Seit Oktober 2015 beschäftigen die vierbändigen Biedenkopf-Tagebücher vielleicht nicht gerade den sächsischen Landtag, aber doch zumindest den Linke-Abgeordneten André Schollbach und die Sächsische Staatskanzlei. Letztere tut sich schwer mit umfassenden Auskünften zur Förderung der Tagebücher mit über 300.000 Euro aus Steuermitteln. Und Ersterer ist mit den knappen Antworten nicht zufrieden.
Und da er von Beruf Rechtsanwalt ist, weiß er, wie sich das anfühlt, wenn aus den Zeugen oder Angeklagten nichts Wesentliches herauszubekommen ist, schon gar nicht zum gesamten Vorfall an sich. Was tun? Im Gerichtssaal hilft da nur eins: Man fragt jeden einzelnen Fakt einzeln ab. Da muss der Befragte reagieren – und wenn’s nur mit einem schüchternen Ja oder Nein oder “Weiß ich nicht” ist. Wobei Letzteres bei einer befragten Regierung schlicht nicht geht. Wenn keiner was weiß zum Sponsoring der Biedenkopf-Tagebücher, wird es blamabel.
Also hat Schollbach zwei so kleine, punktgenaue Anfragen gestellt. Und zwar noch vor Weihnachten, damit sich alle Beteiligten über die schön verpackten Tagebücher unterm Weihnachtsbaum noch einmal freuen können. Und mit den Antworten, die er jetzt nach dem Jahreswechsel bekam, tastet er sich in der Materie wieder ein Stück voran. Und die erste Frage war natürlich: Wie kam die Staatsregierung überhaupt auf die Idee, den Druck der Tagebücher aus Steuergeldern zu finanzieren? Hat die Adenauer-Stiftung, über die das Geld weitergereicht wurde, angefragt? War es der Verlag oder der Autor selbst?
Und so fragte Schollbach: “Wie, durch welche Personen und wann ist dem Ministerpräsidenten des Freistaates Sachsen, Stanislaw Tillich, der Wunsch des Herrn Prof. Dr. Kurt Hans Biedenkopf, dessen persönliche Aufzeichnungen nach wissenschaftlicher Aufbereitung für eine Publikation vorzubereiten, bekannt geworden?”
Und Dr. Fritz Jaeckel, Leiter der Sächsischen Staatskanzlei, antwortete nun: “Herr Ministerpräsident a. D. Prof. Dr. Kurt Biedenkopf hat diesen Wunsch Herrn Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich im Frühjahr 2013 mitgeteilt.”
Das lief also irgendwie so, wie es sich der Rechtsanwalt auf der Abgeordnetenbank schon gedacht hatte. Wäre ja auch eher seltsam gewesen, wenn der Alt-Ministerpräsident nicht mit dem amtierenden sprechen würde. Der Wortlaut wäre noch schöner, aber den hat bestimmt keiner aufgezeichnet. Wahrscheinlich sagte jemand so schöne Sätze wie: “Ich schau mal, was ich machen kann.” oder “Ich geb’s mal meinem Staatsminister als Hausaufgabe. Der kriegt das bestimmt gedeichselt.”
Aber Schollbach hat jetzt zumindest einen Fingerzeig, wie die Sache in Gang gekommen sein könnte. Danach gab es wahrscheinlich so eine Art Hausaufgabe, wurde in den knappen Kassen des Freistaats gesucht und gefunden. Und dann ging es noch um die Frage, wer seinen Otto dazu hergibt. Und da wollte man dann die Sache nicht so hoch angebunden sehen, nicht beim MP und auch nicht beim damaligen Leiter der Staatskanzlei, sondern lieber noch zwei Stufen tiefer, auf Referatsleiterebene.
Einfach mal zur Übersicht:
Ganz oben ist der Chef, der Sächsische Ministerpräsident (Ebene 1). Ihm direkt unterstellt ist der Leiter der Sächsischen Staatskanzlei in der Position eines Staatsministers (Ebene 2). Ihm unterstehen vier Abteilungen, unter anderem die Abteilung 1, die sogenannte Zentralabteilung, jeweils mit eigenen Abteilungsleitern (Ebene 3). Und in den Abteilungen gibt es dann diverse Referate, in der Abteilung 1 zum Beispiel vier Stück, darunter auch das Referat 12, das in der nächsten Kleinen Anfrage von André Schollbach Erwähnung findet.
Gefragt hatte er: “Wer hat wann für den Freistaat Sachsen den Zuwendungsvertrag zwischen diesem und der Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. zur Förderung der Aufbereitung und Publikation der persönlichen Aufzeichnungen des Herrn Prof. Dr. Kurt Hans Biedenkopf abgeschlossen?”
Und die Antwort von Dr. Fritz Jaeckel: “Der Vertrag wurde am 23. August 2013 von dem Leiter des Referats 12 in der Sächsischen Staatskanzlei unterschrieben.”
“Haushalt, Innerer Dienst, Liegenschaften” heißt dieses Referat Nr. 12. Immerhin ging es ja um einen Haushaltstitel, der eigentlich zur Feier der beiden Jubiläen vorgesehen war: 25 Jahre Friedliche Revolution (2014) und 25 Jahre Deutsche Einheit (2015). Und damit alles rechtens war, muss der Vertrag wohl auch entsprechend mit Klauseln und Paragraphen gespickt gewesen sein. Immerhin umfasst er nach Auskunft von Jaeckel 46 Seiten.
Mindestens eine Klausel muss sich mit der Frage beschäftigen, inwieweit der Freistaat Sachsen nun an den Verkaufseinnahmen der Tagebücher, die im Siedler Verlag erschienen, beteiligt wird. Immerhin könnte es ja wie durch ein Wunder geschehen, dass die Tagebücher zu einem echten Bestseller werden. So gesehen ist es natürlich eine Frage mit Augenzwinkern, die André Schollbach am 13. Januar nachgeschoben hat: “In welcher Höhe führte die Konrad-Adenauer-Stiftung bislang aufgrund wie vieler verkaufter Bücher Einnahmen aus der publizistischen Verwertung der Tagebücher des Herrn Prof. Dr. Kurt Hans Biedenkopf im Siedler-Verlag an den Freistaat Sachsen ab?”
Die Antwort darauf wird es wohl im Februar geben.
Schollbachs Anfrage zur Rolle von Ministerpräsident Tillich.
Schollbachs Anfrage zur Vertragsunterschrift.
Die Nachfrage zu den Einahmen des Freistaats aus dem Buchverkauf.
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“Mindestens eine Klausel muss sich mit der Frage beschäftigen, inwieweit der Freistaat Sachsen nun an den Verkaufseinnahmen der Tagebücher, die im Siedler Verlag erschienen, beteiligt wird.”
Nein, dass muss sie nicht.
Herr Schollbach hätte beispielsweise weiter fragen müssen:
Waren die Zuwendungen an die die K.- Adenauer-Stiftung ausschließlich für dieses Buch bestimmt?
Was war die Grundlage für die Höhe dieser Zahlung?
War die Auszahlung an Bedingungen gebunden?
Sollten Nachweise über die Verwendung der Mittel vorgelegt werden? Welche? Ist das erfolgt?
Wer hat den Betrag zur Zahlung angeordnet? Wer hat die sachliche und die rechnerischen Richtigkeit bestätigt? Waren die betreffenden Personen gemäß der interner Festlegungen dazu berechtigt?