Es geht ja manches drunter und drüber - nicht nur in der sächsischen Innenpolitik, sondern auch in der bundesdeutschen. Innenminister preschen mit falschen Vorwürfen und seltsamen Forderungen vor, obwohl sie nicht einmal ihre eigenen Behörden im Griff haben. Politiker überbieten sich in wilden Geschichten. Da wirkt ein Papier der sächsischen SPD jetzt wie ein schüchternes Signal: "He, kommt mal wieder runter, Leute!"
Dazu ist der SPD-Landesvorstand am 22. und 23. Januar zu einer Klausurtagung in Radeberg zusammengekommen, wo er sich “mit aktuellen Fragen der Innenpolitik befasst” hat. Logisch, dass man da zu einem sehr durchwachsenen Ergebnis kam und es für nötig hielt, einen 6-Punkte-Plan zu beschließen: „Sicher zusammenleben in einem starken Rechtsstaat“.
Manchmal muss man den Sachsen auch mal erzählen, dass Innenpolitik vor allem etwas mit belastbarer Arbeit und ausreichend Personal zu tun hat, weniger mit dem politischen Tamtam, das einige Leute da veranstalten. Gerade nach Bekanntwerden der Vorfälle in der Silvesternacht in Köln schienen ja einige konservative Politiker geradezu durchzudrehen.
“Wir wollen, dass sich alle Menschen in unserem Land sicher fühlen. Gerade nach den Vorkommnissen von Köln müssen wir die Frage nach innerer Sicherheit und einem starken Rechtstaat neu stellen. Die Sorge vor einem Kontrollverlust des Staates führt bei einigen zu Unsicherheit. Der Ton in der Flüchtlingsdebatte hat sich seit Anfang des Jahres verschärft. Verunsicherung gibt es auch bei denen, die helfen“, erklärt dazu der SPD-Landesvorsitzende Martin Dulig. „Sicherheit für alle, das erwarten die Menschen vom Staat, zu Recht. Aber nur ein starker Staat kann seine Aufgaben auch umfassend wahrnehmen. Einen armen Staat können sich nur die Reichen leisten.“
Integration war ein weiteres Thema der Klausur. Generalsekretärin Daniela Kolbe zu diesem Thema: „Integrationsministerin Petra Köpping hat schon viele wichtige Vorhaben auf das Gleis gesetzt. Dazu gehören Sprachkurse für alle. Wir wollen zudem Wegweiserkurse für alle Flüchtlinge, die zu uns kommen. Dort geht es auch um Fragen des alltäglichen Zusammenlebens. Und wir müssen weiter diejenigen unterstützen, die sich für Flüchtlinge einsetzen. Dafür müssen die Förderrichtlinien deutlich aufgestockt werden. Das alles muss jetzt zügig umgesetzt werden.“
In dem 6-Punkte-Positionspapier „Sicher zusammenleben in einem starken Rechtsstaat“ geht die SPD noch einmal ein auf das, was sie 2014 beim Eintritt in die Regierungskoalition vorgefunden hat. Denn die Sicherheit im Feistaat war ja von der Vorgängerregierung regelrecht zum Abriss freigegeben worden, weil man felsenfest der Überzeugung war, man müsse beim Landespersonal mit dem Rasenmäher sparen. Übrigens nicht nur bei der Polizei, die auch schon zum Zeitpunkt der “Polizeireform 2020” (das war 2011) völlig unterbesetzt war, sondern auch in anderen sicherheitsrelevanten Bereichen wie der Justiz. Anklagen werden nicht erhoben, Prozesse ziehen sich hin oder platzen sogar, weil längst auch zu wenige Richter und Staatsanwälte da sind. Beide Punkte kommen im 6-Punkte-Papier der SPD jetzt wieder vor, verbunden mit der Forderung, wieder mehr Personal für den Öffentlichen Dienst einzustellen, um den Rechtsstaat wieder zu stärken und den Vollzug geltender Gesetze sicherzustellen.
Denn mit dem Koalitionsvertrag von 2014 hat man das ja nur partiell geschafft. Nach wie vor gestaltet sich das Ringen mit der CDU um eine Verbesserung der Personalsituation als schwierig.
