Eigentlich wollten die Grünen im Sächsischen Landtag nur wissen, ob das Rettungswesen in Sachsen funktioniert und die Rettungswagen auch innerhalb der geforderten Frist von 12 Minuten am Einsatzort eintreffen. Bis 2012 hatte auch die Staatsregierung diese Daten. Seither klemmt die Datenerhebung. Und entsprechend frustriert waren die Grünen, als sie am 6. Januar nur eine ausweichende Antwort von Innenminister Markus Ulbig bekamen.

Denn es ist ja kein kleines Problem, in einem Bundesland, in dem die demografische Entwicklung mit zwei völlig entgegengesetzten Prozessen stattfindet, ein funktionierendes Rettungsdienst-Netz in allen Landesteilen zu erhalten. Immerhin geht es um Leib und Leben und 12 Minuten sind durchaus eine Zielzeit, die in ausgedünnten Regionen höchst sportlich ist.

Aber auch in den wachsenden Großstädten, das muss hinzugefügt werden. Denn natürlich steigt hier mit der Bevölkerungszahl auch die Zahl der Anrufe und Einsätze. Ob die neuen Rettungsleitstellen die Veränderungen auffangen, war also durchaus ein gewichtiger Grund, mal bei der Landesregierung nachzufragen. Und dann, nachdem Markus Ulbig eher recht allgemein geantwortet hatte, einen Antrag zu stellen: „Notfallrettung in 12 Minuten? – Rechtswidrigen Zustand bei der Erhebung der gesetzlichen Hilfsfristen in Notfällen unverzüglich beenden.“ Eingereicht am 13. Januar. Nun wurde sie am 2. Februar von Innenminister Markus Ulbig kurzerhand weggewedelt: Das sei alles nicht Aufgabe der Staastsregierung. Da seien die Kommunen in der Pflicht.

So kann man sich auch aus der Pflicht stehlen, kommentiert das Valentin Lippmann, der innenpolitische Sprecher der Grünen: „Innenminister Markus Ulbig scheint es egal zu sein – anders kann man seine Stellungnahme zum Antrag nicht zusammenfassen. – Der Innenminister besitzt allen Ernstes die Kaltschnäuzigkeit, hinsichtlich der Ermittlung und Einhaltung der Hilfsfristen auf die kommunalen Träger des Rettungsdienstes zu verweisen. Als wäre es nicht elementare Aufgabe des Freistaates, sich um eine schnelle medizinische Hilfe für die Bürgerinnen und Bürger zu kümmern. Nicht ohne Grund wird die gesetzliche Hilfsfrist durch ein Landesgesetz geregelt. Der Innenminister hat sich hier seiner Verantwortung zu stellen, anstatt mit dem Finger auf andere zu zeigen.“

Doch Ulbig hatte sich einfach damit herausgeredet, der Freistaat habe nur eine Kontrollfunktion in der Sache, für Gewährleistung der Einsatzzeiten seien die Kommunen verantwortlich. Aber was kontrolliert der Innenminister eigentlich, wenn er nicht mal die Zahlen zu den Einsatzzeiten kennt?

Forsch behauptete er: „Die Ermittlung und Einhaltung der Hilfsfrist ist Aufgabe der kommunalen Träger des Rettungsdienstes. Insofern geht die Forderung, die Staatsregierung möge geeignete Maßnahmen ergreifen, grundsätzlich fehl.“

Maßnahmen könnten ja auch Datenerhebung und Aufforderungen zur Mängelabstellung sein. Aber wenn der Freistaat nicht (mehr) kontrolliert, wird er auch keine Mängel feststellen.

Die Grünen-Fraktion hatte den Antrag eingebracht, nachdem bekannt wurde, dass angeblich seit dem Jahr 2013 keine belastbaren Daten mehr zu den Hilfsfristen vorliegen und wegen der Inbetriebnahme der „Integrierten Regionalleitstellen“ auch bis Ende 2016 keine Daten erfasst und analysiert werden können. Im Antrag wird der Innenminister aufgefordert, geeignete Maßnahmen zu treffen, um diesen Notstand zu beseitigen.

„Das Innenministerium ist als oberste Brandschutz-, Rettungsdienst- und Katastrophenschutzbehörde für die Kontrolle der Hilfsfristen zuständig und muss im Rahmen der Aufsicht sofort tätig werden“, betont Lippmann.

Was Ulbig ja zugegeben hatte: „Das Sächsische Staatsministerium des Innern hat als oberste Brandschutz-, Rettungsdienst- und Katastrophenschutzbehörde in Bezug auf die Hilfsfristerfüllung lediglich eine Kontrollfunktion und kann rechtsaufsichtlich tätig werden.“

Trotzdem interessieren den Minister Zahlen zur „Hilfsfristerfüllung“ augenscheinlich überhaupt nicht. Was also kontrolliert er da?

„Dass der Minister nun auf die Kommunen verweist und diesen den ‚Schwarzen Peter‘ zuschieben will, ist ein starkes Stück. Offensichtlich will Herr Ulbig damit davon ablenken, dass er die Verantwortung dafür trägt, dass die Kontrolle der Hilfsfristen im Rettungsdienst in Sachsen seit über drei Jahren nicht mehr funktioniert“, kritisiert Lippmann.

So hätte es Ulbig noch nicht einmal für nötig gehalten, den Landtag über die Probleme mit der Einführung der „Integrierten Regionalleitstellen“ zu unterrichten, die per Gesetz im Jahr 2004 eingeführt worden sind. Vielerorts waren insbesondere Softwareprobleme dafür verantwortlich. Aber was kann man in der Opposition im Landtag tun, wenn der zuständige Innenminister derart leger alle Kontrolle von sich weist? Man kann nur appellieren, wie es Lippmann tut: „Ich fordere den Innenminister nochmals auf, endlich Maßnahmen dafür zu treffen, dass der Rettungsdienst in Sachsen innerhalb seiner 12-minütigen Hilfsfrist vor Ort sein kann und die Probleme der Regionalleitstellen behoben werden.“
Antrag der Grünen-Fraktion “Notfallrettung in 12 Minuten? – Rechtswidriger Zustand bei der Erhebung der gesetzlichen Hilfsfristen in Notfällen unverzüglich beenden”. (Drs 6/3841)

Stellungnahme der Staatsregierung zum Antrag der Grünen.

Die Anfrage der Grünen zu “Interventionszeiten im Rettungsdienst”.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar