alle Unterlagen vorliegen, gibt es erhebliche Bedenken hinsichtlich einer zentralen Stelle, bei der sensible Daten verarbeitet werden. So ist insbesondere unklar, ob das Überwachungszentrum auch Bestands- und Verkehrsdaten abfragen oder bei Funkzellenabfragen und Quellen-Telekommunikationsüberwachung tätig werden soll.”
Und bei Letzterem haben ja Staatsanwaltschaften, Polizei und vielleicht auch noch der ein oder andere Dienst in Sachsen schon beste Erfahrungen. Hat man ja alles schon 2011 ausgetestet. Und Innenminister in Deutschland träumen ja gern von einer kompletten Kontrolle über alles – und finden die Erkenntnisse aus dem NSA-Skandal eher unwichtig und störend.
Lippmanns trockene Bilanz zum jüngsten Nachfragen: Die Grüne-Fraktion hat mit einem Antrag den Stopp der Pläne und umfassende Auskünfte über den Planungsstand des geplanten Überwachungszentrums gefordert und nur wenige Informationen erhalten.
Da hat man dann eine Regierung, die alles tut, um die Überwachung aller Aktivitäten im Internet und auf anderen Kommunikationskanälen zu verstärken, die aber nicht bereit ist, dazu fundiert Auskunft zu geben.
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1990 ging die Abhörzentrale Mühlenbeck an die Telekom. Vielleicht gibts die ja noch und man muss nur einfach mal nachfragen und könnte die weiternutzen? Die Telekom wird doch bissel modernisiert haben in den letzten Jahren?