Und während auf der einen Seite Personal fehlt, schaukeln auf der anderen Seite diverse Medien und Politiker die Stimmung hoch, überbieten sich in Angstmache und Bedrohungsszenarien. Feindbild: Flüchtlinge.
Irgendwie wollte auch die sächsische SPD auf die sprudelnden Vorurteile reagieren. Bei den Vorschlägen geht es dann freilich bunt durcheinander.
Sinnvoll ist natürlich, nach den Übergriffen auf Frauen zu Silvester in Köln eben nicht nur auf die “jungen Männer aus Nordafrika” zu schauen, sondern auf alle Machos und Patriarchen zu schauen, auch die inländischen, die von Gewalt gegen Frauen nicht lassen können: Die SPD möchte zum Schutz aller Opfer sexualisierter Gewalt im neuen sächsischen Gleichstellungsgesetz bessere Hilfsangebote festgeschrieben sehen. Vor allem auch – was derzeit völlig ausgeblendet wird – zum Schutz geflüchteter Frauen.
Die SPD Sachsen fordert zudem, dass die Wegweiserkurse für Asylsuchende flächendeckend verpflichtend eingeführt werden. Bisher werden sie erst in sechs Erstaufnahmeeinrichtungen angeboten. Denn wie sollen die Ankömmlinge Orientierung bekommen in der für sie neuen Gesellschaft, wenn es solche Angebote nicht gibt?
Und während sich einige Hardliner derzeit überbieten, für Ausländer in Deutschland quasi ein Extra-Strafrecht zu fordern, lehnt die SPD ab, rechtsstaatliche Prinzipien auszuhöhlen. Die Unschuldsvermutung dürfe auch im Rahmen des Ausländerrechts nicht angetastet werden. Auch eine Verfassungsänderung, die Einsätze der Bundeswehr im Bundesinneren über jetzt bestehende Regelungen hinaus ermöglicht, wird abgelehnt. Was dann direkt auf die völlig überdrehten Forderungen auch des sächsischen Innenministers Markes Ulbig (CDU) zielt.
An anderer Stelle ist die verquere Diskussion freilich auch schon ins SPD-Denken eingesickert. So etwa, wenn man die Pläne des Bundesjustizministers Maas unterstützt, Mehrfach- und Intensivtäter, welche schwere Straftaten begehen, aufenthaltsrechtlich stärker zu sanktionieren. Hier wird zwar das Thema “schwere Straftaten” betont, aber die Formel “Mehrfach- und Intensivtäter” verkleistert in der aktuellen Debatte, dass einige konservative Debattenteilnehmer gern auch Asylsuchende mit mehreren Kleindelikten (vom Schwarzfahren bis zum Diebstahl im Supermarkt) abschieben wollen. Und zwar ohne Rücksicht auf deren Sicherheit im Herkunftsland. Die SPD betont dazu: Eine Ausweisung in Kriegsgebiete wird abgelehnt.
Und irgendwie mittendrin schwelt ja auch die Diskussion um die zunehmende Radikalisierung politischer Straftäter und die Zahnlosigkeit der Sicherheitsdienste, wenn es um Vorwarnung und Hinweise geht. Zumindest der sächsische SPD-Vorstand glaubt noch daran, dass der sächsische Verfassungsschutz diese Rolle ausfüllen könnte und fordert, um politisch motivierte Straftaten und Gefahren für die Demokratie künftig besser zu erkennen, “eine sorgsamere Arbeit des Verfassungsschutzes. Hier kam es in den letzten Monaten zu gravierenden Fehleinschätzungen. Ob dazu die gesetzliche Grundlage geändert werden muss, ist zu prüfen.”
Das ist sehr zahm gedacht. Gerade die “gravierenden Fehleinschätzungen” deuten darauf hin, dass der Verfassungsschutz in dieser Struktur nicht als Frühwarnmelder der Demokratie funktioniert. Tatsächlich gehört er gründlich reformiert. Aber vor der Aufgabe scheuen die Regierungsparteien in Sachsen sichtlich (noch) zurück.
Keine Kommentare bisher