Man hört nicht viel aus dem zweiten NSU-Untersuchungsausschuss im sächsischen Landtag. Ein Grund dafür ist auch, dass für das Agieren sächsischer Ermittler mittlerweile wichtige Unterlagen fehlen. Die meisten Akten des Verfassungsschutzes wurden gleich nach dem Bekanntwerden des NSU systematisch vernichtet. Erst 2012 beendete ein Stopp diese Vertuschungsarbeit. Aber bei der Polizei hat man davon wohl nichts mitbekommen.

Das wurde am 14. November 2015 im zweiten eingesetzten NSU-Untersuchungsausschuss deutlich, als der Zeuge Kay-Uwe M. erklärte, er habe sich in Vorbereitung der Sitzung “nicht mit dem Lagefilm des Polizeireviers Zwickau zum 04.11. und 05.11.2011 auf die Vernehmung vorbereiten können, da Lagefilme nach zwei Jahren vernichtet werden und auch diese nicht mehr vorhanden waren.”

Am 4. November 2011 hatten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die Sparkasse am Nordplatz in Eisenach überfallen. Es war der 14. Banküberfall, der den beiden Rechtsterroristen zugeschrieben werden konnte. Doch diesmal ging ihr übliches Vorgehen schief, möglicherweise auch, weil die Polizei gewarnt war und das Gebiet in kurzer Zeit mit starken Kräften abriegeln konnte. Die Flucht war den beiden Kriminellen also abgeschnitten. Aber bis heute ist es ungeklärt, was tatsächlich in dem von ihnen angemieteten Wohnwagen geschah, in dem die beiden dann erschossen aufgefunden wurden. Der Umgang der thüringischen Polizei mit dem Wohnwagen gibt genauso Rätsel auf wie das Einkassieren der Brandortfotos der Feuerwehr (im Wohnwagen war noch Feuer gelegt worden) durch die Polizei und ihr spurloses Verschwinden.

Manches deutet darauf hin, dass das Auffliegen des Terror-Trios nicht ganz so ungeplant geschah, wie oft behauptet wurde.

Und der Thüringer Untersuchungsausschuss, der sich mit den Vorgängen in Eisenach besonders ausgiebig beschäftigt hat, formulierte erhebliche Zweifel an der Selbstmordthese der Polizei.

Ein wesentliches Indiz dafür, dass wesentliche Behörden da einiges zu vertuschen hatten, ist auch die sofort angelaufene systematische Aktenvernichtung – nicht nur beim sächsischen Landesamt für Verfassungsschutz, sondern auch beim Bundesamt. Und jedes Mal, wenn seitdem die Rolle der Verfassungsschützer (die auch mehrere V-Männer im direkten Umfeld des NSU-Trios abschöpften und bezahlten) beleuchtet werden soll, stellt nicht nur Richter Manfred Götzl am Münchner Oberlandesgericht fest, dass entweder die Zeugen erstaunlich vergesslich sind, von nichts wissen oder gar nichts sagen dürfen und Akten sowieso nicht zur Verfügung stehen.

Was den innenpolitischen Sprecher der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, Valentin Lippmann, am 14. November verblüffte, war die Tatsache, von Zeuge Kay-Uwe- M. zu erfahren, dass auch die Zwickauer Polizei keine Unterlagen mehr zu den entscheidenden Tagen 4. und 5. November 2011 hat. “Auf Nachfrage sagte er, er habe keine Kenntnis vom 2012 verhängten Aktenvernichtungsstopp des Innenministeriums”, merkt er in einer Anfrage an.

Was schon verblüfft. Denn in Zwickau war das Jenaer Terror-Trio ja zuletzt untergetaucht. Knapp dreieinhalb Stunden nach den Vorfällen in Eisenach setzte Beate Zschäpe die jahrelange gemeinsame Wohnung des Trios in der Frühlingsstraße 26 in Zwickau-Weißenborn in Brand und machte sich anschließend auf eine Reise durch halb Deutschland, auf der sie wohl auch die diversen Umschläge mit dem NSU-Bekennervideo auf den Weg brachte.

Und auch der sächsische Untersuchungsausschuss hat sich mit der Frage beschäftigt: Was geschah genau am 4. November in Zwickau? Mit wem hatte Beate Zschäpe an dem Tag Kontakt? Mit wem hat sie telefoniert? Und was fand die Polizei vor, als sie zur Brandstelle kam? Irgendetwas muss ja in den Protokollen des Tages festgehalten sein. Und Lippmann fragt sich nun, ob die Zwickauer Polizei überhaupt über das Aktenlöschungsmoratorium informiert wurde. Und so ganz will er auch nicht glauben, dass Lagefilme aus Polizeirevieren und Polizeidirektionen einfach so nach zwei Jahren gelöscht werden. Erst recht, wenn sie solche brisanten Tage wie den 4. November 2011 enthalten.

Seine Fragen hat er jetzt an die Landesregierung gestellt. Antworten müsste vom Amt her der Innenminister.

Die Fragen von Valentin Lippmann.

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